Weihnachtsmärkte im Netz:Das passt auch noch rein

Weihnachtsmärkte im Netz: Was hat man 2020 nicht schon alles ins Internet gequetscht von Dates bis zum EU-Gipfel. Warum sollte der virtuelle Weihnachtsmarkt da nicht hinhauen?

Was hat man 2020 nicht schon alles ins Internet gequetscht von Dates bis zum EU-Gipfel. Warum sollte der virtuelle Weihnachtsmarkt da nicht hinhauen?

(Foto: SZ)

Manche Weihnachtsmärkte fallen nicht einfach aus, sie finden dieses Jahr online statt. Kann das gutgehen?

Von Marlene Knobloch

Gebrannter Mandelgeruch verpappt die Nase, karamellisiert den Kälteschnief, der schon in den Glühwein tropfen wollte, und irgendwo brät immer eine Wurst. Im Schein der Lichterketten und mit Mariah Carey im Ohr überkommt einen die irrationale Lust, in die zuckrige Rotweinmischung einen Zipfel Lammhack zu tunken und damit das letzte Fitzelchen deutscher Esskultur freudig zu versenken. Dieses dumpf-warme Weihnachtsgefühl wird vielen dieses Jahr fehlen. Denn die meisten Märkte in Deutschland fallen aus. Außer den heimischen Heizrohren glüht nichts mehr. Dafür sollen einige Märkte jetzt online stattfinden. Kann das gutgehen?

"Seid digital dabei beim Christkindlmarkt!" lädt die Stadt München ein. Auch Ludwigsburg ist kompromissbereit, und am Kölner Dom gibt es 2020 wortspielreich "mit Abstand das schönste Onlineshopping". Diese Städte - wie auch Frankfurt, Bielefeld oder das sächsische Seiffen - bieten auf den kommunalen Webseiten einen Überblick über Aussteller, zeigen Fotos von Weihnachtsbäumen oder bieten virtuelle Rundgänge an. Damit wollen die Städte ihre Aussteller unterstützen, aber auch ein bisschen Weihnachtstrost übers Netz verbreiten.

Wieso auch nicht? Was hat man dieses Jahr nicht schon alles ins Internet gequetscht: erste Dates, Stammtischtreffen, EU-Gipfel. Was soll's, da passt der Weihnachtsmarkt auch noch rein. Sollte man meinen.

Was sich sonst über den Marienplatz auf verschachtelte Gassen verteilt, ist jetzt in sechs Kacheln fein säuberlich auf der Webseite des Münchner Startportals sortiert: "Weihnachtsgeschenke", "Weihnachtsbäckerei & Naschwerk", "Kripperlmarkt", "Christbaumschmuck & Weihnachtsdeko", "Essen und Trinken", "Aussteller". Außerdem gibt's ein virtuelles Singen unterm Christbaum, dafür hat das Münchner Kulturreferat ein PDF hochgeladen mit den wichtigsten Songtexten von "Alle Jahre wieder" bis "Maria durch ein Dornwald ging". Jeden Tag können die virtuellen Besucher die Lieder auf Facebook und Instagram zu einem Video mitsingen. Und damit die Schüchternen das "O du fröhliche" nicht verzagt in die Tastatur nuscheln, gibt es auf den Online-Weihnachtsmärkten auch Kirschwein, Heidelbeerzauber und Crambambuli zu bestellen. Aufwärmen muss man den zwar selbst, aber vielleicht legitimiert der biologische Manufakturfusel den Weihnachtsrausch besser als der Tetrapack-Glühwein. So oder so lässt es sich damit fröhlich vor dem Bildschirm schunkeln und mit lieferbaren Spitzbuben und Stollen das Home-Office vollkrümeln.

Bloß für die Idee, seinem Partner diese authentisch riechende Schafswollmütze zu schenken, gibt es dieses Jahr keine verminderte Schuldfähigkeit. Was auf Online-Weihnachtsmärkten nämlich nicht zählt, ist die Ausrede: "Die hab ich auf dem Weihnachtsmarkt gesehen und dachte...", also "Ich war verzweifelt und hab sie mir mit zwei Feuerzangenbowlen schön getrunken". Ein nüchterner Klick ist eine bewusste Entscheidung - wer handgemachte Naturseife für seine Liebsten bestellt, muss die Konsequenzen tragen.

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