PNP kauft Mittelbayerische Zeitung:"Das hat mit Medienvielfalt nichts mehr zu tun"

Medienzentrum der Verlagsgruppe Passau

Medienzentrum der Verlagsgruppe Passau.

(Foto: Armin Weigel/dpa)

Mit dem Kauf der Mittelbayerischen Zeitung weitet die Verlagsgruppe der Passauer Neuen Presse ihr Einflussgebiet gefährlich weit aus.

Von Andreas Glas

Die E-Mail kam am Freitagvormittag, um 10.30 Uhr. Betreff: "An alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter". Absender: Peter Esser, Herausgeber der Mittelbayerischen Zeitung. Er hatte etwas mitzuteilen, eine "für Sie wahrscheinlich überraschende Entscheidung", wie er schreibt. Die Verlagsgruppe der Passauer Neuen Presse (PNP) kauft die Mittelbayerische Zeitung (MZ), das ist die Kernbotschaft der Mail. Wer sich bei den Empfängern umhört, der spürt, dass Herausgeber Esser recht hat: Obwohl es schon länger Gerüchte gab, ist die Betroffenheit in Regensburg groß. Und die Sorge, dass bei der MZ bald alles anders sein könnte.

Mit dem Kauf schraubt die PNP ihre Auflage von zuletzt gut 145000 Exemplaren (IVW) auf mehr als 232000 Stück nach oben. Dazu kommen die mehr als 75000 Exemplare des Donaukurier aus Ingolstadt, den die PNP bereits im November 2016 gekauft hatte. Der Kauf macht die Verlagsgruppe nach eigenen Angaben "zu einem der auflagenstärksten Regionalzeitungs-Verlage in Bayern" - was noch untertrieben sein dürfte. Die Anteilsverhältnisse sind kompliziert auf dem Markt der Regionalzeitungen, "wir haben auch lange hin und her gerechnet", sagt Michael Busch, der Vorsitzende des Bayerischen Journalisten-Verbandes (BJV). Nach dem Kauf der MZ wäre die PNP "vermutlich nicht nur in Bayern, sondern deutschlandweit in den Top drei", sagt Busch. Er spricht von einem "Mega-Mediendeal".

"Die Landkarte von Passau nach Ingolstadt, jetzt über Regensburg, ist PNP-Gebiet."

Schon damals, nach der Übernahme des Donaukurier, hatte die Branche gerätselt, welchen Plan PNP-Verlegerin Simone Tucci-Diekmann mit ihrer Expansion verfolgt. Anders als der kantige Zeitungsgründer Hans Kapfinger brachte Tucci-Diekmann, 47, nur wenig journalistische Kompetenz mit, als sie vor zwölf Jahren die Geschäftsführung der Verlagsgruppe übernahm. Bei ihrem Amtsantritt nannte sie vor allem ein Ziel: Wachstum. So gesehen passt es ins Bild, dass Tucci-Diekmann ihre Einkaufstour fortsetzt, diesmal also in Regensburg.

Eine "perfekte Ergänzung" der bisherigen Verlagsaktivitäten, so lässt sie sich in ihrer eigenen Zeitung zitieren.

In Branchenkreisen heißt es schon länger, dass die PNP durch Zukäufe kaschieren möchte, dass ihr zu Hause in Passau die Leserinnen und Leser weglaufen. Im ersten Quartal 2021 lag der Verlust bei minus 1,3 Prozent, was im Marktvergleich allerdings nicht auffällig schlecht war. Anders als beim Kauf des Donaukurier, bei dem die Kurve damals nach oben zeigte, erlebt die Mittelbayerische einen ähnlichen Auflagenschwund wie die PNP. Wirtschaftlich begründet Simone Tucci-Diekmann den Schritt auch damit, dass den Werbekunden künftig ein "noch zielgenaueres, Regionen übergreifendes Angebot gemacht werden" könne.

"Die Landkarte von Passau nach Ingolstadt, jetzt über Regensburg, ist PNP-Gebiet. Das hat natürlich mit Medienvielfalt nicht mehr viel zu tun", sagt BJV-Chef Busch über den Deal, dem das Kartellamt erst noch zustimmen muss. "Wir beobachten mit einer Grundskepsis, was da gerade passiert." Über die Details des Deals haben beide Seiten Stillschweigen vereinbart. Ein gewisses Budget allerdings dürfte vorhanden sein in Niederbayern.

Dass die Ansagen künftig aus Passau kommen könnten, kratzt am Selbstbewusstsein

Im Dezember 2020 hatte die PNP-Verlagsgruppe vermeldet, dass sie ihre Anteile am polnischen Medienunternehmen Polska Press verkauft habe. "Unserer Verlagsgruppe ist es damit möglich, die in den letzten Jahren begonnene Wachstumsstrategie, insbesondere in Bayern, noch konsequenter umzusetzen", teilte Geschäftsführer Alexander Diekmann damals mit. Kurz danach berichtete das Passauer Magazin Bürgerblick, dass die PNP "ihr Monopolgebiet weiter ausbauen" wolle. In dem Bericht vom Februar 2021 ist bereits die Rede von möglichen Plänen der PNP, die Mittelbayerische Zeitung zu kaufen - und davon, dass laut der polnischen Zeitung Puls Biznesu etwa 27 Millionen Euro für den Verkauf der polnischen Blätter an den staatlichen Öl- und Tankstellenkonzern PKN Orlen geflossen seien.

Ein Teil des Geldes aus Polen könnte bald in Regensburg landen, wo eine Verleger-Ära zu Ende geht, "nach 75 Jahren Unternehmensgeschichte", wie Peter Esser in seiner E-Mail schreibt. Er glaube, dass nun "ein neuer, schlagkräftiger Medienverbund entsteht". Auch PNP-Verlegerin Tucci-Diekmann versichert ihren Glauben "an die Zukunft der Regionalzeitung". Doch im Regensburger Verlagshaus ist die Skepsis groß. Zumal aus Ingolstadt, aus der Redaktion des Donaukurier, auch viele unglückliche Stimmen zu hören sind seit der Übernahme durch die PNP-Verlagsgruppe. Dass die Ansagen künftig aus Passau kommen könnten, kratzt am Selbstbewusstsein der stolzen Regensburger Zeitung. BJV-Chef Busch appelliert an die PNP, "einen Abbau von Stellen sowie eine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen in den Redaktionen zu unterlassen". Sehr zuversichtlich klingt er da aber nicht. "Aus der Erfahrung", sagt Busch, "zeigt sich, dass bei solchen Käufen vor allem die Mitarbeiter leiden." Tucci-Diekmann äußerte sich dazu auf Anfrage zunächst nicht.

Zur SZ-Startseite
Das Schweigen im Walde © Taurus Media

SZ Plus25 Jahre Heimatkanal
:Zu Hause ist es doch am schönsten

Kitsch, Liebesdramen, Happy End - so was läuft regelmäßig nur noch auf dem Heimatkanal. Warum das Wohlfühlfernsehen auch nach 25 Jahren immer noch funktioniert.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: