"Pachinko" auf AppleTV+:Emotionales Epos

Lesezeit: 2 min

Minha Kim, Inji Jeong and Steve Sanghyun Noh in "Pachinko". (Foto: Apple TV+)

Entlarvende Sachlichkeit in drei Sprachen: "Pachinko" erklärt das Verhältnis zwischen Korea, Japan und Amerika.

Von Thomas Hahn

Die Apple-TV-Serie Pachinko ist auch für jene weiße Wohlstandsmenschen lehrreich, die nicht wissen, dass Smalltalk eine Form des Rassismus' sein kann. Da ist zum Beispiel diese Szene am Anfang der zweiten Folge. Solomon Baek, gespielt von Jin Ha, Enkel der koreanischen Einwanderin Sunja, sitzt in Tokio bei einer Party neben Naomi (Anna Sawai), einer Japanerin im männerdominierten Finanzsektor. Naomi erzählt auf Japanisch von ihrem Wirtschaftsstudium in Harvard. "Wie war es?", fragt Solomon.

"Es war eine gute Ausbildung im Denken der Amerikaner", antwortet Naomi auf Englisch. - "Inwiefern?" - "Amerikaner lieben Spiele. Immer wenn ich welche traf, wollten sie das Ratespiel spielen. Was für eine Asiatin ich bin." - "Der Klassiker", sagt Solomon, "chinesisch kommt immer als Erstes." Naomi nickt. "Zum Glück kommt japanisch normalerweise als Zweites." Solomon lächelt höflich. "Ich kann schon von Glück reden, wenn Korea unter den ersten Vier ist."

In der Werbung heißt es, Pachinko handle von Hoffnung und Träumen, Liebe und Verlust. Und es stimmt: Dieser achtteilige Streifzug durch Ostasiens Historie zwischen 1910 und 1989, der am 25. März herauskommt, ist ein emotionales Epos. Eine Familien-Saga, die mit der Geburt von Sunja in Yeongdo im heutigen Südkorea beginnt und in einem geschickt verwobenen Mosaik aus Szenen die Geschichten vierer Generationen erzählt.

Die Serie ist eine US-Produktion, die dem asiatischen Geist das Feld überlässt

Aber genauso wie in der Vorlage, dem gleichnamigen Roman der amerikanisch-koreanischen Schriftstellerin Min Jin Lee, geht es nicht nur um das Spektakel der großen Gefühle. Pachinko ist auch eine hintergründige Chronik jener Rücksichtslosigkeiten, die das Verhältnis dreier Nationen bis heute kompliziert machen.

Korea, Japan, Amerika. Diese Länder sind wie ein ungleiches Geschwistertrio. Japans Industriegeschichte begann damit, dass Amerikaner den Inselstaat aus seiner Isolation zwangen. Später verlor Japan gegen Amerika den zweiten Weltkrieg. Und Korea war zwischen 1910 und 1945 von Japan besetzt. Die Beziehungen sind schwierig, geprägt vom Herrschaftsdenken der jeweils größeren Brüder. Vor allem die zwischen Korea und Japan. Pachinko hilft, das besser zu verstehen.

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Die Serie ist eine US-Produktion, die dem asiatischen Geist das Feld überlässt. Eine Gruppe von Künstlern bricht dabei mit dem platten Nationalismus, der bei der Aufarbeitung der Kolonialzeit zwischen Japanern und Koreanern steht. Die Regisseure Kogonada und Justin Chon, beide Amerikaner südkoreanischer Abstammung, zeigen die Härten und Ungerechtigkeiten mit virtuosem Ernst. Keine Anklagen, nur entlarvende Sachlichkeit in drei Sprachen. Dabei hilft ihnen eine erstklassige Besetzung aus dem reichen Kosmos der englisch-japanisch-koreanischen Schauspielerei, darunter die Oscar-Preisträgerin Youn Yuh-jung als alte Sunja. Besonders überzeugend: die noch wenig bekannte Kim Min-ha. Der jungen Sunja verleiht sie jene Energie aus stillem Stolz, Liebe und Schmerz, die viele koreanische Ausgewanderte durch die raue Wirklichkeit in Japan getragen haben dürfte.

Der Titel täuscht. Der Pachinko-Salon mit den lauten Glücksspielautomaten, den Sunjas Sohn in Tokio betreibt, kommt nur am Rande vor. Die Serie ist eine asiatische Geschichte, die den Respekt vor den Menschen schärft. Und die vielleicht auch mancher Westperson ihr einfältiges Denken über den fernen Osten austreibt.

Pachinko, auf Apple TV+

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