Süddeutsche Zeitung

Palina Rojinski:Was Cooles mit Medien

Sie kann Dinge leichter und lässiger aussehen lassen, als sie tatsächlich sind. Die Moderatorin und Schauspielerin Palina Rojinski ist im Privatfernsehen und im Internet berühmt geworden - bald tritt sie auch noch im "Tatort" auf. Eine Begegnung.

Von Cornelius Pollmer

Palina Rojinski hat sich neulich mit Anna Thalbach unterhalten, von diesem Gespräch ist ihr vor allem ein Satz in Erinnerung geblieben. "Wir leben in einer Epoche der Verpackung", sagte Thalbach. Rojinski gefiel der Satz, weil sie ihn für richtig hält und weil er ein Funktionsprinzip ihrer Karriere beschreibt: Die Verpackung muss stimmen.

Am zweiten Weihnachtsfeiertag läuft in der ARD der erste Weimarer Tatort, die Ermittlungen leiten Nora Tschirner und Christian Ulmen. Palina Rojinski spielt in dem Film eine Nebenfigur, bei der Premiere am vorvergangenen Donnerstag in Weimar fällt ihr eine Hauptrolle zu. Der produzierende MDR hat sich den billigen Spaß natürlich nicht nehmen lassen, beim Fototermin im Foyer des Nationaltheaters Bratwürste zu verteilen. "Beißen, Palina, beißen!", schreien die Fotografen. Bei der Vorstellungsrunde später auf der Bühne steht Rojinski wie eine leuchtende Christbaumkerze in der Mitte ihrer von dunklen Stoffen gedimmten Kollegen. Sie ist müde, furchtbar müde, und sie beißt jetzt wieder. Nur soll es diesmal niemand sehen, denn das Beißen trifft nun keine Bratwurst mehr, sondern ihre Unterlippe. Rojinski unterdrückt ein Gähnen. Die Verpackung: stimmt.

Dass die Verpackung mitunter keine Rückschlüsse auf den Inhalt zulässt, das hat Palina Rojinski schon gelernt, als St. Petersburg noch Leningrad hieß. Die Eltern waren aus der sich auflösenden Sowjetunion nach Berlin vorausgereist, von dort schickten sie schon mal ein Westpaket als Gruß aus der neuen Heimat. Darin: Ohrwärmer, Scheibletten-Käse, Bifis. Letztere hielt die fünfjährige Rojinski zunächst für Trommelstöcke. Wochen später fand sie sich selbst in diesem seltsamen Land voller Scheibletten-Käse und Bifis wieder, in einer Zeit, in der Unterkünfte für Asylbewerber noch Asylantenheime genannt wurden. Irgendwann saß sie dort in der Spielecke, mit Stempel und Briefmarkenbefeuchter. Als ihre Mutter fragte, was sie da mache, sagte Rojinski: Na, ich spiele Ausländerbehörde!

Es spricht sehr für sie und irgendwie auch für dieses Land, dass Palina Rojinski gut 20 Jahre später vielen Mädchen als Vorbild gilt und dass sie einen Teil ihres Lebensunterhalts damit erwirbt, vor einer Fototapete in Bratwürste zu beißen. Rojinski sagt, sie sei dankbar dafür, "dass es so viele neue Lebensentwürfe gibt, die toleriert und sogar bewundert werden - und die eine vollkommene Gültigkeit haben in der Gesellschaft. Das ist schön und das war früher in meiner Vorstellung nicht so."

In der Schule war sie zunächst "die Russin", die kein richtiges Deutsch sprach, und wenn sie ihre Haare für das Training schon mal vorsorglich zum Dutt verknäulte, bekam sie schon mal einen blöden Spruch zu hören. Die überzeugende Antwort: zwei Deutsche Meistertitel in rhythmischer Sportgymnastik bei den Juniorinnen. Gäbe es einen Deutschen Meistertitel in rhythmischer Mediengymnastik, Rojinski hätte ihn vor drei Jahren gewonnen, als sie in der damalige Sendung von Joko und Klaas für einen Stöhn-Flashmob zum Alexanderplatz zog - ein erster Klick-Hit auf YouTube. Dieses Jahr hat Rojinski als Jury-Mitglied der Castingshow Got to Dance den Deutschen Fernsehpreis gewonnen, sie gehört immer noch zum Ensemble von Joko und Klaas bei Pro7, und nach allem, was man so hört, wird es nicht allein dabei bleiben.

