Podcast:Mit Obama in der Garage

Die Interview-Reihe "WTF with Marc Maron" geht zum 1000. Mal auf Sendung. Kaum jemand kommt Prominenten so nahe, sogar dem ehemaligen amerikanischen Präsidenten.

Von Jan Jekal

Im Sommer 2015 landete der Hubschrauber des damaligen US-Präsidenten in Los Angeles' szenig-schäbigem Viertel Highland Park. Für Barack Obama war alles vorbereitet: Die Nachbarhäuser waren abgesichert, die Scharfschützen auf den Dächern postiert. Eine Stunde lang würde der Präsident sich interviewen lassen, würde über dezidiert intime Themen sprechen, das Verhältnis zu seinem abwesenden Vater zum Beispiel oder seine persönlichen Erfahrungen mit Rassismus. Er würde sogar das N-Wort aussprechen. Und zwar nicht in einem Gespräch mit, sagen wir, Oprah Winfrey in einem hell ausgeleuchteten Fernsehstudio, sondern in der kleinen, mit Büchern, Platten und Plakaten zugerümpelten Garage des Stand-Up-Komikers und Podcasters Marc Maron.

Der Besuch des Präsidenten markierte Marons Status als Schlüsselfigur der Podcast-Explosion. Seit 2009 veröffentlicht er jeden Montag und Donnerstag eine neue Folge seines Interviewformats WTF with Marc Maron (WTF ist Onlineslang für "what the fuck"). Diesen Monat wird die 1000. Ausgabe erscheinen. Eine gute Stunde lang unterhält Maron sich mit einem Gast, ohne Konzept oder aufdringlichen Werbecharakter. Zu Beginn war seine Sendung eine Art Insiderveranstaltung der amerikanischen Stand-Up-Szene, mit wachsender Popularität und steigender Attraktivität als vergleichsweise subtiler Promotionsplattform kamen immer bedeutendere Filmemacher, Autoren und Musiker als Gesprächspartner. Der WTF-Katalog ist zu einem wertvollen, wachsenden Archiv an Gesprächen mit Exponenten englischsprachiger Popkultur geworden.

Maron ist ein exzellenter Interviewer, weil er in den Biografien seiner Gäste empathisch und ein wenig schamlos nach Anknüpfungspunkten sucht und sie in der Regel auch findet. Denn er kennt sich aus mit New York und Hollywood, mit Comedy, Literatur und dem Blues, mit Angst und Verbitterung, Kokain und Alkohol - also mit allem, was seine in der Regel amerikanischen Künstlergäste bewegt.

Seine eigene Offenheit und die Intimität des Mediums (keine Kameras, kein Publikum, nur Mikrofone) lassen eine vertrauensvolle Situation entstehen, in der die Gespräche den Charakter von Therapiesitzungen annehmen können. WTF schlug erstmals im Frühjahr 2010 Wellen, als der Komiker Robin Williams, vier Jahre vor seinem Suizid, schonungslos über seinen Alkoholismus sprach. Maron geht es nicht um das ausbeuterische Herauskitzeln persönlicher Dämonen, sondern um Übungen in Mitgefühl. Er ist ein pragmatischer Existenzialist: Die Dinge stehen nicht gut und sie sind auch nicht zu ändern, aber gemeinsam sind sie leichter zu ertragen, also sollten wir nach Verbindung suchen, wo wir nur können, und anderen unsere Ängste mitteilen.

WTF with Marc Maron ist zu hören auf wtfpod.com

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