Süddeutsche Zeitung

Ende des gedruckten US-"Playboy":Bunny, go home

  • Die Printausgabe des Playboy wird nach 66 Jahren einstellt, weil die "Lieferkette" unterbrochen sei.
  • Zu der Entscheidung haben offenbar auch Einbußen im Anzeigengeschäft wegen der Corona-Krise geführt. Die Herausgeber wollen nun auf das Digitalangebot setzen.
  • Der Playboy prägte die Libertinage mehrerer Dekaden des 20. Jahrhunderts, im neuen Jahrtausend jedoch wirkte er zunehmend museal.

Von Willi Winkler

Woody Allen, das wird selbst von Historikern gern übersehen, hat auch einen Horrorfilm gedreht. In Was Sie schon immer über Sex wissen wollten, aber bisher nicht zu fragen wagten (1972) bedroht eine gigantische Brust knutschende Liebespaare. Am Ende des Sketches wird das marodierende Monster in einem ebenso monströsen Büstenhalter eingefangen, doch der Polizeichef bleibt skeptisch: "Normalerweise sind es immer zwei" - was, wenn die andere weiter ihr gefährliches Unwesen treibt?

Das tut sie, das tun sie beide, aber zum Glück hat sie der Werbegrafiker Hugh Hefner zu fassen bekommen. Seit 1953 präsentierte er im Playboy das, was in der Männerfantasieparodie von Woody Allen zum Fürchten war: große Brüste, kleinere Brüste, Brüste von vorn, seitlich, liegend, Brüste, soweit das Auge reicht, aber immer Zwillinge, Traum und Trauma einer unheilbar infantilen Männerwelt, die nie über die frühkindliche Entwöhnung von der alma mater hinweggekommen ist.

Und damit soll es jetzt vorbei sein - die Welt, die US-amerikanische zumal, muss auf einen Schlag erwachsen werden. Am Mittwoch gab Ben Kohn, CEO von Playboy Inc., bekannt, dass der Playboy nach 66 Jahren die Printausgabe einstellt, weil die "Lieferkette" unterbrochen sei. Zu der Entscheidung hätten letztlich auch Einbußen im Anzeigengeschäft wegen der Corona-Krise geführt, schreibt Kohn. Man wolle nun auf das Digitalangebot setzen.

Der gedruckte Playboy wäre also der Corona-Pandemie erlegen. Der Playboy als erstes Opfer einer weltweiten Krise, das passt ganz bestimmt zu seiner historischen Bedeutung, auch wenn es nur ein vorgeschobener Grund sein sollte.

Der Playboy wusste sein Angebot durch ein großes papierenes Feigenblatt aus Kurzgeschichten und legendären Interviews zu rechtfertigen. Im Gründungsjahr 1953 erschien in drei Lieferungen Ray Bradburys nachmals berühmter Zukunftsroman Fahrenheit 451. Norman Mailer, Gore Vidal, John Updike und Philip Roth reicherten über die Jahre die vielfältigen Brüste mit hundertprozentig echter Literatur an. Auch Woody Allen, damals noch Gagschreiber und Stand-Up-Comedian, war einer der namhaften Beiträger, machte 1966 Werbung für teure Kameras und linste durch einen Lichtmesser, um vor einer allerdings bekleideten Brust den doofen Satz von sich zu geben: "Jetzt weiß ich, wie sich Sir Edmund Hillary fühlte" - gemeint war der Neuseeländer, der dreizehn Jahre zuvor als erster den Mount Everest bestiegen hatte.

