Pastewka-Film "Mutter muss weg" im ZDF:Selten so komisch

Zu erwarten waren 90 harte Minuten, doch dann fiel das persönliche Urteil überraschend aus: "Mutter muss weg" im ZDF ist der beste Film des Jahres. Aber warum? Eine kleine Spurensuche, bis zum Treffen mit Hauptdarsteller Bastian Pastewka.

Hans Hoff

Mutter muss weg

Mutter muss weg Tristan (Bastian Pastewka) und Hannelore Fromm (Judy Winter) fahren zum gemeinsamen Wellnessurlaub.

(Foto: ZDF / Julia Terjung)

Es gibt Wochen, da zieht das Leben auf dem Bildschirm in großer Trostlosigkeit vorbei. Noch ein halb garer Tatort, noch ein Schicksalsmovie, noch eine deprimierende Gesellschaftskritik in Filmform. Und dann kommt auch noch die Anfrage, ob man nicht Bastian Pastewka interviewen möchte. Der habe seinen ersten Film im ZDF. Mutter muss weg. Mit Judy Winter. Oh Gott. Das werden harte 90 Minuten.

Doch dann geschieht ein kleines Wunder. Schon beim ersten Mal ist der am Donnerstagabend ausgestrahlte Film unglaublich, und auch beim zweiten Mal verliert er nichts von seiner Wirkung. Danach steht das persönliche Urteil fest: Das ist der beste Film des Jahres.

Es geht um den von Bastian Pastewka gespielten Tristan, einen von der dominanten Mutter beherrschten Totalversager. Dem begegnet auf dem Heimweg von einer Therapiesitzung ein netter Mann namens Josip, der kurzerhand anbietet, die Mutter zu töten. Als Luschi vom Dienst willigt Tristan ein, und scheinbar gelingt das Unterfangen. Aber die Mutter, gespielt von Judy Winter, überlebt und zeigt sich danach von einer sehr gütigen Seite. Also will Tristan den Mordauftrag zurückziehen. Das aber geht nicht so einfach, denn Josip hat den Job längst weiterverkauft. Was folgt, ist eine turbulente Komödie, die von schrägen Verwicklungen, verblüffenden Momenten und wunderschönen Bildern nur so wimmelt. Man sitzt vor manchen Einstellungen und bekommt den Mund nicht mehr zu, so traumhaft hat die Kamerafrau Jana Marsik das Bild komponiert. Einmal ist es nur eine Szene am frühen Morgen. Man sieht eine Wiese, einen Rasensprenger, mehr nicht. Aber es wirkt.

Warum ist dieser Film so gut geworden?

Telefonat mit Marc Terjung, jenem Mann, der für das Drehbuch zuständig ist. An ihn geht die Frage, wie er auf die Idee gekommen ist, Pastewka als verhinderten Muttermörder zu beschreiben. "Bastian Pastewka hat eine große Wärme, und ich dachte: Wenn er Wärme hat, kann er auch etwas Böses tun", sagt Terjung, der auch schon die Bücher der Sat-1-Serien Danni Lowinski oder Edel & Starck zu Ausnahmeerscheinungen gemacht hat. "Tristan ist ein verzweifelter Mann, der alles richtig machen will", sagt er. Dass wenig davon gelingt, macht den Reiz aus. Dann fragt man Terjung, wie ihm der Film denn gefalle, und er sagt: "Ich mag den Film gerne." Gerne gilt als die kleine Schwester von Scheiße. Also Nachfrage. Nein, nein, das sei nicht lauwarm gemeint, beteuert der Autor. "Für meine Verhältnisse ist das supertoll, klasse, phantastisch."

Und dann sagt Marc Terjung einen Satz, der weiter weist. "Wir sind alle enttäuscht vom Fernsehen. Wir denken, es müsste doch mehr möglich sein, und es ist mehr möglich."

