Süddeutsche Zeitung

"Cooking with Paris" bei Netflix:Klotzen statt kleckern

Jetzt hat also auch Paris Hilton eine Kochshow. Darin erkundet die Hotelerbin gemeinsam mit dem Publikum die eigene Küche.

Von Dennis Müller

Das Jahr 2003, ein Bauernhof in Arkansas: Paris Hilton und ihre Freundin Nicole Richie, beide Anfang 20, stapfen in Gummistiefeln über eine Rinderweide. Ihre Aufgabe: Kühe melken. In der Realityshow The Simple Life sollten die beiden Großstadt-Heldinnen, so das Konzept, endlich für ihr Geld arbeiten. 18 Jahre und Hunderte Schlagzeilen später muss Hilton wieder mit Milch hantieren, sie legt Zwiebelringe darin ein.

Paris Hilton ist in diesem Jahr 40 geworden. Für Realitystars wie sie bedeutet das: Zeit für eine Kochshow. Nun könnte man meinen, dass in so einer Sendung mindestens Gast oder Gastgeber kochen können sollte. Aber wer von Horst Lichter, Johann Lafer oder Tim Mälzer ausgeht, der sollte mal Sängerin Selena Gomez, Rapper Snoop Dogg und in Deutschland zuletzt Jan Böhmermann zugucken. Da ist das Kochen nur Kulisse.

Auch Paris Hiltons Kochkünste darf man nach der Auftaktfolge in Frage stellen. "Kann ich dir vertrauen, darauf eine Minute aufzupassen?", fragt Kim Kardashian, einst Hiltons Stylistin und inzwischen der größere Reality-Star, als der Speck anzubrennen droht. Ein herrlicher Satz, den so bestimmt noch keine Fernsehköchin hören durfte. Kardashian kommt zum Frühstück, Sängerin Demi Lovato bringt in einer der sechs Folgen, die ab Mittwoch auf Netflix laufen, italienische Klassiker mit. Zum Luxus-Dinner im Finale machen Schwester Nicky und Mutter Kathy den Hilton-Clan komplett.

Ihr liegt etwas an der Show, aber ob es wirklich die Suche nach der "kulinarischen Magie" ist?

Dabei kann man nicht sagen, dass Hilton unvorbereitet wäre. Die Rezepte hat sie, wie sie versichert, höchstpersönlich im Netz gefunden und dann fein säuberlich in ein kleines Heftchen eingetragen, jeder Arbeitsschritt in einer anderen Filzstiftfarbe. Auch Handschuhe trägt sie, zwei Paar sogar, die blauen Küchenhandschuhe über den weißen mit Spitze. Ihr liegt etwas an der Show, das merkt man. Aber ob es wirklich die Suche nach der "kulinarischen Magie" ist, über die sie im Vorspann philosophiert, sei dahingestellt. Das ist wichtig, denn eine Kochshow, deren einziges Gimmick die paillettenbesetzten Pfannenwender sind, hätte schnell ausgeglitzert. Stattdessen konzentriert sich Cooking with Paris schlauerweise auf seine Protagonistin, die man jederzeit lieber auf der Suche nach einem Verlängerungskabel durch ihr Anwesen begleitet als der Frittata beim Aufblähen zuzusehen.

Cooking with Paris ist wie eine Naturdoku, in der man eine Zirkuslöwin bei der Auswilderung in ungewohntes Terrain beobachtet. Obwohl sie in ihrem eigenen Heim steht, hat Hilton möglicherweise keines der Küchengeräte je angefasst, so sieht es zumindest aus. Und auch sonst ist sie bedacht, möglichst ohne Kleckse auf der Designerkleidung durch die Sendung zu kommen. Abgesehen davon, dass Netflix mit der Show einfach einen weiteren Akzent in seinem Wust an Koch-, Back- und Essenssendungen setzt, wird in Cooking with Paris ein Aspekt deutlich, den andere Kochshows oft ausblenden: die massive Unlust, am Herd mehr zu tun, als träge in einer Pfanne herumzustochern. Und das ist wunderbar.

Cooking with Paris, ab 4. August, auf Netflix.

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