27 - Der Podcast zur Europawahl
ABBA und Bullerbü prägen das Bild von Schweden hierzulande bis heute. Doch das skandinavische Land hat sich in der jüngeren Vergangenheit verändert. Schießereien und Morde in den Großstädten, früher kaum denkbar, sorgen inzwischen immer wieder für Schlagzeilen. Wer allzu romantische Vorstellungen von einer Idylle im Norden hat, könnte sie insofern überdenken. Der Host Hannes Kunz nimmt bis zur Europawahl am 9. Juni seine Hörer in zehn Folgen mit auf eine Reise durch die Mitgliedsstaaten der EU. Er greift gemeinsam mit den ARD-Korrespondenten Einzelschicksale auf, um Grundsätzliches daran zu zeigen, ordnet ein - und hilft dabei, womöglich festgefahrene Bilder über die europäischen Nachbarn neu zu zeichnen. Schweden zum Beispiel habe gemessen an der Einwohnerzahl die meisten Schusswaffenopfer in der EU. Gewalt spielt auch in der Folge über Tschechien eine Rolle. Kunz thematisiert eine Vergewaltigung in einer Bar. Denn in dem osteuropäischen Land werden Sexualstraftaten gegen Frauen immer noch nicht ernst genug genommen. Ungewiss ist die Zukunft für Jugendliche besonders in Italien: Wie kann es sein, dass gut ausgebildete Menschen in Zeiten des Fachkräftemangels keine Arbeit finden? Doch auch das ist Europa. Ein Kontinent voller Geschichten. Marvin Zubrod
Systemeinstellungen
Die Geschichten klingen genauso absurd wie auch erschreckend. Ein Journalist verwendet den Link zu einer verbotenen Website der linken Szene in einem seiner Texte, einige Monate später wird er am frühen Morgen aus dem Bett geklingelt. Vor seiner Tür stehen diverse Polizeibeamte mit einem Durchsuchungsbeschluss - seine Wohnung, die eines Kollegen und seine Redaktion sollen gefilzt werden. Was erst mal wirkt wie Szenen aus einer Autokratie, spielte sich tatsächlich 2023 im beschaulichen Freiburg ab und ist nun die erste von sieben Geschichten der Podcast-Reihe Systemeinstellungen, ein True-Crime-Format der etwas anderen Art. Denn diese sorgfältig aufbereiteten Audiogeschichten von netzpolitik.org widmen sich jenen Fällen, in denen der Staat vermeintlich zu weit gegangen sein soll. Der Host Serafin Dinges führt anhand persönlicher Gespräche mit Betroffenen durch einen Podcast, der sowohl musikalisch als auch dramaturgisch liebevoll gestaltet wurde. Dabei lenken auch kleine Anekdoten und emotionale Momente nie von der berechtigten Frage ab: Was passiert, wenn der Staat bei dir einbricht? Saladin Salem
Am Schlick
Womöglich hat alles ganz harmlos angefangen. Denn nicht nur im privaten Alltag, auch in den Wirtschaftsbetrieben der DDR musste häufiger mal improvisiert werden, weil es an diesem oder jenem gefehlt hat. Sascha Lüttich jedenfalls ist Werftarbeiter und Gewerkschafter mit einer DDR-Biografie. An dem Punkt, an dem dieser sechsteilige Krimi-Hörspiel-Podcast, geschrieben von Marcel Raabe und Lars Werner und für den NDR inszeniert von Janine Lüttmann, einsetzt, geht es indes längst nicht mehr um einen kreativen Umgang mit dem Mangel. Sondern um halb- bis illegale Nebengeschäfte, deren Betreiber sich zu lange eingeredet haben, dass es sich bei ihren Unter-der-Hand-Geschäften um Kavaliersdelikte handelt. Wobei zumindest Lüttich nicht den großen Reibach macht, vielmehr sichert er so seine prekäre finanzielle Existenz ab. Als sein Ziehvater, der Gewerkschaftsboss, unter dubiosen Umständen stirbt, muss Lüttich alles daran setzen, selbst in das Amt gewählt zu werden, damit die Dinge so bleiben können, wie sie immer waren. Am Schlick erzählt mit einem tollen Ensemble - Peter Kurth spielt Lüttich, mit dabei sind auch Bjarne Mädel, Anne Ratte-Polle und Charles Brauer -, wie an sich redliche Menschen aus Unbeholfenheit und Verzweiflung in einem kriminellen Teufelskreis rotieren, was sie fatale Dinge tun lässt. Stefan Fischer
To Catch a Scorpion
Tausende Menschen riskieren jährlich ihr Leben in winzigen, überfüllten Booten mitten im Meer. Sie nach Europa zu verfrachten und ihnen Hoffnung auf ein besseres Leben zu machen, ist für Barzan Majeed ein Millionengeschäft. Zwei Jahre lang ermittelte die Polizei international gegen den Menschenschmuggler und seine rücksichtslose, kriminelle Gruppe, bekannt als "Scorpion Gang". Dem Anführer jedoch gelang die Flucht. Um Majeed alias Scorpion zu stellen, ihn zum Reden zu bringen, begeben sich die BBC-Journalistin Sue Mitchell und der Flüchtlingshelfer Rob Lawrie auf eine waghalsige Entdeckungsreise. Sie begegnen Komplizen der Gang sowie deren Opfer und lernen, wie das Geschäft entlang der Flüchtlingsrouten funktioniert. Nach einer unermüdlichen Suche gelingt es den beiden, Scorpion zu treffen. Wie viele Menschen er auf dem Weg nach Europa ihrem Schicksal überließ, weiß er nicht. "Vielleicht tausend, vielleicht zehntausend. Ich habe nicht gezählt." Wer ist dieser Mann, der sich ein Luxusleben mit Menschenleben finanziert? Diese Frage beantworten Sue Mitchell und ihre Kollegen von der BBC eindrücklich und mit Nachhall. Pascal Moser
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