Online-Portal "Stayalive":Helmut Markwort macht sich unsterblich

"Stayalive", ein Internet-Portal für die Ewigkeit, ist gestartet. Warum "Focus"-Gründer Helmut Markwort da mitmacht, bleibt auch nach einer Pressekonferenz unklar.

Christina Maria Berr

Ein eigenes Grab hat er sich nach eigenem Bekunden noch nicht ausgesucht. "Ich komme vor lauter Leben nicht dazu", meint Helmut Markwort. Und dieses Leben, das ihn so sehr beschäftigt, beinhaltet für den scheidenden Focus-Chefredakteur nun auch die ganz große Zukunftsidee. Und das ist die Gründung eines Ewigkeitsportals.

Stayalive heißt die Internet-Homepage, mit der Markwort und weitere fünf Partner mit jeweils gleichen Anteilen Geld verdienen wollen. Den Namen "Vergissmeinnicht" hätte Markwort eigentlich passender gefunden, aber das Projekt soll ja international erfolgreich werden, erklärt der Online-Newcomer - und da wäre der komplizierte Blümchenname aus der Boomzeit des Peter Frankenfeld doch ein wenig sperrig.

Das Konzept des "Faceobook für Tote", wie Geschäftsführer Matthias Krage sein neues Portal nennt, ist ganz einfach: Man kann Botschaften, Küchenrezepte, Lieblingsmusiken, Fotos und andere wichtige Dinge der Nachwelt überlassen.

Dabei entscheidet der Nutzer selbst, wer die eigene "Gedenkstätte", so der Stayalive-Jargon für einen Account, einsehen kann und wann: vor oder nach dem eigenen Tod. Der wiederum kann ebenfalls von ausgewählten Personen gemeldet werden. Und damit auch alles mit rechten Dingen zugeht, erklärt Krage auf der Pressekonferenz in München, schicke man noch eine SMS an den vermeintlich Toten. Erst wenn sich dieser nicht meldet, wird er tatsächlich als verstorben registiert.

Das alles klingt ein wenig seltsam. Zudem ist es noch nicht einmal günstig. Denn die Seite finanziert sich nicht über Werbung, sondern über eine durchaus satte Gebühr. Für 499 Euro kann man unbeschränkt seine Daten speichern, wenn die posthume Selbstbeweihräucherung nur ein paar Jahre dauern soll, ist es für den Interessenten wesentlich günstiger.

Doch in der Rubrik "Rechtliches" des Start-up-Unternehmens findet man auch den Hinweis, was passiert, sollte das Portal mangels Erfolg schon bald wieder geschlossen werden. Dann nämlich ist das Geld einfach weg.

"In meinem Alter haben Sie da 30 bis 40 Tote im Telefon"

Daran wollen die Gründer selbstverständlich nicht denken - und sprechen an diesem Vormittag lieber von Markworts goldenem Händchen, erprobt bei Titelen wie Focus oder Ein Herz für Tiere - und viel vom Facebook-Erfolg. Und an diesen will man mit der neuen Geschäftsidee offenbar anknüpfen. Denn der Auftritt von Stayalive erinnert erstaunlich an das mittlerweile 550 Millionen Nutzer zählenden Freunde-Portal. Ebenfalls in Blau gehalten, und auch der weiße Schriftzug ist durchaus ähnlich. Auch hier kann man Freunde sammeln.

Mit Fakten, für die laut Fakten-Macher Marktwort an diesem Tag Geschäftsführer Krage zuständig ist, will dieser nicht so recht rausrücken. Ein Ziel - wie viele Accounts in einem Jahr akquiriert werden sollen - wird nicht bekanntgegeben. Und auch die genauen Strategien, die das Portal sicher machen sollen, will der Manager nicht verraten. In seinem Todesportal immerhin verrät er seinen Spitznamen: "Mucki." Aha.

Auch Markworts Motivation wird an diesem 9. November nicht wirklich deutlich. "Gründen ist mein Hobby", erklärt er zu Beginn der Konzferenz. Und später bekräftigt er, das Konzept habe ihn überzeugt. Womit genau, erklärt er nicht. Und es hat ihn offenbar so sehr überzeugt, dass er selbst noch immer keinen Account angelegt hat.

Stattdessen überlegt er, dass die Tomorrow Focus AG seines alten Arbeitgebers Hubert Burda ja noch einsteigen könnte, wenn das Portal einmal wertvoll sei. Dort jedoch dementiert man vehement: "Von Seiten der Tomorrow Focus AG ist definitiv keine Beteiligung an Stayalive geplant."

Eine Aktion gegen Burda soll das Ganze jedenfalls nicht sein. "Da bin ich noch angestellt und Geschäftsführer", erklärt Markwort. Hubert Burda habe er sogar rechtzeitig informiert - und dem Digital-Geschäftsführer Paul-Bernhard Kallen wurde die Idee sogar präsentiert. Warum Burda aber nicht mit ins Boot geholt wurde, wollte der 73-Jährige nicht wirklich sagen ("Passt nicht zu Burda"). Und dessen Kommentar dazu soll gelautet haben: "Sie machen sich unsterblich!"

Stattdessen spricht Markwort lieber über seinen Freund Monti Lüftner, dessen Grab nicht wirklich gut gepflegt sei und dessen Telefonnummer er immer noch in seinem Handy gespeichert habe. "In meinem Alter haben Sie da 30 bis 40 Tote im Telefon." Und den ein oder anderen habe er auch schon einmal angerufen, nach dessen Tod. Markwort wollte hören, "was da kommt". Mit Stayalive werde es ihm nun vielleicht leichter fallen, diese Nummern aus dem Adressbuch zu entfernen, sinniert er noch.

Und dann verrät der Mann, der selbst gerne den Tod im Jedermann spielt, doch noch eine persönliche Passion in Bezug auf dieses Projekt. Er würde gerne nach seinem Tod eine Liste mit Leuten veröffentlicht wissen, die nicht auf seine Beerdigung kommen sollen - und diese Liste, so Markwort, "wird jeden Tag länger".

In die Idee dieser Liste, so darf man ruhig vermuten, könnte sich Markwort bei der Unterstützung des Portals unsterblich verliebt haben.

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