Podcast des Monats:Das sind die Podcast-Tipps im Februar

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(Foto: SZ)

Auf einem Schiff arbeitet ein seltsamer Kerl mit Klauenhänden, außerdem wird der wertvollste Pudel der Welt gestohlen: SZ-Redakteure stellen die besten Podcasts vor, die es gerade zu hören gibt.

Podcasts haben einen neuen Boom des Geschichtenhörens ausgelöst - im Fiktionalen wie im Dokumentarischen und bei Ratgebern. Sie befördern neue Formate, etwa Serien, und bringen neue Produzenten hervor. Die SZ-Medienseite stellt jeden Monat ihre Favoriten vor.

Faking Hitler

stern.de/faking-hitler

Jede Zeit hat ihre Betrugsskandale. 1983 ist das Magazin Stern auf die gefälschten Hitler-Tagebücher hereingefallen. Die 62 Kladden, in denen Hitler in den Worten des Fälschers Konrad Kujau über nervige Untergebene, Eva Brauns Allüren und seine Wehwehchen schrieb, trafen den Nerv einer Gesellschaft, die den Schrecken ihrer Geschichte gerne vergessen hätte. Ein Führer, der privat und menschlich war, kam da vielen recht. Die Geschichte ist vielfältig aufgearbeitet, nun hat der Stern selbst den Fall wieder hervorgezogen und ihn zu dem Podcast Faking Hitler verarbeitet. Er stützt sich auf Gespräche Kujaus mit dem Stern-Reporter Gerd Heidemann, der sich die Tagebücher für 9,3 Millionen Mark andrehen ließ und die Gespräche damals aufgezeichnet hat - um sich abzusichern und wohl auch, um seinen vermeintlichen Scoop für die Nachwelt festzuhalten. Man hört den Betrüger und den Betrogenen, wie sie einander umschmeicheln, streiten, ein Verhältnis aufbauen, das man Männerfreundschaft nennen kann oder toxische Abhängigkeit. Begonnen hat der Podcast schleppend, aber er entwickelt sich Folge für Folge zu einem Kammerspiel über Abgründe. Es geht um die Mechanismen des Betrügens; darum, wie leicht der Mensch glaubt, was er glauben will.

Verena Mayer

Wolverine. The Long Night

wolverinepodcast.com

In den ersten Episoden rt man vor allem, was der Kerl getan haben soll: unheimliche Morde in Alaska, die Besatzung eines Fischerschiffs wurde grausig zugerichtet, ein Mann wurde beobachtet, wie er nackt ein Tier zerlegte. Hat dieser Logan etwas damit zu tun, der auf dem Schiff gearbeitet hat, nun verschwunden ist und der - so wird gemunkelt - Klauenhände hat? Comics als Hörspiele zu adaptieren, klingt nach Themaverfehlung: Man kann weder bunte Kostüme zeigen noch spektakulär demolierte Städte, und die meisten Superkräfte sind schon eindrucksvoller, wenn man sie nicht nur hört. Wolverine. The Long Night, der erste Podcast von Marvel, funktioniert als Hörspiel jedoch hervorragend, eben weil es den unverwundbaren Wolfsmenschen nicht zeigt, sondern beschreibt. Agenten und Polizisten ermitteln. In Verhören, Briefen und nie zu aufdringlichen Soundeffekten lassen sie eine Welt um den Superhelden herum entstehen, der von Richard Armitage gesprochen so schön verwegen klingt, als habe er mit Whisky einen Sack Sägespäne heruntergespült. Staffel zwei ist geplant.

Nicolas Freund

Criminal

thisiscriminal.com

Phoebe Judge spricht, als singe sie. Der beruhigende Rhythmus, der warme Klang, die lang gezogenen Wörter: Man könnte meinen, sie lese ein Kind in den Schlaf. Tatsächlich erzählt die amerikanische Journalistin von menschlichen Abgründen und kriminellen Kuriositäten. Etwa von einem stümperhaften Flugzeugentführer oder von einem Auftragsmörder, der einen Auftragsmörder töten soll. Ein in den 1950ern verschwundener Hund? Wird zur spannenden Story vom Diebstahl des wertvollsten Pudels der Welt. Wahre Geschichten, in denen die Hauptpersonen selbst zu hören sind: Täter, Opfer und Ermittelnde. Frei von moralischer Überheblichkeit erzählt der Podcast des US-Netzwerks Radiotopia am True-Crime-Voyeurismus vorbei.

Aurelie von Blazekovic

Abenteurerinnen

br.de/mediathek/podcast/radiodoku/691

Sie durchqueren Wüsten, reisen im Auto um die Welt oder besteigen Viertausender. Und das nicht in der heutigen, technologisierten Welt, sondern Anfang des 20. Jahrhunderts. In der Reihe Abenteurerinnen widmet sich Radio Doku von Bayern 2 wagemutigen Frauen. In den ersten beiden Folgen geht es um die Rennfahrerin Clärenore Stinnes, die in den 1920ern in ihrem Auto um die Welt gefahren ist und am Baikalsee ihre Zündkerzen im Backofen aufwärmen musste. Und um Eleonore Noll-Hasenclever, die acht Mal das Matterhorn erklommen hat, sich aber ihrer Mutter zuliebe das Rauchen abgewöhnen musste. Eine feine Reihe fast vergessener weiblicher Viten, die daran erinnert, wie früh Frauen bereits eigene Wege gingen. Auch die dritte Folge ist inzwischen verfügbar: Sie handelt von der Wüstenreisenden Isabelle Eberhardt.

Carolin Gasteiger

The Big Pond

goethe.de/ins/us/en/kul/tec/tbp.html

2019 ist in den USA Deutschlandjahr, das Motto: "Wunderbar Together". Das Goethe-Institut produziert ein Jahr lang 50 Folgen des transatlantischen Podcasts The Big Pond. Die ersten Episoden zeigen eine bunte Themenmischung. Der in den USA lebende Fußballtrainer Jürgen Klinsmann kommt zu Wort, auch die Sopranistin Leigh Hamilton. Die Längen der Episoden variieren. In elf Minuten wird die Wiederbelebung von Downtown Atlanta erklärt. Etwas kurz. Dem Interview, das Frances Schoenberger 1975 mit John Lennon geführt hat, lauscht man dagegen eine halbe Stunde. Es macht Spaß zu hören, wie Lennon stets kontrolliert, ob das Aufnahmegerät läuft. Nicht alles sind American Dream Stories. Thomas Buergenthal schildert seine Erinnerungen an Auschwitz. Migranten sprechen über Dinge, die sie aus ihrer Heimat mitgenommen oder zurückgelassen haben. Kultureller Austausch bedeutet beides: Gewinn und Verlust.

Michael Kohl

Der Anruf

deranrufpodcast.de

Johannes Sassenroth und Clemens Boekholt wenden in ihrem Gesprächs-Podcast das Domian-Prinzip an. Hartnäckig und dabei einfühlsam hat Jürgen Domian in seiner legendären WDR-Sendung Anrufer ermuntert, über etwas zu reden, das sie im Innersten bewegt. Auch die Macher von Der Anruf geben ihren Gästen jene Sicherheit, die sie brauchen, um Intimes von sich preiszugeben. Sassenroth arbeitet als Moderator beim Hessischen Rundfunk, auch Boekholt verdient sein Geld bei den Öffentlich-Rechtlichen. Den Podcast betreiben sie privat, sie nehmen sich 45 bis 60 Minuten Zeit für einen Menschen, der von sich aus reden möchte. Mal ermuntern die beiden eher, mal bohren sie nach, provozieren auch. Immer respektieren sie ihre Gegenüber, stellen niemanden bloß. Zuletzt hat eine alleinerziehende Singlefrau über ihr Verzweifeln an den Männern gesprochen. In früheren Folgen berichteten etwa ein Mann, der Geld unterschlagen hat, und eine Frau, die als Teenager ein Spenderherz bekommen hat.

Stefan Fischer

Auch die SZ macht Podcasts. Hören Sie hier die erfolgreichste Folge aus dem vergangenen Monat:

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