Süddeutsche Zeitung

Podcasts des Monats:Das sind die Podcast-Tipps im Oktober

Nachrichtenvermittlung als Frühstücksplauderei, die Unterschiede zwischen Ost und West für alle, die nach dem Mauerfall geboren wurden, und eine Einführung in die Tech-Welt ausschließlich von Frauen.

Von SZ-Autoren

0630 by WDR aktuell

wdr.de/mediathek/audio

Was ist heute los? Diese Frage will der Nachrichtenpodcast 0630 beantworten, um 6 Uhr 30 morgens, täglich von Montag bis Freitag. Der 15-Minuten-Podcast kommt dabei rüber wie ein Mitbewohner, der zwar super früh aufsteht, aber sonst super lässig ist und einem am Frühstückstisch erzählt, was man wissen muss. "Ziemlich krass" findet der dies und "megaschwierig" jenes. Laut WDR richtet sich der Podcast an Menschen um die dreißig, klingt aber manchmal etwas unterkomplex ("Konfuzius, kennt man auch aus Serien und Filmen"). Bewusst wollen die Moderatorinnen und Moderatoren ihre eigenen Meinungen thematisieren, sie erzählen nicht nur, was los ist, sondern auch, was man davon zu halten hat. Leider führt der Plauderton dann mitunter dazu, dass Selbstverständlichkeiten zu bloßen Ansichtssachen werden: "Ich finde, man sollte überall in Deutschland mit Kippa herumlaufen können." So gut die Idee ist, Nachrichten einfach und zugänglich rüberzubringen, am Ende ist es wie mit Mitbewohnern: Manchmal werden sie ganz schön nervig. Elisa Britzelmeier

Kohl Kids - Leben mit der Einheit

wdr.de/mediathek/audio

30 Jahre deutsche Einheit, dazu muss es doch einen Podcast geben? Na klar, hier kommt er: Kohl Kids befasst sich aber nicht mit historischen Ereignissen, sondern mit dem Leben im wiedervereinten Deutschland, und zwar aus Sicht der Generation, die knapp in diese Einheit hineingeboren wurde. Die unter Kanzler Kohl gezeugten Nineties-Kids also, für die der alte Osten wie der alte Westen doch eigentlich keine Rolle mehr spielen müsste. Mit dieser Illusion räumen die Gastgeberinnen Jule und Rike - Jule Wasabi und Friederike Schicht - in der Produktion von WDR und MDR von vornherein auf. Eine ist in Schwaben geboren, die andere in Sachsen-Anhalt, und beide merken, wie und wo auch heute noch Grenzen verlaufen, und sei es nur in der geteilten Straßenbeleuchtung Berlins. Es geht um Klischees, regionale Fremdenfeindlichkeit und die Unmöglichkeit, Unterschiede einfach wegzuwischen. Kohl Kids ist eine Art Gesprächstherapie zwischen Ost und West der Gegenwart, ein Befindlichkeitscheck für die Kinder und Enkel der Einheit. Aurelie von Blazekovic

Der V-Komplex

ndr.de/radiokunst

Sie nennen sich "Die Befreiten". Und erinnern in vielem an die Identitären. Smart auftretende rechtsextreme Akademiker, durchaus mit Verbindungen ins althergebrachte Neonazi-Schlägermilieu. Sie wollen eine politische Wende nach ihrem Gusto jedoch nicht in erster Linie im Straßenkampf erzwingen, sondern indem sie die gesellschaftlichen Diskurse kapern. In diese zwar fiktive, aber eben doch nicht erfundene Gruppierung schleusen die Autoren Dorian Steinhoff und Tilman Strasser eine Verfassungsschützerin ein. Die junge Frau kämpft in ihrem Thriller-Podcast an zwei Fronten: Sie muss ihre Tarnung wahren innerhalb des sich zunehmend radikalisierenden Männerbunds. Und herausfinden, woran sie bei ihrem Vorgesetzten wirklich ist. Der hat ein ähnliches Frauenbild wie die Rechten. Vor allem aber ist unklar, ob seine Entscheidungen von einer raffinierten Taktik geleitet sind, die sich der Informantin nicht erschließt - oder von Nachsicht gegenüber den Befreiten, gar von Sympathie für sie. Stefan Fischer

She Likes Tech

ndr.de

Können wir Musik direkt in unseren Kopf streamen, wie Elon Musk kürzlich auf Twitter behauptete? Unter anderem darüber klärt der neue, von Frauen präsentierte Tech-Podcast von NDR Info und N-JOY auf. In der ersten Folge laden die beiden Hosts Eva Köhler und Svea Eckert zum Beispiel die Wirtschaftsingenieurin Maxine Benz ein, die bei Mercedes-Benz zu Zukunft und Innovation forscht. In weniger als 30 Minuten liefern die drei Frauen einen dichten und präzisen Einblick, wie menschliche Hirnzellen mit einem Lenkrad verbunden werden könnten, wie man Hirnaktivitäten misst, und welche großen Pläne das Silicon Valley dazu gerade schmiedet. Wohltuend ist, dass ausschließlich weibliche Stimmen hier zu Wort kommen über Themen wie Fake-Accounts, Instagram-Hacks, rassistische KIs und über ihre Erfahrungen als Frau in der Tech-Branche. Das mit der Musik ist übrigens nicht ganz so einfach, wie sich das Elon Musk vorstellt, erklärt Wirtschaftsingenieurin Benz: "Der Weg ist noch ganz weit." Marlene Knobloch

Das aktuelle Sportstudio - Gespräche

zdf.de

Katrin Müller-Hohenstein macht in der ersten Folge gleich eine klare Ansage: Endlich die Fragen stellen dürfen, die man eigentlich wirklich stellen will, die man aber in der Sendung mit ihren kurzen Interview-Schneisen von zehn oder zwölf Minuten nie unterbringen kann. Die Moderatorenriege des Sportstudios - allesamt Interview-Profis - nutzt diese Chance mehr oder weniger gut. Die Chance des spontanen Gesprächs, das den prominenten Sportler auch als privaten Mensch neu entdeckt, weil es eben auch mal ungeplante Äußerungen bereithält: So können intime, private, ehrliche Momente entstehen, wie es im quirligen Gespräch zwischen Jochen Breyer und der Weltklasse-Tennisspielerin Andrea Petković gelingt. Beim hundertmal gesehenen und gehörten und zum frühen Wut-Olli hundertmal befragten Olli Kahn haut das hingegen nicht mehr so hin. Auch weil Müller-Hohenstein das Abweichen vom Fragenkatalog deutlich schwerer fällt, woran auch Sven Voss noch arbeiten kann. Anders der fröhliche, schnelle, unbefangene Breyer, der auch bei der Triathletin Anne Haug fragt, was ihm gerade in den Sinn kommt. Fast alle seine notierten Fragen hat er, wie er selbst sagt, bei Petković liegen gelassen. Die Richtung, die der Podcast nehmen sollte, ist damit definiert: Schön locker bleiben. Harald Hordych

sz.de/podcast-tipps

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