Panik in Georgien:TV-Bericht: Angeblicher Einmarsch der Russen

In Georgien sendet der Fernsehkanal Imedi eine "Spezialreportage" über einen angeblichen Einmarsch der Russen. Es bricht Panik aus.

Frank Nienhuysen

Es war 20 Uhr, beste Sendezeit, als für Georgien erneut der Krieg begann. Die düstersten Nachrichten flirrten über den Schirm; Präsident Michail Saakaschwili tot, russische Truppen auf dem Weg nach Tiflis, Häfen und Flughäfen bombardiert, die georgische Opposition habe zum Putsch aufgerufen. Die Menschen in Georgien wussten sofort, was zu tun ist: Einige rannten hinaus und kauften in Panik Benzin und Lebensmittel. Der Fünf-Tage-Krieg vom August 2008 war ja noch nicht lange her, wer weiß, vielleicht würde diesmal alles noch schlimmer kommen. Die Notdienste waren im Dauereinsatz, eine Frau starb an einem Herzinfarkt. Es war ein sinnloses Opfer.

Die so genannte "Spezialreportage", eine Collage mit Hilfe alter Aufnahmen, war frisiert. Erst am Ende des Beitrags erklärte der Fernsehsender Imedi, es gebe keinen Krieg; er habe nur auf mögliche künftige Entwicklungen hinweisen wollen. Aber nicht alle wollten sich so schnell wieder beruhigen lassen. Aus Wut kam es vor dem Gebäude des Senders in Tiflis zu einer spontanen Demonstration.

Orson Welles hatte 1938 in dem Hörspiel Krieg der Welten Millionen von Amerikanern mit der angeblichen Invasion von Marsmenschen genarrt. In Georgien aber ist die Erinnerung an den realen Konflikt vor zwei Jahren noch zu frisch, um die Sendung vom Samstagabend im Nachhinein als Schabernack zu empfinden.

Petre Mamradse von der Partei "Für ein gerechtes Georgien" nannte den Bericht "verantwortungslos". Eine andere Oppositionspolitikerin warf dem Sender vor, ein ganzes Volk in Angst zu versetzen. Und in Moskau sprach der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Konstantin Kossatschow, von einer "Provokation", über die Russland im Europarat debattieren lassen wolle.

Der Sender Imedi selber entschuldigte sich in einer Laufschrift für die "Informationssendung, die eine Imitation" gewesen sei. Ein Sprecher von Präsident Saakaschwili mahnte, der Beitrag habe nicht journalistischen Standards gesprochen. Der Staatschef selber sagte: "Der Bericht war zwar falsch, aber sehr realitätsnah." Imedi steht weitgehend unter der Kontrolle der georgischen Regierung. Das ohnehin angespannte Verhältnis zwischen Präsident und Opposition dürfte sich also weiter verschärfen - mehr Resonanz lässt sich mit einer Sendung zur Prime Time nicht erzielen.

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