Palina Rojinski macht nicht irgendwas mit Medien, sie macht was Cooles mit Medien. Sie ist kein It-Girl, aber schon ein IT-Girl, weil sie ihr Berufsleben im Internet in einer Art Dauerausstellung offenbart. Ihr iPhone hat sie mit einer 64-Gigabyte-Karte nachgerüstet, fast 12.000 Fotos lagern darauf, viele davon jagt sie durch den Mein-Leben-ist-schön-Filter von Instagram und stellt sie dann online. 290.000 Menschen folgen ihr allein auf Facebook, und was Instagram kann, das zählt auch Rojinski zu ihren Fähigkeiten: Sie kann Dinge leichter und lässiger aussehen lassen, als sie tatsächlich sind.

Am Tag nach der Tatort-Premiere fährt Rojinski von Weimar nach Wiesbaden, die Fenster des überfüllten Regionalexpress' sind zugeatmet worden. Rojinski ist immer noch müde, und sie steht dabei unter ständiger Beobachtung. Ein paar Schüler im Zug schauen auf sie wie auf die Projektion einer Fee, und als Rojinski vor einer Weile mal im H&M nach einer "fleischfarbenen Bauch-Weg-Hose-Hose" griff, da wurde sie natürlich gleich von ein paar Mädchen geblitzdingst. Das gehöre nun mal zu ihrer Arbeit, sagt sie, und es gehört dann wohl auch zu ihrer Arbeit, dass sie selbst in der Apotheke beim Umstieg in Erfurt noch ein kleines Gespräch zu führen hat, obwohl sie eigentlich nur etwas Linderung für ihre Migräne kaufen möchte.

Die Apothekerin erkennt Rojinski, ein bisschen zumindest, und dann fragt sie: "Sie sind aus Berlin, oder?" Diese Assoziation hängt in all ihrer Unbestimmtheit mit der Vorstellung zusammen, die jene Menschen von Berlin haben, die nicht dort leben. Das ist eine Chance, und das ist auch die Gefahr, wenn die Verpackung so stimmig ist - man verliert schnell die Idee davon, was sich dahinter verbirgt.

Schaut man sich die Autosuggest-Vorschläge ein, mit denen Google den Namen Rojinskis bei einer Suchanfrage erweitern will, dann glaubt man, die Leute seien gerade von Redtube rübergesurft. BH, Freund, Brüste. Rojinski ist natürlich auch eine Projektionsfläche, "aber was soll ich denn machen? Soll ich mir die Brüste amputieren lassen?" Diese Assoziationen hält sie wahrscheinlich auch deswegen recht locker aus, weil die Gaffer eben nur die Verpackung sehen und das Dahinter stets verborgen bleibt. So entsteht die ziemlich nützliche Illusion von Nahbarkeit, die aber keine wirkliche Nähe ist.

Raumschiff vom Planeten Fun

Palina Rojinski sagt, ihr Arbeitstag bestehe aus verschiedenen Modulen. Während sie am Vormittag, in Weimar, noch mit ein paar Kindern Basketball gespielt hat, steht sie nun, mitten in der Nacht, im Gestüt Renz, einem Club in Wiesbaden. Rojinski ist für den Abend als DJane gebucht, die Plakate kündigen sie an mit dem schönen Superheldennamen "Palina Power". Sie trägt ein Stirnband, das aussieht wie ein geflochtenes Nadelkissen, dazu türkise Leggins mit grünen Palmen darauf und weiße Nikes. Die Nacht wird lang und länger, um fünf Uhr früh ist der Boden des Clubs von einem unlösbaren Puzzle aus Glasscherben und Strohhalmen bedeckt.

Ein paar traurige Typen mit zu tiefen V-Ausschnitten schauen halb-besoffen und dreiviertel-verliebt zu Frau Power an den Decks, die vor ihrem Macbook steht, als wäre es die Kommandozentrale eines Raumschiffs vom Planeten Fun. Nachdem man also auch dieses Modul miterlebt hat, weiß man zwar immer noch nicht, was genau Palina Rojinski alles macht und warum, aber man sieht, dass es anstrengend ist und dass sie es gut macht. Die eigene Müdigkeit greift, Palina Rojinski turnt weiter als Ein-Frau-Hüpfburg am DJ-Pult. Der Stream geht weiter.

Ihre Rolle als vermeintlich schwarze Witwe im Tatort hat Palina Rojinski übrigens hervorragend gefallen. Weil man schon genau hingucken müsse, um zu sehen, dass in dieser Person nicht etwa Berechenbarkeit steckt: "Auf den ersten Blick denkt man ,Ey was'n das für ne Schnepfe', auf den zweiten merkt man erst, wie einfühlsam und selbstlos die Rolle ist."

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Quelle:
SZ vom 21.12.2013/ihe
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