Führungswechsel:Patricia Riekel - sanfte Stimme der "Bunten"

'Bunte' - Patricia Riekel

Patricia Riekel tritt zum 1. Juli als Chefredakteurin der Zeitschrift Bunte ab.

(Foto: dpa)

Aus dem einstigen Skandalblatt machte sie eine "Bunte", mit der man sich als Promi arrangieren konnte. Zum 1. Juli tritt sie als Chefredakteurin ab.

Von Christian Mayer

Quietschvergnügt, mit einem strahlenden Lächeln unterm blonden Haarschopf blickt sie uns an, jeden Donnerstag, in den fast zwei Jahrzehnten ihrer Regentschaft als Chefredakteurin des führenden deutschen Klatschmagazins sind wir mit ihr buchstäblich durch dick und dünn gegangen.

Das betrifft Patricia Riekel selbst, vor allem aber betrifft es die unzähligen Geschichten über die deutsche Prominenz, den Bunte -Kosmos, in dem Angela Merkel, Heidi Klum, Boris Becker, Veronica Ferres, Thomas Gottschalk und Karl Lagerfeld einfach unersetzbar sind.

Patricia Riekel, die sanfte Stimme der Bunten , die auch mal herrisch sein kann, wenn die Dinge nicht so laufen, wie sie will.

Vor ein paar Wochen sprach sie wieder mal sehr einfühlsam zu uns. Im Editorial ging es um das neue Glück von Christine Neubauer. Die Bilder der sichtlich verschlankten, mit ihrem südländischen Liebhaber turtelnden Schauspielerin animierte Riekel zu einem ihrer Lehrsätze für die etwas reiferen Frauen, die Stammleserinnen der Bunten: Bis vor Kurzem habe sich Neubauer im Hamsterrad gedreht, einen Film nach dem anderen gedreht. "Ein Paradebeispiel für das, was vor allem Frauen um die 50 widerfährt. Man fühlt sich getrieben, fremdbestimmt, dem Burnout nahe. Die Routine hat einen fest im Griff. Und plötzlich die große Sinnfrage: ,Was will ich eigentlich mit dem Rest meines Lebens anfangen?' Die Antwort ist niemals einfach, oft schmerzhaft."

Nun ja, ganz so schmerzhaft dann auch wieder nicht, denn Neubauer malt und singt sich jetzt mit dem neuen Lover durchs Leben, "alles ist eine Nummer kleiner, bescheidener geworden. Aber auch freier und leichter!"

Freundliche Geschichten über Politikerinnen gehörten für Riekel immer zur richtigen Mischung

Freier und leichter, das wird nun auch Patricia Riekel sein. Schon seit Längerem war klar, dass beim Burda-Flaggschiff in der Münchner Arabellastraße ebenfalls eine Rundum-Erneuerung bevorsteht.

Am Dienstag kam die Bestätigung: Riekel hört zum 1. Juli als Bunte-Chefredakteurin auf, Nachfolger wird Freizeit-Revue-Chef Robert Pölzer, laut Pressemitteilung ein "höchst erfahrener und erfolgreicher Blattmacher", über den sich nichts Negatives sagen lässt, weil Pölzer bisher so auffällig im Hintergrund geblieben ist wie die Kabelträger bei der Bambi-Preisverleihung.

Und da man im weitverzweigten Reich des Verleger-Monarchen Hubert Burda als ehemaliger Hierarch nie ganz verschwindet, hat man auch für die 66-jährige Riekel eine standesgemäße Verwendung gefunden: Sie bleibt der Bunten sowie den Magazinen Donna, Elle, Freundin, Haper's Bazaar und Instyle als Herausgeberin erhalten.

Sie stand für die Halbseriosität eines Mediums, das vor allem gute Unterhaltung bieten muss

Man kennt das ja vom Focus, wo der langjährige Chefredakteur und Lebensgefährte von Patricia Riekel, Helmut Markwort, ebenfalls als alterswilder Patron fungiert.

