Süddeutsche Zeitung

Podcast von Jan Böhmermann und Olli Schulz:Öfter mal daheim

Was dem Fernsehen noch nicht so recht gelingen will, schaffen Podcasts gerade: auch mal unterhaltsam durch die Krise zu begleiten. Wie "Fest und Flauschig" - selbst bei erhöhter Frequenz.

Von Aurelie von Blazekovic

Als Jan Böhmermann und Olli Schulz Ende Januar angekündigt haben, von nun an zwei Mal die Woche Fest & Flauschig zu senden, war das für langjährige Hörer ein ziemlich großes Ding. Waren da doch die hohen Unterhaltungsansprüche der Podcastmacher, die das unvorstellbar erscheinen ließen. Immer wieder hatten sie selbst vor der ermüdenden Wirkung von zu viel Sendung gewarnt, und Stefan Raab oder Harald Schmidt als mahnende Beispiele angeführt.

Vielleicht war im Januar dann einfach der andauernde Wahnsinnserfolg ihres Podcasts der Grund, warum sich das über Jahre geltende Einmal-pro-Woche-Prinzip nicht mehr durchhalten ließ. Fest & Flauschig ist (gemeinsam mit Gemischtes Hack von Comedians Felix Lobrecht und Tommi Schmitt) nicht nur einer der meistgestreamten Podcasts in Deutschland, sondern der Welt. So erfolgreich, dass Spotify daran arbeitet, das Konzept "zwei lustige Mediengestalten unterhalten sich" in andere Länder zu transportieren. Das Wetten, dass...? der Podcastwelt sozusagen. Sieben Wochen lang gab es also wöchentlich zwei Folgen Gags, Musiktipps und lustige wie ernsthafte Beobachtungen aus Alltag und Welt von Schulz und Böhmermann. Dann kam Corona und die Taktung, mit der sich die Welt da draußen drehte, steigerte sich - während zu Hause alles langsamer wurde. Was gestern noch galt, war am nächsten Tag fraglich. Seit Mitte März gibt es - außer Montag und Samstag - jetzt täglich das Gespräch auf Spotify, Fest & Flauschig Zuhause. Die neue Zeile im Introsong: "Wir waschen dir die Hand und schließen dich zu Hause ein."

Das Konzept der Sendung hat sich nicht grundlegend geändert. Vielleicht waren da zeitweise weniger Peniswitze, aber es bleibt Unterhaltung. Wenn auch dieser Tage betonter als sonst: verantwortungsvolle Unterhaltung. Vor allem in der ersten überwältigenden Zeit der Krise schlugen sie ernste Töne an - dafür ist traditionell Böhmermann da. Informationen oder gar Theorien zum Virus wolle und könne man nicht bieten. Dafür holten sie sich den Virologen Christian Drosten oder Ellen Trapp, ARD-Korrespondentin in Rom, in die Sendung und wurden ungewohnt journalistisch. Die Resonanz ist riesig, noch nie habe man so viel Feedback bekommen. Ausgewählte Hörermails von Polizisten, Supermarktverkäufern, oder Pflegepersonal in Nöten werden vorgelesen. Aber es gibt auch noch den stumpfen Spaß: Die neueste Rubrik ist das erotische Hörspiel "Die Yogalehrerin". Balsam auf der Quarantäne-Seele.

Das Fernsehen kann auch nichts dafür, dass es jetzt plötzlich so unbeholfen anders aussieht

Podcasts passen sich gut an die veränderten Gegebenheiten an: Sie füllen das Nichts und bieten sogar ein bisschen Nähe in einer Zeit, die für viele eine einsame ist. Es ist aber auch eine, in der verlässliche Informationen wichtiger geworden sind. Bezeichnend, dass die vielleicht direkteste Quelle zu ihnen gerade auch ein Podcast ist. Das Coronavirus-Update mit Christian Drosten von NDR Info, in dem der Virologe werktäglich zu den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen Auskunft gibt, ist so etwas wie der Podcast der Nation geworden. Ein öffentlich-rechtliches Format, in dem ein Wissenschaftler über Wissenschaft spricht und viel Raum für Relativierung bekommt, gehört also in diesem Frühjahr zusammen mit den Spaßveranstaltungen Gemischtes Hack und Fest & Flauschig zu den erfolgreichsten Podcasts in Deutschland.

Man kann dem Fernsehen nicht vorwerfen, dass es gerade nicht auch allerlei versuchen würde. Außerdem fahren auch Tagesschau und die großen politischen Talkshows Zuschauerrekorde ein. Aber auf Unterhaltungsseite sieht es eher düster aus: Als Günther Jauch, Thomas Gottschalk und Oliver Pocher sich auf RTL an der Quarantäne-WG versuchten, wurden sie nach nur drei katastrophalen Folgen abgesetzt. Es liegt vermutlich nicht nur an ihnen, sondern auch am Medium Fernsehen, wo man Hochglanzstudioböden und klatschendes Publikum gewohnt ist, und jetzt triste Bücherregale aus den Privaträumlichkeiten von Fernsehmenschen sehen muss. Vielleicht ist die ganze Unbeholfenheit des zwangsimprovisierten Lebens da einfach zu sichtbar.

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SZ vom 08.04.2020
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