Jimmy Carter befreite sich im Playboy von seinem Image des Sonntagsschulfrömmlers

Der Playboy war nicht sofort ein kulturelles Artefakt gewesen. Klein hatte das Magazin 1953 begonnen, mit fünfzigtausend Auflage, aber bereits mit einer jugendfrischen, ausklappbaren Marilyn Monroe zum Privatstudium. Es waren die Eisenhower-Fünfzigerjahre, als die Mädchen Petticoats trugen und die Autos mit riesigen Flossen durch die Straßen rauschten und die Eisdiele abends in Bonbon-Neon erstrahlte. Die Männer waren siegreich aus dem Zweiten Weltkrieg heimgekehrt und die Frauen an den Herd, aber die Sehnsucht war geblieben. Der Playboy verstand die Männer und nahm sie an die Hand. Als Bückware, unter dem Ladentisch verkauft, immer mal wieder von Beschlagnahme bedroht und durch ständige moralische Missbilligung erhöht, wurde der Playboy zum Erfolg, beförderte die Libertinage schon, ehe in den Sechzigern die sogenannte freie Liebe auf den Markt drängte. Der Höhepunkt mit mehr als sieben Millionen Auflage war im November 1972 erreicht, als dem Republikaner Richard Nixon eine triumphale Wiederwahl gelang.

Die Politik wurde im Magazin nicht vernachlässigt, die Watergate-Aufklärer kamen ebenso zu Wort wie der demokratische Präsidentschaftskandidat Jimmy Carter, der im ausführlichen Interview zugab, dass er, in Gedanken selbstverständlich nur, gelegentlich nach anderen Frauen lüstete. Gewählt wurde er trotz oder vielleicht wegen dieses Bekenntnisses, das ihn vom Image des Sonntagsschulfrömmlers befreite.

Die Herkunft aus dem Spind, wo das Pin-up den einfachen amerikanischen Soldaten beim Dienst an der Waffe unterstützte, hat der Playboy nie geleugnet. In einer ausführlichen Reportage wurde 1966 geschildert, wie es gelang, ein Playmate als Abo-Prämie nach Vietnam zu verschiffen, und auch nicht vernachlässigt, wie dankbar sich die GIs über diese Liebesgrüße zeigten. In Francis Coppolas Film Apocalypse Now (1979) kündigt der Musikpromotor Bill Graham die Bunnys an, die einem Hubschrauber mit Playboy-Logo entsteigen, mit gebrauchsfähigen Gewehren hantieren und damit, wie's ihr Auftrag, die ausgehungerten Soldaten zum Wahnsinn treiben.

Die "Dinge", die Männer liebten, waren die Frauen

Sigmund Freud konnte da keinen Stich machen, da gab es nichts zu analysieren, das Geheimnis war offenbar, die "Dinge", die Männern liebten, wie der Untertitel des seit 1972 in Deutschland verkauften Ablegers lautete, waren die Frauen, am liebsten genossen in Gesellschaft von Whiskey, Waffen und Autos. Der Playboy wurde nämlich nicht bloß zum Synonym für Sex, sondern brillierte als Schaufenster des Westens: Luxusgüter waren wie die Frauen im Übermaß im Angebot für den, der sich's leisten konnte. Selbst James Bond, der mit der einen Hand nach seinem Martini fasst und mit der anderen an eine Agentin, ist ein Abkömmling dieser synthetischen Playboy-Welt.

Trotz des heldenhaften Einsatzes der Bunnys ging der Vietnamkrieg verloren. Hugh Hefner schickte einen ebenso absurden wie erfolgreichen Werbegag hinterdrein. Die Bunnys bekamen 41 angebliche Waisenkinder in die Hände gedrückt, die in einer dramatischen Propagandaaktion 1975 bei Kriegsende aus Vietnam herausgeholt worden waren. Hefner beteiligte sich an diesem patriotischen Unternehmen, das die demütigende Niederlage durch eine humanitäre Aktion verdecken sollte, und stellte neben den Flugbegleiterinnen auch sein eigenes Flugzeug, das natürlich "Big Bunny" hieß, für die Überführung nach New York zur Verfügung.

