Süddeutsche Zeitung

Serie "One Mic Stand" auf Amazon Prime:Schlechter Scherz

Für die Serie "One Mic Stand" wollen Profis Promis zu Stand-up-Comedians ausbilden. Karl Lauterbach zum Beispiel.

Von Jens-Christian Rabe

Im Rahmen der manischen Selbstverbesserung, der man als braver Bürger der Coaching-Gesellschaft Tag für Tag so unterworfen ist, schien das ja erst mal gar keine so schlechte Idee zu sein: Warum nicht eine Serie draus machen, wie bekannte Comedians andere mehr oder weniger bekannte und fachfremde Prominente für ihren ersten Auftritt als Stand-up-Comedian trainieren? Also zum Beispiel Harald Schmidt die Fußballweltmeister Christoph Kramer und Mats Hummels, Torsten Sträter das Model Lorena Rae oder Hazel Brugger Gesundheitsminister Karl Lauterbach. Die Auswahl der Dozenten erschien zwar durchwachsen - außerdem sind noch Michael Mittermeier dabei und Teddy Teclebrhan, der auch Moderator und einziges ständiges Mitglied der fünfteiligen Show ist - , aber durchaus repräsentativ für die deutsche Comedy. Was soll man machen.

In der Praxis ist "One Mic Stand" leider unterirdisch, was aber womöglich noch gnädig untertrieben ist. Die Serie ist grotesk missraten. Ein Nichts von einer Show. Wobei jetzt womöglich bei manchen Lesern der Eindruck entstehen könnte, die Sache sei so schlecht, dass man nicht hingucken wolle, allerdings eben auch nicht weggucken könne. Aber genau so ist es nicht. Nicht mal das haben die Macher (unter denen als Produzent immerhin auch der Harald-Schmidt-Show-Ermöglicher Fred Kogel geführt wird) geschafft, was angesichts der langen deutschen Fernsehtradition, unwiderstehliche Totalschäden zu produzieren, wirklich ein Kunststück ganz eigener Art ist.

Im Vergleich mit den Promis ist sogar deutsche Comedy lustig

Stattdessen sieht mal in den jeweils gut 45 Minuten langen Folgen viel verplappertes Kennenlernen und Rumsitzen und allerlei krampfhaft Dazwischengeschnittenes, das offenbar irgendwie Spannung erzeugen soll. Einzig die Musikeinlagen von Teddy Teclebrhan, der ein begabter Gaga-Soulman ist, machen den Anschein, dass doch nicht allen alles völlig egal war. Vor der harten, mühsamen Arbeit, die ja sogar bloß mittelprächtig gelungene Comedy bedeutet, wurde sich offenbar komplett gedrückt. Oder war das das eigentliche Ziel der Serie: dass die deutschen Profis hier, obwohl im internationalen Vergleich alles andere als Titanen ihrer Kunst, plötzlich erscheinen sollen wie Titanen ihrer Kunst?

Ausgewählt wurden jedenfalls als Stand-up-Comedians offensichtlich sagenhaft untalentierte Promi-Azubis (außer den Genannten sind noch die Tänzerin Motsi Mabuse und der Schauspieler Fahri Yardim dabei), und dann wurde ihnen wirklich auch noch kein bisschen geholfen. Im Gegenteil. Es schien nicht mal genug Zeit und Geld im Spiel gewesen zu sein, um den Armen ein oder zwei Gags schreiben zu lassen, die diese Bezeichnung ansatzweise verdienen. Karl Lauterbach etwa, der in seiner nerdigen Verkniffenheit in Talkshows und Bundestag ja hier und da doch schon ein Gespür für Pointen bewiesen hat, beginnt seinen Auftritt hiermit: "Guten Abend, meine Name ist Karl Lauterbach. Ich bin die Person, die über anderthalb Jahre Ihnen jetzt alles verboten hat, was Spaß macht. Ich bin daher wie Ihre Mutter - nur ohne das gute Essen." Und danach wird es erst richtig lausig. Ein Trauerspiel. Von vorne bis hinten. "One Mic Stand" wirkt, als habe sich Deutschland, nachdem es von der Comedy-UN gebeten wurde, sein Armutszeugnis vorzulegen, mal wieder gedacht: Wenn schon, denn schon!

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