Patricia Riekel hat die Bunte geformt wie niemand zuvor. Anders als ihr Vorgänger Franz Josef Wagner, der ein oft genialer, dem Wahnsinn verpflichteter Schlagzeilendichter war und mit seinen fantastisch angereicherten Krawallgeschichten Kohorten von Anwälten den Job sicherte, bevorzugte Riekel das etwas ruhigere Fahrwasser, die Halbseriosität eines Mediums, das vor allem gute Unterhaltung bieten muss.

Mit der "Bunten" unter Riekel konnte man sich meist arrangieren

Ihr Erfolgsrezept ist, dass die Figuren, die in der Bunten auftauchen, immer auch mit dem "Lebensmodell unserer Leserinnen" zu tun haben müssen. Die Hauptfiguren müssen zur Identifikation taugen oder zumindest gefallene Helden, verlassene Ehefrauen, geckenhafte Ex-Rekordnationalspieler sein, eine vierte oder fünfte Ehefrau ist dabei kein schlechtes Verkaufsargument.

Mit der Bunten unter Riekel konnte man sich meist arrangieren, eine hübsche Fotostrecke war immer drin, wenn man es nicht gerade so tollpatschig anstellte wie der frühere Bundesverteidigungsminister Rudolf Scharping im August 2001: Wer in Krisenzeiten mit der neuen Freundin so hemmungsvoll im Pool knutscht ("Total verliebt auf Mallorca"), sollte sich hinterher nicht wundern.

Scharping ging damals baden und musste zurücktreten, womit das Maximum an öffentlicher Aufmerksamkeit für die Bunte erreicht war.

Als Chefredakteurin war Riekel der Ansicht, dass man für eine gute Blattmischung immer auch ein paar freundliche Geschichten über Politiker braucht, am besten Politikerinnen mit Vorbildcharakter für die Zielgruppe: Deshalb zählt es seit Langem zu den ungeschriebenen Gesetzen in der Redaktion, dass man kein böses Wort über Angela Merkel, Ursula von der Leyen oder Malu Dreyer zu schreiben hat, und wenn es um die möglicherweise nächste US-Präsidentin Hillary Clinton geht, bekommt selbst die abgebrühte Chefredakteurin weiche Knie.

Riekels Editorials klingen dann wie verzückte Teenager-Briefe. Empathie war ihr immer wichtiger als Ironie, und wenn sie ihren Autoren mal etwas Häme und Härte verordnete, traf es sehr oft rüpelhafte Männer, die ihre Frauen oder sich selbst betrügen.

Sie weiß genau, wie wichtig ein guter Abgang ist

Patricia Riekel liebt das Theater, in München und Berlin verpasst sie selten eine wichtige Premiere. Sie weiß deshalb auch genau, wie wichtig ein guter Abgang ist.

Noch liegt die Auflage der Bunten etwa bei einer halben Million verkauften Exemplaren pro Heft (viertes Quartal 2015), im tollen Scharping-Jahr 2001 waren es fast 800 000. Der digitale Wandel zehrt genauso wie die Überalterung der Leserschaft an der Auflage, und auch die bekannten Lieblinge der Bunten kommen in die Jahre.

Richtige Enthüllungen sind selten geworden, man geht heute lieber kein publizistisches Risiko mehr ein, wenn man als Schauspieler, Musiker oder Politiker Karriere machen will - schade um die schönen Skandalgeschichten, die jetzt durch Nachrufe ersetzt werden.

Allzu schmerzhaft wird der Abschied nicht werden

Die Bunte hat ja schon seit Längerem den Charakter einer Nostalgie-Nummer, nur dass sich die Altstars nicht in Las Vegas treffen, sondern in Bogenhausen, wo man nebenan gleich in die Klinik einchecken kann.

Allzu schmerzhaft wird der Abschied also nicht werden. Patricia Riekel fällt auf ein weiches, von König Hubert höchstselbst gestiftetes Samtkissen, in das ihre besten Freundinnen jetzt ein paar Tränen weinen werden.

Im Sommer kommt dann der Neue. Er ist nicht unbedingt zu beneiden.

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