Über mehr als sechs Jahrzehnte bot der Playboy eine schwindel- und natürlich auch sonst erregende Galerie von Brüsten, die immer größer, und Beinen, die immer länger wurden. Was einmal ein Abbild des "Mädchens von nebenan" sein sollte, rückte in immer weitere Ferne. Im Playboy war wenigstens ein Vorschein vom Paradies geboten, das allen offenstand, die das Heft kauften.

Die Lieferkette wurde nie durchbrochen; noch jedes Playmate hat brav behauptet, es sei ihr lebenslanger Traum gewesen, sich im Playboy auszuziehen. Erst vor wenigen Tagen bot sich die Country-Sängerin Dolly Parton, die bereits im Oktober 1978 vom Titel quoll, dem Playboy zur Feier ihres kommenden fünfundsiebzigsten Geburtstags als Motiv an.

Irgendwann durften sich auch schwarze Mädchen ausziehen, Latinas, Chinesinnen, women of color, da war Hefner liberaler als die ihn umgebende Gesellschaft. Wo zwei oder drei in seinem Namen unter dem Häschen-Logo zusammenkamen, war immer Party. Im "Playboy Mansion" trafen sich Filmstars, Fernsehmoderatoren und Spitzensportler und konnten sich in aller Ruhe nach geeigneten Vorzeigefrauen umsehen. Donald Trump war nicht der einzige Gast, der von der Ostküste herüberschaute und dabei war, wenn Hefner im Pyjama seine peroxidblonde Rollerskater-Brigade anführte, mit der er sich anschließend in den temperierten Pool stürzte. Der amerikanische Präsident, ein mustergültiger Vertreter der surrealen Playboy-Welt, hat, soweit bekannt, bisher nicht die Absicht, sein Erscheinen einzustellen.

Seit Jahren, seit Jahrzehnten eigentlich, dankt der Mann ab, heißt es, ausgespielt hat er, ist einfach nicht mehr auf der Höhe der Zeit. Beim Studium des Playboys, bei der Meditation über dem centerfold, musste er diese Zurücksetzung nicht fürchten. Hier blieben die Buben unter sich, hier krümmte ihnen keine Feministin ein einziges Nasenhaar, hier waren sie unverwundbar und durften sich in einem gigantischen Bällebad tummeln, ohne dass die Mama den kleinen Sven oder Joe herausgerufen hätte.

Im neuen Jahrtausend wirkte der Playboy jedoch zunehmend museal. Er zeigte noch immer, so schön sie war, die Welt von gestern. Der Playboy konnte seine Mädchen ausleuchten, einölen, aufpumpen, morphen, rasieren, bemalen oder tätowieren, wie es wollte, das Internet konnte es besser und umsonst, der Reiz des Unerreichbaren zerging. Die Macht der Sehnsucht ist längst ins Internet abgewandert, wo auf die pfeifenrauchende Stilisierung zum Lebemann leichten Herzens verzichtet wird. Das Magazin hatte längst mit einer sinkenden Auflage zu kämpfen, in Deutschland wie in den USA.

Nicht mal die Entfernung des Untertitels, der "Entertainment for men" versprach, konnte das Blatt wenden. Schon gar nicht, was für ein Missverständnis!, der vorübergehende Verzicht auf nackte Frauen. Bei vierteljährlicher Erscheinungsweise wurden zuletzt nur wenig mehr als zweihunderttausend Exemplare an den Mann gebracht. Die deutsche Ausgabe will immerhin tapfer weitermachen.

Hugh Hefner, der sich gern mit seiner phallischen Pfeife als wandelndes Klischee für eine Instant-Analyse empfahl, hat den Niedergang nicht mehr erlebt. Er starb 2017 hochbetagt und bis zuletzt wohlversehen mit Bunnys. In den Nachrufen wurde er, worüber er herzlich gelacht hätte, als Vorkämpfer der Frauenbewegung gefeiert. Der Playboy hat ihn nicht lang überlebt, aber das große Projekt der Aufklärung ist vollendet.

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Quelle:
SZ vom 21.03.2020/khil
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