Süddeutsche Zeitung

Podcast "Cui Bono":Lautsprecher

Ken Jebsen war mal Moderator bei den Öffentlich-Rechtlichen. Heute zählt er zu den krudesten, einflussreichsten Verschwörungsanhängern. Ein Podcast erzählt, warum.

Von Stefan Fischer

Diesmal schaltet sich der Moderator selber stumm. Er will sich nicht äußern zu seiner eigenen Geschichte. Dazu, wie er vom lustigen Kult-Moderator bei den Öffentlich-Rechtlichen zu einem der einflussreichsten, mal flüsternden, mal schreienden Verbreiter von Verschwörungsideologien in Deutschland wurde. Der sechsteilige Podcast Cui Bono: WTF happened to Ken Jebsen? zeichnet den Irrweg nach. Man hört viel von Ken Jebsen. Aber mit den Machern reden wollte er nicht.

Zwei Mal ist er stumm geschaltet worden, der schnelle Wortakrobat. Vor zehn Jahren, als er beim RBB rausflog nach Antisemitismus-Vorwürfen, die er immer von sich gewiesen hat. Seine Show aber, Ken FM, gab es nach zehn Jahren im Radio weiter im Netz. Bis Youtube den Kanal mit 500 000 Abonnenten im vergangenen November dauerhaft gesperrt hat: Wieder einmal war Jebsen zu weit gegangen, die Videoplattform hat den 54-Jährigen wegen wiederholter Falschinformationen über das Coronavirus ausgeschlossen.

Cui Bono: WTF happened to Ken Jebsen? - der Titel dieses sechsteiligen Podcasts enthält zwei Fragen: Was zur Hölle ist mit Ken Jebsen passiert, seit er als junger, anarchischer Radio- und Fernsehmoderator durchs Berlin der wilden Neunzigerjahre zog? Und: Cui bono - wem zum Vorteil - handelt Jebsen, selbsternannter Aufdecker angeblicher Wahrheiten? "Wir drehen den Spieß um", erklärt Khesrau Behroz in der ersten Episode des Podcasts: "Welche Interessen, welche Akteurinnen und Akteure stecken hinter den Verschwörungstheorien, hinter Ken Jebsen und Ken FM?"

Darauf gibt es ein paar alarmierende Antworten.

Behroz ist Journalist und Autor für die Produktionsfirma K2H, die Cui Bono gemeinsam mit Studio Bummens (Baywatch Berlin, Gute Deutsche) sowie NDR und RBB, dem ehemaligem Arbeitgeber, produziert hat. Stellt er Jebsen damit nicht eine prächtige Bühne hin - auch wenn der sie gar nicht betritt, jedoch ausführlich zitiert wird und mit aufgezeichneten Ansprachen und Sendungsausschnitten zu Wort kommt? Gegenfrage: Was wäre gewonnen, Jebsens breitenwirksames Treiben zu ignorieren?

Cui Bono legt den Werdegang gründlich offen. Es wird erzählt, wie Ken Jebsen abgedreht ist vom selbstbewussten, wagemutigen Sprechtalent hin zu einer Verschwörungs-Unlogik und wie er zu einer der zentralen Figuren wurde in einem Netzwerk aus Corona-Leugnern, Demokratiefeinden und Organisatoren von politischen Desinformationskampagnen.

Bei den Öffentlich-Rechtlichen hat lange niemand so genau hingeschaut. Oder?

Der RBB, das macht Cui Bono deutlich, hat ihn als Moderator zu lange gewähren lassen. Auch wenn die Aufarbeitung dieser öffentlich-rechtlichen Karriere innerhalb des Podcasts lückenhaft ist. Denn aktuelle und ehemalige RBB-Mitarbeiter verweisen auf eine Stillschweigevereinbarung, die mit Jebsen bei seinem Rauswurf getroffen worden sei. Dass der RBB als Co-Produzent pausiert in der zweiten Episode, die inhaltlich vor allem den Sender betrifft, ist etwas halbgar. Was aber überwiegt: Der RBB stellt nicht nur Archivmaterial zur Verfügung, sondern arbeitet die Geschichte aktiv mit auf, die in Teilen seine eigene ist. Obwohl der Sender dabei nicht im besten Licht dasteht.

Khesrau Behroz und sein Team haben viel Material zusammengetragen und mit vielen Menschen gesprochen, darunter ehemalige Weggefährten Jebsens. Einen Wendepunkt machen die Rechercheure im Jahr 2014 fest, im Zuge der Mahnwachen für den Frieden während der Proteste in der Ukraine. Jebsen habe sich damals als links verstanden, erklärt der Journalist und Radikalisierungsexperte Sören Musyal: als antiamerikanisch, antikapitalistisch, prorussisch. Er habe bei den Linken andocken wollen, sei dort aber mehrheitlich als Feind wahrgenommen worden. Der Schwenk nach rechts habe im Zuge der ausländerfeindlichen Krawalle in Chemnitz stattgefunden: "Da haben rechte Kräfte in der Ken FM-Community den Diskurs übernommen", sagt Behroz.

Ken Jebsen ist zu diesem Zeitpunkt schon länger in dubiosen Missionen in der Ukraine und in Russland unterwegs. Knüpft enge Kontakte mit dem deutschen Ableger des russischen Propaganda-Senders RT. Und hat gute Kontakte zur russischen Internet Research Agency, jener Trollfabrik, die maßgeblich war bei der russischen Einmischung in den amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf 2016. Vor allem in den letzten beiden Folgen ist Cui Bono sehr komplex. Denn der Podcast legt größten Wert darauf, jede Behauptung belegen zu können, er nennt die Video-, Audio-, und Social-Media-Quellen, auf die er sich hauptsächlich bezieht. Und wo es keine klaren Beweise gibt, sondern nur Indizien, macht er das kenntlich. Es ist ein kompliziertes, informelles Geflecht, das sich vor den Hörern ausbreitet. Und trotzdem bis zur letzten Minute spannend bleibt.

Für die Männer - es sind ausnahmslos Männer -, die hinter den russischen Desinformationskampagnen stecken, ist Jebsen ein Glücksfall. Leute wie ihn, das legt Cui Bono dar, sind unerlässlich, um destabilisierende Fake News weit hinein in die jeweiligen westlichen Gesellschaften zu tragen. Freiwillig, oder ohne dass sie es merken. In den USA ist der Radiomoderator Alex Jones so ein Multiplikator, in Deutschland ist der gut vernetzte Ken Jebsen die zentrale Figur. Sie lässt also erschaudern, die Schlüsselantwort auf die Frage: Wem zum Nutzen?

Cui Bono: WTF happened to Ken Jebsen?, ARD Audiothek sowie Spotify, Apple Podcasts, Amazon Music.

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