Phänomen Guttenberg:Schlossgespenst der Politik

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Zu Guttenberg hat es als Verteidigungsminister bereits zum virtuellen Kanzler gebracht. Bei Plasberg wird sogar diskutiert, ob ein Adeliger allein die deutsche Politik retten kann. Und es heißt: Für alle Fälle Stephanie.

Hans-Jürgen Jakobs

Von Karl-Theodor zu Guttenberg ("KT") ist fast alles bekannt. Nur noch nicht, wie er auf schlechte Witze reagiert. Zum Beispiel auf jenen, den man sich angeblich unter Adeligen erzählt. "Wer ist dem Menschen am ähnlichsten? Antwort: Der Bürger."

Traumpaar der Deutschen? Ohne Guttenbergs geht derzeit nichts mehr in Deutschland:  Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) und seine Frau Stephanie. (Foto: dpa)

Dieses Schmankerl breitet die Grünen-Veteranin Jutta Ditfurth, geborene von Ditfurth, nach vielen Minuten der Guttenberg-Exegese vor dem bürgerlichen TV-Moderator Frank Plasberg aus. Der einstige Abendzeitung-Polizeireporter hatte, wie er fand, in der ARD zu einer "standesgemäßen Runde" geladen, in der es allen Ernstes um die Frage ging, ob ein Adeliger die Politik retten kann.

Wie ein Schlossgespenst schwebte "KT" über der edlen Ansammlung, und Plasberg hätte auch fragen können: "Problem Politik - ist Guttenberg der Erlöser oder kommt er noch?" Der CSU-Politiker muss früh in seinem Leben in Weihrauch gebadet worden sein. Kaum war er Generalsekretär, da war er schon Bundesminister. Kaum war er Minister, war er schon der beliebteste Politiker und somit Kanzler der Reserve. Zwickt's mich, oder ist das wirklich wahr - haben die Deutschen in 61 Jahren Demokratie insgeheim die Aristokratie zurückersehnt?

Irgendwie muss das Märchen vom Aufstieg des fränkischen Freiherrn aus dem Familienschloss bei Kulmbach auch mit den Besonderheiten der CSU zu tun haben. Schließlich behauptet deren Chef Horst Seehofer ja mit republikanischem Ernst: "Ich habe den Karl-Theodor erfunden." Auf dem CSU-Parteitag am Wochenende wird schon die Dezibel-Zahl bei den Auftritten des Chefs und des Stars Auskunft über Zukunftschancen geben. 48 Prozent der Deutschen glauben ohnehin, so eine aktuelle Umfrage für den Stern, das Ansehen der CSU würde steigen, wenn "KT" den bayerischen Ministerpräsidenten Seehofer ablösen würde.

In der Fernseh-Seance Hart aber fair des Frank Plasberg liefert Hagen Graf Lambsdorff, Bruder des verstorbenen "Marktgrafen" Otto, Einblicke in die Seelenwelt alten baltischen Adels, des "Etagenadels", der seine Besitzungen verloren hat. Es geht um Haltung, ganz viel Haltung der Edelleute: Pflicht erfüllen und sich für die res publica einsetzen, für die öffentliche Sache. Der einstige Spiegel-Redakteur weiß, was sich gehört. So wie der angeblich erfundene Karl-Theodor.

Von guten Manieren, den richtigen Umgangsformen und bester Allgemeinbildung schwärmt Bertram Quadt alias Bertram Graf von Quadt zu Wykradt und Isny, auch er als Journalist tätig. Und schließlich preist PR-Agenturchefin Alexandra von Rehlingen die Unabhängigkeit Guttenbergs, der gerade aus diesem Grund seinen politischen Job so gut ausfüllen könne - eine "angenehme Überraschung", wie sie findet.

100 mal "Hart aber fair"
:Plasbergs bunter Streiter-Zoo

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Immer, wenn das Annähern an den abwesenden Minister kurz vor der Heiligsprechung angelangt ist, streut Professor Michael Hartmann von der Technischen Universität Darmstadt Sand ein. Er ist ein "Elitenforscher" und hat beobachtet, dass Guttenbergs Erfolg vor 20, 30 Jahren nicht möglich gewesen wäre. Das politische Personal habe mittlerweile ein derart geringes Ansehen, dass es zu einem solchen Aufstieg kommen könne, meint der Wissenschaftler. Die Leute würden vom gelobten Minister gute Entscheidungen erwarten, da er den Job eigentlich nicht nötig habe. Er besitze ja genug Geld und könne sich sozusagen Authentizität leisten. Die Parteien seien austauschbar geworden, da mache eine Persönlichkeit wie Guttenberg den Unterschied aus.

Und der famose Freiherr weiß auch noch um alle Tricks und Tollereien der Mediengesellschaft. Beim Vater Enoch zu Guttenberg, dem weltberühmten Dirigenten, hatte er ja in Kindertagen mitbekommen, was die große Geste mit dem Taktstock zählt. Und der Filius musste dem Volk im Dorf schwungvolle Reden halten, wenn der konzertierende Schlossherr mal verhindert war.

Der Kommunikationsprofessor Klaus Kocks, einst VW-Sprecher, übernimmt bei Plasberg die Rolle des Freizeitkabarettisten und würdigt all die schönen Pressefotos, die "KT" in seiner kurzen Ministerzeit zustande gebracht hat. Die Nummer am Times Square in New York, mit ausgebreiteten Armen. Die Stand-up-Variante im Truppentransporter nach Afghanistan vor Soldaten. Das gekonnte Aussteigen aus dem Helikopter, mit Sonnenbrille an der Spitze der Gang. Da verdächtig oft Sonnenstrahlen das Gesicht des Ministers erhellen, spricht Kocks von "Lichtgestalt" oder "großem Kino". Guttenberg ist der Tom Cruise der deutschen Politik. Er hat Poster-Qualität. Wenn es so weitergeht, kommt er noch in den Bravo-Starschnitt.

In das sich ausbreitende Adels-Idyll bei Hart aber fair platzt immer wieder nur Jutta Ditfurth hinein, die Tochter von Hoimar von Ditfurth. Sie, die den aristokratischen Titel schon früh abgelegt hat, weil sie von all dem nichts hält: von der Verhaltens-Dressur, von der Verstrickung in Kreuzzügen und in die NS-Diktatur, von dem Anspruch, etwas Besonderes zu sein - wo in Wirklichkeit doch die soziale Gleichheit zähle. Überall seien beim Adel Beziehungsnetzwerke aktiv. Die Journalistin hat verinnerlicht, dass es 1789 eine bürgerliche Revolution gab. Und sie würde Karl-Theodor zu Guttenberg auch toll finden, wenn er beispielsweise etwas gegen Thilo Sarrazin gesagt hätte. Hat er aber nicht, und überhaupt wanzt sich der Adel in Ditfurths Sicht immer nur an die politisch Herrschenden heran, eine Klasse der Opportunisten also.

Ganz viel Selbstinszenierung sieht die langjährige Grünen-Politikerin beim Minister und vor allem bei seiner Frau Stephanie zu Guttenberg, der Ururenkelin des Kanzlers Otto von Bismarck. Es sei "verlogen", dass sich die Ministergattin bei ihrem Kampf gegen Kinderpornographie ausgerechnet der Plattformen Bild-Zeitung und RTL 2 bediene - beide Medien verkaufen sich über Sex. Ditfurth wundert sich, wie aggressiv die Freifrau ihr Mitwirken beim Schmuddelsender RTL 2 verteidigt hat.

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Für alle Fälle Stephanie: Jedenfalls ist die Bismarck-Verwandte mehr als nur die Frau an seiner Seite. "Ein Power-Paar erobert die Herzen", würdigte Bunte. Plasberg lässt eine TV-Sequenz von der Bambi-Verleihung 2009 einspielen, bei der sie ihren verhinderten Mann geschickt vertrat, seine Rede sicher ablas und das Auditorium bat, sich den abwesenden Verteidigungsminister kurzum im roten Abendkleid vorzustellen. Als "royal couple" schafften es die fabelhaften Guttenbergs sogar auf den Spiegel-Titel.

Alles nur Klischees, regt sich irgendwann Sky du Mont auf, der graumelierte Schauspieler mit dem Habitus eines französischen Comte. Von wegen immer das Tanzbein schwingen und sich gegenseitig fördern, das stimme nicht. Und Stephanie zu Guttenberg werde viel zu streng beurteilt, das sei "unfair". Politik sei nun mal auch Show-Business, und bei Guttenberg mache nicht der Adel den Erfolg aus, sondern die "Verpackung". Die Nestbeschmutzerin Ditfurth herrscht er an, sie möge bitte ihre Hausaufgaben machen.

Experte Lambsdorff assistiert mit der Grunderkenntnis, dass Adelsleute "ganz normale Bürger" seien. Auch PR-Frau von Rehlingen arbeitet sich an Mitdiskutantin Ditfurth ab, die von Blaublütigen so wenig hält und wehrt sich gegen den Vorwurf, in ihrer Branche sei das "von" im Namen eine besondere Zier. Dass Rehlingen oft Anglizismen verwendet, habe mit dem Jargon im PR-Wesen zu tun, nicht mit Adelskultur, stellt sie noch klar.

An Karl-Theodor zu Guttenberg, dem Mann mit den zehn Vornamen, ist nichts normal. Das gilt erst recht nach dieser Talkrunde. Der Mann hat es schließlich geschafft, in absentio eine ganze lange Talkshow mit seinem Polit-Märchen zu befeuern. Konkret erreicht hat er als Minister noch wenig, von klugen Fensterreden zur Opel-Rettung abgesehen. Die Zeit war zu kurz, der Hype war schneller. Die Bundeswehr-Reform ist eingeleitet, nicht abgeschlossen. Und doch würde jeder vierte Deutsche ihn sofort für Angela Merkel einwechseln. Da kann Guttenberg noch so oft sagen, das alles sei "Mumpitz", das sei "so ein Scheiß". Wo immer er erscheint, jubeln die Menschen.

Als "KT" jüngst zum Hintergrundgespräch mit Journalisten im Bayerischen Landtag erschien, reichte die übliche Zirbelstube nicht aus, ein großer Konferenzraum musste her. Und als die Bürger ihn kommen sahen, da standen sie auf und klatschten ihm zu, so wie früher dem König.

"Kanzler Guttenberg traf in London König Charles" - was an dieser Meldung ist unwahrscheinlicher, fragt Moderator Plasberg in seiner Von-und-zu-Show. Das ist rhetorisch gemeint. Jetzt droht nur noch, dass "KT" eines Tages einfach nicht mehr auftreten will, weil es ihm einfach zu viel wird. So wie die Beatles nach einer hysterischen Amerika-Tour keine Konzerte mehr gaben. Der "Bürgerkönig" ( Spiegel) kann ja als Anwalt, Investmentbanker oder Moderator arbeiten, überall wird er gute Figur machen.

Adel verpflichtet, Adel verzichtet.

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