Pegida bei Jauch:Dialog braucht mehr als Parolen

Talkshow von Günther Jauch mit Kathrin Oertel

"Pegida will wachrütteln", sagt Kathrin Oertel von der Bewegung. Und weiter?

(Foto: dpa)
  • Bei "Günther Jauch" versucht Pegida-Organisatorin Kathrin Oertel zu erklären, was die Bewegung will. Dabei wird deutlich: Es geht weniger um konkrete Forderungen als um diffuse Ängste.
  • AfD-Sprecher Alexander Gauland verteidigt die Bewegung und plädiert dafür, ihre Sorgen zu verstehen. Er spricht von einem "Gefühlsstau", der sich gerade entlade.
  • CDU-Politiker Jens Spahn betont hingegen, dass "Parolen kein Dialog" seien. Er verwirft das von Oertel vorgebrachte Argument, Migration und Asyl seien Tabuthemen.
  • Um die Ängste von Migranten, beispielsweise in Dresden, geht es nicht. Und obwohl es um die Furcht vor der angeblichen "Islamisierung" Deutschlands geht, war kein Vertreter der Muslime in der Sendung.

Eine TV-Kritik von Hannah Beitzer

Kathrin Oertel hat dicht bedruckte Zettel in der Hand. Ihren Auftritt in der Talkshow von Günther Jauch erwarten viele mit Spannung, die seit Wochen die von ihr mitorganisierte Pegida-Bewegung analysieren. Was bewegt die selbsternannten "patriotischen Europäer", die jeden Montag gegen "die Islamisierung des Abendlandes" auf die Straße gehen, die gegen "die Politiker" und die "Lügenpresse" wettern und bisher Interviewanfragen ablehnten?

Auf diese Frage versucht die Talkrunde eine Antwort zu finden - und macht dabei eindrucksvoll deutlich: Politisch wird den Dresdner Demonstranten kaum beizukommen sein, weil es ihnen nicht um konkrete Forderungen geht, sondern um diffuse Ängste und Ressentiments, die doch einfach mal jemand anerkennen soll.

Anerkennen - nicht ernst nehmen. Das ist ein wichtiger Unterschied, denn etwas ernst zu nehmen bedeutet theoretisch auch inhaltliche Auseinandersetzung und Kritik. Die aber empfinden Oertel und ihre Mitstreiter, so viel wird bei Jauch klar, als pauschale Diffamierung, als Beweis dafür, dass "die da oben" für "das Volk" ohnehin kein Verständnis haben.

"Es gab einen riesengroßen Frust in der Bevölkerung", die Regierung habe das Volk im Prinzip gar nicht mehr wahrgenommen, erklärt sie die Entstehung von Pegida. Dazu seien die Kurden-Demonstrationen in Hamburg und Celle gekommen, die viele beunruhigt hätten. Es gebe Themen, die "absolut tabu" seien in Deutschland. Von Asyl dürfe man nicht sprechen, von Migranten auch nicht.

Was sie will? "Pegida will wachrütteln. Wir wollen auf die Defizite aufmerksam machen, die durch die Regierung zustande gekommen sind."

Es ist vor allem dem CDU-Abgeordneten Jens Spahn zu verdanken, dass das nicht unwidersprochen bleibt. "Man kann doch nicht sagen, man darf erst seit drei Wochen über diese Themen reden", sagt er. In der Tat stellt sich die Frage, in welchem Deutschland Oertel lebt, dass sie Migration und Asyl als Tabuthemen empfindet. In dem Deutschland, in dem Politiker neulich erst ziemlich öffentlich um Änderungen im Asylrecht rangen, die dann auch kamen?

Woher die Angst vor Muslimen?

Es kann auch nicht das Deutschland sein, in dem sich Thilo Sarrazins "Deutschland schafft sich ab" millionenfach verkaufte. Oder auch die Neukölln-Betrachtungen von Heinz Buschkowsky. Beide Autoren wurden und werden medial ausführlich gewürdigt. Was auch Oertel nicht entgangen sein dürfte, weil sie sich in ihren Ausführungen auf den Neuköllner Bezirksbürgermeister Buschkowsky bezieht.

