Pflüger vs. Springer:Schlag-Worte

Lesezeit: 2 min

Nach 20 Jahren: Der ehemalige CDU-Bundestagsabgeordnete Friedbert Pflüger gewinnt erneut gegen den Springer-Verlag. Es ging um einen angeblichen Goebbels-Vergleich mit Wolfgang Schäuble.

Hans Leyendecker

Manchmal haben Gerüchte im Journalismus eine sehr lange Lebenszeit - erstaunlicherweise besonders dann, wenn sie übel riechen: "Fama" heißt das vornehm. Für das, was dem früheren Berliner CDU-Spitzenkandidaten und ehemaligen CDU-Bundestagsabgeordneten Friedbert Pflüger widerfahren ist, trifft der alte Begriff "Latrinenparole" besser. Über den 56-jährigen Ex-Politiker, der seit 2010 einer wissenschaftlichen Einrichtung in London vorsteht und der dort Gastprofessor ist, wurde wieder mal geredet, als Reporter der Welt am Sonntag Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble im Juni 2011 zur historischen Entscheidung des Bundestages befragten, Berlin und nicht Bonn zur Hauptstadt zu machen.

Streit mit dem Springer Verlag: Friedbert Pflüger (Archiv) (Foto: AP)

Frage: "Nach der Bundestagsentscheidung soll der Bonn-Befürworter Friedbert Pflüger . . . Sie in seiner Enttäuschung als Goebbels im Rollstuhl bezeichnet haben. Haben Sie das mitbekommen?"

Schäuble: "Ich habe das mal gelesen. Ich weiß aber nicht, ob das wirklich so war. Sicher ist aber, dass er mir viel später einmal gesagt hat, dass die Entscheidung für Berlin richtig war."

"Goebbels im Rollstuhl" ist ziemlich daneben. Die Geschichte verrät einiges über echte falsche Schlag-Wörter im Parlamentsbetrieb, aber auch über den blinden Fleck der Presse, wenn sie mit den eigenen Fehlleistungen konfrontiert ist.

Ebenfalls in der Welt am Sonntag war vor knapp zwanzig Jahren, im April 1992, ein Kommentar über die Hauptstadt-Frage erschienen, in dem der Autor zunächst über die "Lüge in der Bonner Politik" geschwurbelt hatte, um dann loszuledern: Ein "neuerungsbewegter junger CDU-Abgeordneter" habe in Bezug auf Schäuble von einem "Goebbels im Rollstuhl" schwadroniert: "Man soll da nicht tiefer pflügen. Aber man kann es auch nicht vergessen". Pflüger forderte eine Korrektur. Er sei damit gemeint, und er habe so etwas nie gesagt.

Der Begriff "tiefer pflügen" gehöre zum üblichen Sprachgebrauch, erklärten damals Springer-Anwälte vor Gericht. Das Wort sei schon von Herbert Wehner verwendet worden, und dieser habe auch nicht Pflüger gemeint. Das half nicht. Vor der 17. Zivilkammer des Landgerichts Bonn verkündeten im Frühjahr 1992 die Springer-Anwälte ihr Bedauern und versicherten, auch in Zukunft werde der Autor "weder wörtlich noch sinngemäß behaupten", dass Pflüger eine solche Äußerung getan habe.

Als die Geschichte im Sommer in der Welt am Sonntag erneut kolportiert wurde, hat sich Pflüger wieder gewehrt und ist wieder vor Gericht gezogen. Vor der 27. Zivilkammer des Landgerichts Berlin wiesen 2011 die Springer-Anwälte auf die besondere Bedeutung des Wortes "soll" in der Frage der Interviewer hin. Daraus ergebe sich "unzweifelhaft" die "Einstufung als Gerücht". Auch habe doch Schäuble mit seiner Antwort seine Zweifel ausgedrückt.

Was vor fast zwanzig Jahren falsch war, bleibt auch als Gerücht falsch. Die Welt am Sonntag, sowie andere Blätter des Springer-Verlages, die das Interview publiziert hatten, erklärten sich Ende November bereit, eine "Berichtigung" zu bringen: "Wir haben keine Erkenntnisse darüber, ob diese Behauptung zutrifft und distanzieren uns davon." Auf ein Wiedersehen?

© SZ vom 12.12.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: