Süddeutsche Zeitung

Podcasts des Monats:Das sind die Podcast-Tipps im Februar

Welchen Effekt hat es, wenn Schauspieler den Weinstein-Prozess nachsprechen? Und wieso will Rocko Schamoni seinen Tod inszenieren? Die besten Podcasts des Monats haben Antworten.

Aus der SZ-Redaktion

Schauspieler sprechen Szenen aus dem Weinstein-Prozess nach. Politik verbindet sich mit Battlerap. Und zwei Multitalente streiten. Die SZ-Medienredaktion stellt ihre Lieblingspodcasts im Februar vor, diesmal mit verschrobenem Humor, Radikalisierungsforschung und Scheintod.

The Harvey Weinstein Trial: Unfiltered

open.spotify.com

Phelim McAleer hat für renommierte Medien gearbeitet, Sunday Times, Financial Times, Economist - gute Voraussetzungen für einen Podcast, der verspricht, der Welt einen akkuraten Blick in den derzeit meistbeobachteten Gerichtssaal der USA zu gewähren. Und tatsächlich: Die wortwörtlich von Schauspielern nachgesprochenen Szenen jedes Tages aus dem Prozess gegen Harvey Weinstein sind fesselnd. Es gibt Scharmützel zwischen Staatsanwaltschaft und Verteidigung, mitunter schwer erträgliche Schilderungen mutmaßlicher Opfer. Und auch die Sensationslust wird bedient - vor Gericht geht es immer wieder explizit um Weinsteins Physis. Problematisch ist die Kommentierung der Szenen durch McAleer und seine Frau Ann McElhinney. Sie diskreditieren eine Expertin für Opferverhalten, erklären Zeuginnen für wenig glaubwürdig und neigen zu Lob für Weinsteins Anwälte. Aber auch das ist aufschlussreich, weil es veranschaulicht, dass distanzierte Neutralität keinen hohen Stellenwert mehr hat in der amerikanischen Öffentlichkeit. Johanna Bruckner

Machiavelli

machiavelli.wdr.de

Jan Kawelke berichtet im WDR über Rap, Vassili Golod über Politik. In ihrem bei der Welle Cosmo beheimateten Podcast vereinen sie ihre Interessen und schaffen Verknüpfungen, wo man sie erst einmal nicht vermutet. Sie sprechen mit Sahra Wagenknecht und der Rapperin KeKe über Depressionen, mit Philipp Amthor über seine Mama und mit Max Herre über deutsche Erinnerungskultur. Das gelingt deshalb so gut, weil beide sich nicht scheuen, auch die naiven Fragen zu stellen und einfach mal zuzuhören. Der Musik, den Texten und vor allem dem Gegenüber. Nun hat der WDR die beiden auf Tour geschickt, außerdem sind sie für den Deutschen Podcast Preis nominiert als bestes Talk-Team. Mitbringen muss man für Machiavelli weder ein Politikstudium noch Battlerap-Erfahrung, es reichen Neugier und Offenheit. Namenspaten übrigens: der Politikphilosoph Niccolò Machiavelli und der Rapper Tupac "Makaveli" Shakur. Benedikt Scherm

Modus extrem

modus-extrem.podigee.io

Warum Neonazis sich für artgerechte Haltung und Klimaschutz einsetzen, warum besonders Rap junge Erwachsene radikalisiert und was eigentlich eine Gamifikation von Terroranschlägen ist - Fragen wie diese bespricht der Podcast vom Zentrum für angewandte Deradikalsierungsforschung. In jeweils knapp 20 Minuten behandelt die Moderatorin Julia Strasser eine aktuelle Entwicklung des Extremismus. Im Gespräch mit Experten aus der Radikalisierungsprävention und -forschung erklärt Strasser die tief verankerten Formen von Extremismus in Deutschland und untersucht vor allem, auf welchen digitalen Wegen sie heute bevorzugt verbreitet werden. Modus extrem bietet spannende Einblicke in die Mechanismen der Radikalisierung und beleuchtet in der Diskussion mit den Experten neue Facetten und Formen. Nina Mohs

Murmurs

bbc.co.uk/podcasts

Dieser als Anthologie-Serie angelegte Podcast ist ein Sounderlebnis, gemacht für Kopfhörer. Es rauscht und knirscht, wabert und dröhnt. Verzerrte Stimmen verfangen sich in Loops, seltsame Geräusche überlagern Gespräche. Etwas Übernatürliches unterwandert die Realität. Eine Welt schiebt sich in die andere hinein. Die zehn Episoden wurden von Nachwuchsautoren des BBC Writers Room geschrieben, jeder Autor findet seinen eigenen Zugang zur Prämisse der Serie: einen Riss in der Realität darzustellen. Ein im Zweiten Weltkrieg gefallener Soldat taucht in der Gegenwart auf, eine Frau wird langsam unsichtbar. Eine Auflösung der mysteriösen Vorkommnisse gibt es nicht. Um so mehr kann man sich in den Soundlandschaften verlieren. Tobias Obermeier

Auf der Bahn

audible.de

Rocko Schamoni ist tot. Jedenfalls fühlt es sich für ihn so an, schlapp und elend, wie er auf dem Beifahrersitz eines Autos kauert. Das bringt seinen Kumpel Gereon Klug am Steuer auf die Idee, einmal mehr den ältesten Trick des Künstlermilieus anzuwenden: Schamoni solle tatsächlich sterben, wenigstens zum Schein. Dann würde er, Klug, mit Tribute-Shows mehr Geld absahnen, als Schamoni zu Lebzeiten jemals verdienen könnte. Es entspinnt sich ein immer abstruser werdendes Streitgespräch zwischen den beiden Multitalenten, wobei Schamoni hier vor allem als Musiker und Klug als dessen Tourmanager auftritt. Die beiden gehören unter anderem dem "Studio Braun"-Kosmos an, auch in ihrem Podcast pflegen sie einen verschrobenen, teils subversiven Humor. Nun ist die zweite Staffel gestartet, wieder persiflieren die beiden vor allem sich selbst - und die linksalternative Künstlerszene. Und Schamoni legt sich von Folge zu Folge immer schrägere Allüren zu. Stefan Fischer

sz.de/podcast-tipps

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Quelle:
SZ vom 19.02.2020/luch
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