Woher kommt dann aber bei ihr die Angst vor Muslimen, deren Anteil an der Bevölkerung in ihrer Heimat Sachsen bekanntermaßen minimal ist? "In Deutschland wird ja auch demonstriert gegen die Abholzung des Regenwaldes, obwohl es keinen Regenwald gibt", sagt Oertel. Außerdem gebe es Länder in Europa, wo die Islamisierung weit fortgeschritten sei - Frankreich zum Beispiel. "Frankreich? Ist das nicht dort, wo ein Burka-Verbot herrscht?", wäre die passende Gegenfrage gewesen.

Schade, dass dieser Punkt nicht weiter ausgeführt wird, so wie es überhaupt selten in die Tiefe geht an diesem Abend. Das liegt zum großen Teil an Moderator Günther Jauch, der wenig Energie darauf verwendet, bei Oertel zumindest ein wenig nachzubohren.

Menschen mit "Gefühlsstau"

Stattdessen springt er munter von Thema zu Thema. Interessant ist dabei auch, worüber er nicht spricht: Über die Ängste von Migranten, die in Dresden leben, zum Beispiel. Und was sagen eigentlich Muslime zu der angeblich bevorstehenden Islamisierung Deutschlands? Keine Ahnung, es waren nämlich leider keine da.

Dafür darf Oertel ihre Vorstellung davon verbreiten, wie die beschworene Islamisierung aussieht: "Wie kann es sein, dass Friedensrichter das Recht haben, Recht zu sprechen?" Haben sie natürlich nicht, dieses Recht, es ist Quatsch, was Oertel da von sich gibt. Das so deutlich zu sagen, geht aber auf keinen Fall - den Eindruck kann jedenfalls bekommen, wer der Diskussion weiter folgt.

Gauland sieht "besorgte Bürger"

Alexander Gauland von der AfD zum Beispiel findet: "Es kann doch nicht sein, dass Leute von vornherein in eine Ecke gestellt werden." Er kritisiert gemeinsam mit Frank Richter von der Sächsischen Landeszentrale für politische Bildung Kanzlerin Angela Merkel dafür, dass sie Pegida in ihrer Neujahrsansprache verurteilt hat.

Seiner Wahrnehmung nach seien 90 Prozent der Leute, die bei Pegida mitlaufen, "besorgte Bürger", die sich von den Behörden schlecht behandelt fühlten, sagt Richter. Er bemüht sich um Dialog mit den Pegida-Leuten, plädiert dafür, ihre Sorgen zu verstehen. Es habe sich da eben ein enormer "Gefühlsstau" gebildet, der sich jetzt entlade.

In der Analyse mag er teilweise richtig liegen. In der Schlussfolgerung sitzt er jedoch einem entscheidenden Irrtum auf. Denn politischer Dialog muss nun wirklich nicht so aussehen, dass man erwachsenen Menschen, die vor lauter Gefühlsstau fremdenfeindliche Ressentiments schüren und pauschal Politiker und Medien beschimpfen, erst einmal über den Kopf streichelt.

Genau das tut er aber, wenn er von einem "Tiefpunkt der politischen Kultur" im Umgang mit den "besorgten Bürgern" von Pegida spricht. Da hält der ehemalige Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) dagegen: "Man diffamiert eine Bewegung nicht, indem man ihr widerspricht."

An anderer Stelle sagt Jens Spahn an Oertel gerichtet: "Parolen sind kein Dialog." Richtig. Dialog ist allerdings um ein Vielfaches anstrengender als ein Demokratieverständnis, das Politiker für Kummerbriefkästen hält, die unwidersprochen jeden Gefühlsausbruch "des Volkes" anerkennen müssen.

"Viele denken, die Demokratie ist eigentlich eine Firma, die hat zu liefern. Wenn sie nicht liefert, dann kündigt man", sagte neulich der Konfliktforscher Andreas Zick in einem Interview über Pegida. Pegida will nicht reden, nicht diskutieren, nicht verhandeln. Pegida will recht bekommen.

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