Wenn das kleine rote Kik-Männchen mit seiner schrillen Stimme "Kinderhosen für nur zwei Euro neunundneunzig" kreischt, möchte sich mancher Fernsehzuschauer am liebsten die Ohren zuhalten. Für die Unternehmen ist jedoch klar: Fernsehwerbung muss knallen, muss Aufmerksamkeit erregen - und muss deshalb vor allem laut sein.
Für die Zuschauer ist das manchmal weniger angenehm. Deswegen soll bei den öffentlich-rechtlichen Sendern, die bis 20 Uhr Werbung zeigen dürfen, jetzt bald Schluss sein mit den Schockmomenten. Die ARD hat angekündigt, schon im Januar 2012 die Grundlautstärke ihrer Werbung leiser zu drehen, und das ZDF will den Geräuschpegel wahrscheinlich ebenfalls im kommenden Jahr senken.
Bei der ARD hatten sich viele Zuschauer beschwert, dass sie oft vor Schreck zusammenzuckten, wenn im Vorabendprogramm der Werbeblock beginnt. Dabei gibt es auch jetzt schon Regeln, nur nützen diese empfindlichen Zuschauern kaum: Bisher schreiben die Fernsehsender den Unternehmen vor, wie laut die lauteste Stelle ihres Spots sein darf. Die Werbefilme legen aber oft gleich in der höchsten Lautstärke los - und werden danach nicht leiser.
Das fällt vor allem im Kontrast zu den Sendungen auf, die vor der Werbung laufen - und die auf ein anderes Ambiente setzen: Bei den Intrigen einer Daily Soap am Vorabend wird zwangsläufig viel getuschelt und geflüstert. Da kracht der Automobil-Spot danach noch viel mehr in den Ohren.
Nun soll das gesamte Programm der ARD - also neben der Werbung auch die Filme, Sendungen und Trailer - harmonischer werden. Statt einer Spitzenlautstärke wird künftig ein Durchschnittswert für Werbespots und andere Beiträge vorgegeben, der nicht überschritten werden darf. Natürlich solle es leisere und lautere Stellen im Programm geben, heißt es bei der ARD, aber die Kontraste sollen weniger extrem sein. "Früher gab es einen Kampf um die Lautstärke", heißt es bei der ARD-Werbetochter. Unternehmen hätten für ihre Spots gern alle Grenzen ausgereizt.
Das öffentlich-rechtliche Fernsehen nimmt jährlich 500 Millionen Euro durch Werbung ein - bei einem Jahresetat von knapp acht Milliarden Euro. Deshalb gibt es wegen der Werbung im gebührenfinanzierten Fernsehen nicht nur wegen der Lautstärke ein Problem: Gebührenzahler, Politiker und vor allem Konkurrenten von privaten Sendern finden, dass die Rundfunkgebühren als Einnahmequelle ausreichen müssten - viele erwarten zudem, dass ARD und ZDF bald dank der neuen Haushaltsabgabe zusätzliche Millionenerträge erhalten.
Dass die ARD die Werbung jetzt dezenter machen will, hat neben den Beschwerden auch einen ganz einfachen Grund. Der Sender setzt freiwillig eine Empfehlung der Europäischen Rundfunkunion EBU, der Vereinigung der öffentlich-rechtlichen Rundfunksender, um.
Bei den privaten Fernsehsendern hingegen soll die Werbung erst einmal so bleiben wie bisher. Man will sehen, wie die Erfahrung bei der ARD ausfällt: "Wir werden die Umsetzung zunächst in der praktischen Wirkung beobachten", sagt ein RTL-Sprecher. Der Kölner Privatsender gehört wie die Pro-Sieben-Gruppe zum Privatsenderverband VPRT, dort heißt es, man prüfe die EBU-Empfehlung. Bis dahin kann es noch laut werden.