Wenn mehr möglich ist, warum ist das dann so selten in deutschen Filmen zu entdecken? Warum sieht man so selten so tolle Inszenierungen, solch eine Figur wie diesen Tristan, der mit Fug und Recht irgendwo zwischen den Großmeistern Loriot und Tatis Monsieur Hulot angesiedelt werden kann? Anfrage an Edward Berger, den Regisseur. "Wir haben alle gesagt: Wir wollen weiter. Wir sind nicht zufrieden mit dem Status Quo der deutschen Filme. Vielleicht können wir da etwas beitragen." Damit spricht er für sein Team und die Entschlossenheit, mal etwas anderes zu wagen.

Irgendwann fällt das Wörtchen Mut.

Pastewka nimmt sich Zeit

Der Regisseur Berger führt auch seine persönliche Motivation ins Feld. "Ich versuche, Dinge anders zu machen, als ich sie kenne. Sonst langweile ich mich", sagt er. "Es ist die Sehnsucht, sich häufiger auszuprobieren." Sich ausprobieren wollen viele. Warum schaffen es so wenige? Warum misslingen so viele Komödien? Eine leise Antwort gibt Berger, wenn er beschreibt, wie er sein Personal einsetzt. "Man kann die Figuren ernst nehmen, auch über sie lachen, und im nächsten Moment hat man Mitleid mit ihnen", sagt er.

Mut darf man getrost auch dem ZDF attestieren. Dort weiß man um die Klasse dieses Werks, auch wenn man realistischerweise nicht mit einem riesigen Quotenerfolg rechnet, was man offiziell aber nie zugeben würde. Mutter muss weg ist eher etwas fürs Repertoire. Der Film könnte ein Klassiker werden, den man ohne Probleme auch noch in zehn Jahren wiederholen kann.

Ein Treffen mit Bastian Pastewka. Er nimmt sich Zeit, weil ihm der Film sehr am Herzen liegt. Pastewka ist ein sehr vorsichtiger Mann. Er stürzt sich nicht bedenkenlos in solch ein Projekt. Früh fand er die Idee gut, aber unterschrieben hat er erst, als das fertige Drehbuch vorlag, das seinen Vorstellungen entsprach. "Ich wollte nicht, dass das so ein Artsy-Fartsy-Kunstfilm wird. Mein Anliegen war, dass es eine Komödie bleibt", sagt er, der sich lange mit seiner Figur befasst hat, bis er kapierte, wie dieses von der Mutter immer wieder als Versager gescholtene Wesen tickt. "Tristan weiß nichts, der kann nichts, der ist verloren. Als ich erkannt habe, dass die Mutter recht hat, hatte ich die Figur."

"Fahrender Gaukler bleiben"

Pastewka spielt den Tristan wie eine Flipperkugel. Die wird auch hin und her gestoßen. Ohne eigenen Willen. Ausgeliefert den Mächten drum herum. Geholfen hat ihm bei der Findung natürlich der Regisseur. Der habe Dinge aus dem Buch herausgelesen, die Pastewka in seinen kühnsten Träumen nicht gesehen habe. Edward Berger hat dann irgendwann gesagt: spiel einfach. "Er hat bei mir einen Schalter umgelegt. Ich habe mich zum ersten Mal richtig fallen lassen", sagt Pastewka, der indes Wert auf die Feststellung legt, dass solch ein Film für ihn ein Ausflug ist, dass seine eigentliche künstlerische Heimat schon seine Sat-1-Serie bleiben wird. "Ich möchte mit Leib und Seele fahrender Gaukler bleiben."

Genau einordnen kann er Mutter muss weg nicht. Es sei ein In-Between-Film, sagt er. Vielleicht eine Mischung aus I hired a contract killer und Tod auf dem Nil. Pastewka sieht bei den fiktionalen Erzählformen im deutschen Fernsehspiel eine große Kluft. "Auf der einen Seite stehen Krimis mit Gewalt, Schicksalsschlägen und Angst, auf der anderen Seite dagegen Soaps mit Liebe, Wiese und Tralala. Dazwischen ist nichts." Doch, da ist wohl was. Dieser Film.

"Mutter muss weg" ist noch in der ZDF Mediathek abrufbar.

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