Süddeutsche Zeitung

Prozess zu tagesschau.de-Beitrag:Maffay gegen den NDR

Der Sänger wendet sich gegen einen Beitrag, in dem es um Rassismusvorwürfe im Tabalugahaus geht. Der Fall könnte Folgen für die wichtige Verdachtsberichterstattung haben.

Von Peter Burghardt

"Über sieben Brücken musst du gehen", sang Peter Maffay, nun ging es vor Gericht. Freitagnachmittag, Landgericht Hamburg. In Saal B335 steht diese Hauptverhandlung auf dem Programm: Prozess Peter Maffay gegen den NDR auf Unterlassung.

Der Sänger wendet sich gegen einen Online-Beitrag auf dem beim NDR beheimateten Portal tagesschau.de. Der Text erschien wie der Audioreport des Themas im Juli 2018, beides ist mühelos aufrufbar, falls es nicht plötzlich doch aus dem Netz genommen wird. Der Titel: "Rassismus in Maffays Tabalugahaus?" Die Autorin: Andrea Beer, ARD-Studio Wien.

Die Radiokorrespondentin berichtet darin kritisch aus dem rumänischen Dorf Roadeș, zu Deutsch Radeln. Der Ort liegt in Siebenbürgen, Maffays alter Heimat. Der Musiker und Unternehmer betreibt dort seit 2009 die Stiftung Fundaţia Tabaluga mit einem "Schutzraum für Kinder", wie es auf der Homepage des Projekts heißt. Demnach sollen traumatisierte Kinder und Jugendliche aus Rumänien, Deutschland und anderen europäischen Ländern in der Einrichtung auf dem Grundstück eines ehemaligen Pfarrhauses "eine Pause von ihrem Schicksal" machen.

Die Vorwürfe richten sich gegen den Verwalter des Hauses

Roma aus Radeln erheben in dem ARD-Stück schwere Vorwürfe. Nicht gegen Maffay selbst, sondern gegen den Verwalter seiner Fundaţia Tabaluga und des Tabalugahauses Radeln, nicht zu verwechseln mit der deutschen Tabaluga Kinderstiftung. Die meisten der 300 Bewohner der kleinen Gemeinde sind Roma, eine auch in Rumänien chronisch benachteiligte Gruppe. Von rassistischen Beleidigungen sprechen Zeugen in der Sendung und der geschriebenen Version, von Drohungen, Schlägen, Tritten.

Der besagte Koordinator, ein Siebenbürger Sachse, bestreitet die Anschuldigungen. Maffay, der sich gegen Rassismus engagiert, gab dem ARD-Studio Wien im Tabalugahaus Radeln ein Interview, zog es aber Tage später über einen Anwalt zurück. Stattdessen warf er der Reporterin und einem Kollegen unlautere Methoden vor.

2019 verklagte Peter Maffay, wohnhaft in Tutzing am Starnberger See, den in Hamburg ansässigen NDR, unter dessen Ägide die Geschichte im Netz steht. Es geht um die Frage, ob diese Verdachtsberichterstattung zulässig ist oder nicht. Und wie üblich in solchen Fällen geht es um die Frage, welche und wie belegte Kritik sich eine öffentliche Person gefallen lassen muss. Es ist ein Fall, der Folgen für die wichtige Verdachtsberichterstattung haben kann.

"Tabaluga trampelt durch Transsylvanien", lautet die Überschrift eines Offenen Briefes 2017

Die Autorin war als Zeugin geladen, eine ungewohnte Rolle für eine Journalistin. Normalerweise berichten Journalisten über Prozesse und deren Zeugen, jetzt waren sie selber welche. "Ich bin der Meinung, wir haben sorgfältig recherchiert", sagte Andrea Beer. Aber natürlich habe jeder das Recht, das prüfen zu lassen. Sie ist noch mal exakt den Rechercheweg durchgegangen. Die Entscheidung hat die Zivilkammer des Landgerichts Hamburg zu fällen. Die zuständige Richterin Simone Käfer ist in Mediensachen bekannt und hatte unter anderem entschieden, dass Teile des Schmähgedichts von Jan Böhmermann über den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan verboten blieben.

Vor Andrea Beer, die als Korrespondentin für den BR und damit für die ARD arbeitet, sagt Herbert Gruenwald aus, über Video zugeschaltet aus Bukarest. Der Rumäne ist seit drei Jahrzehnten Producer der ARD in Rumänien, ein sogenannter Stringer, wie ihn vor allem Hörfunk- und Fernsehleute brauchen, die viele Länder mit vielen Sprachen betreuen, in diesem Fall aus Südosteuropa. Der erfahrene Gruenwald hatte von rassistischen Übergriffen durch Maffays Stiftungs-Statthalter in Radeln gehört und wollte sich außerdem über die Gentrifzierung dort informieren. Er sprach nach eigenen Angaben mit 39 Menschen darüber Jahre, bei neun Recherchereisen, oft mit Andrea Beer. Einer der Zeugen, ein Roma, erzählte ihm, Maffays Stiftungs-Verwalter habe ihn geschlagen, ihn umbringen wollen und diesen Satz gesagt: "Bringt mir ein Seil, damit wir den Zigeuner erhängen." Er mache mit ihm "die Sachsenschaukel", so nannte der Angreifer das offenbar. Selbst als Hitler soll er sich bezeichnet haben.

Auch ein rumänischer Bürgerrechtler klagte über Maffays Stiftungs-Mann und andere Konflikte in Radeln. "Tabaluga trampelt durch Transsylvanien", lautet die Überschrift seines Offenen Briefes 2017 an Peter Maffay, den Satz stellte dann außerdem der Spiegel über einen Artikel zu seiner Rolle in Radeln und das Ferienheim. Zuvor hatte das Magazin bereits eine Betrachtung mutmaßlicher Maffay-Probleme eines ähnlichen Urlaubszentrums veröffentlicht, einem mutmaßlich verwahrlosten Biohof auf Mallorca ("Peterchens Irrfahrt"). Ein Zivilverfahren in Köln verlor Maffay gegen das Heft.

Jetzt also Maffay vs. NDR. Nach Gruenwald ist Andrea Beer mit ihrer Aussage an der Reihe. Sie erklärt dem Gericht, wie Korrespondenten arbeiten in vielsprachigen Gebieten, auch wenn sie zum Beispiel wie sie kein Rumänisch sprechen. Noch dazu in einem Revier, das sonst kaum ein Thema ist wie dieses abgelegene Radeln in Rumänien, in sozial schwierigen Verhältnissen. Sie schildert, wie sorgfältig sie gerade in dieser heiklen Sache recherchiert hätten, mit Zeugen und Spezialisten. Sie holten 2018 sogar eidesstattliche Versicherungen ihrer Gesprächspartner ein. Sie ahnte, was in diesem Fall auf sie zukommen könnte.

Sie erzählt auch, dass ihr und ihrem Mitarbeiter Gruenwald von Maffays Anwälten fragwürdige Recherchemethoden unterstellt worden seien. Ein Vorwurf, den Andrea Beer und Herbert Gruenwald sehr entschieden zurückweisen. Auch eine Beschwerde Maffays beim Rundfunkrat erwähnt sie. Dabei sei ihre Recherche in Rumänien einfach normales, professionelles Arbeiten gewesen, sagt sie.

Zeugen aus Rumänien will das Hamburger Landgericht in diesem Verfahren auch noch laden. Irgendwann wird in der Causa Peter Maffay gegen Norddeutscher Rundfunk dann ein Urteil fallen.

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