Olympia im US-Fernsehen:Olympisches Wurmloch

NBC Sochi-Logo

Das NBC-Logo zu den Olympischen Spielen in Sotschi.

(Foto: NBC)

War das schon - oder kommt das noch? Der amerikanische Fernsehsender NBC zeigt zur besten Sendezeit eine Zusammenfassung des sportlichen Tagesgeschehens in Sotschi. Eine Farce, bisweilen werden komplette Ereignisse einfach ignoriert. Ein Wochenende in der amerikanischen Primetime.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Die Ankündigung von Bob Costas war phantastisch. Der Moderator saß zwei Tage vor Beginn der Olympischen Spiele in einem Studio, das aussieht wie eine Mischung aus Festung von Superman und Höhle von Batman, er erklärte die Regeln der Primetime-Sendung des amerikanischen Senders NBC: Sie sei für all jene Zuschauer gedacht, die weder nachts live geguckt noch sich tagsüber über die Ergebnisse informiert haben. Der olympische Tag in eine Dreieinhalb-Stunden-Sendung gepackt, dazu pfiffige Interviews, packende Storys, ein wenig Politik.

Hört sich wunderbar an, während der Eröffnungsfeier war US-Präsident Barack Obama zugeschaltet, es ging nicht nur um die Chancen amerikanischer Sportler in Sotschi (laut Obama sehr gut), sondern auch um das Verhältnis zwischen Russland und der USA (laut Obama gar nicht mal so schlecht). Kann man ja mal ein Wochenende lang machen: tagsüber in den Zoo, ins Büro oder an den Strand - und abends jeweils 210 Minuten lang Olympia gucken.

Nur: Was NBC den Zuschauern zur besten Sendezeit präsentiert, ist nicht der olympische Tag, sondern ein olympisches Wurmloch. Man fragt sich ständig: War das schon? Oder kommt das noch? Oder ist das nun doch live?

Was sind schon 18 Stunden?

Der Samstagabend beginnt mit Snowboard, Slopestyle der Männer. Eigentlich fängt es mit einer Geschichte über den Kanadier Mark McMorris an, wie er im Sommer durch seinen Heimatort spaziert. Muss also schon ein bisschen her sein, die Aufzeichnung. Macht aber nichts, dauert ja nicht lange. Dann gibt es Sport, aber nur das Halbfinale. "Zum Finale kommen wir später", sagt der Kommentator. Später? Das ist doch alles schon passiert, vor mehr als 18 Stunden! Na ja, vielleicht wollen sie mit der "Wir tun jetzt mal so, als wäre das alles live"-Taktik die Spannung erhöhen. Kann man mal machen.

Schnitt zu Shaun White. Der hat seine Teilnahme am Slopestyle abgesagt, er tritt nur in der Halfpipe an. Es gibt Bilder vom Training und ein Interview. Okay, nun mal kurze Pause: Sind diese Bilder nun live? Oder fand das Training bereits statt? Läuft der Halfpipe-Wettbewerb womöglich gerade jetzt live in Sotschi? Nein, tut er nicht. Live findet in Sotschi gerade das Slopestyle-Halbfinale der Frauen statt, das wird aber erst am nächsten Abend gezeigt. Jetzt kommt ja gleich das Finale der Männer. Puh, gar nicht so einfach.

NBC schickt das Gehirn des Zuschauers zur Beruhigung erst einmal mehr als 36 Stunden in die Vergangenheit. Es gibt Bilder von der Eröffnungsfeier. Schön. Dazu ein Interview. Nicht schön. Costas gibt jedoch - als wäre gerade irgendwas wahnsinnig Wichtiges passiert - schnell ab zum Slopestyle. Nein, keine spektakulären Live-Bilder von den Frauen, sondern: ein Amerikaner hat Gold bei den Männern gewonnen, ein Kanadier Bronze. Wunderbar.

Ende mit Nationalhymne

Nun aber schnell rüber zum Team-Wettbewerb im Eiskunstlauf und zur Entscheidung im Freestyle der Frauen, bei der drei Nordamerikanerinnen (Gold und Silber an Kanada, Bronze an die USA) ganz vorne stehen. Was nicht gezeigt wird: der Sieg von Ole Einar Bjørndalen im Biathlon-Sprint, der wird kurz vor dem Ende der Sendung um 23:30 Uhr erwähnt, wobei Costas mehr Zeit darauf verwendet, sich an der für einen Amerikaner offenbar schwierigen Aussprache des Namens zu belustigen, als die Leistung des 40 Jahre alten Norwegers zu würdigen. Was auch nicht gezeigt wird: die Entscheidungen im Eisschnelllauf und Langlauf. Nur das Einblenden des Medaillenspiegels verrät, dass an diesem Tag offenbar noch mehr passiert sein muss als Snowboard, Freestyle und Eiskunstlauf.

Die Sendung am Samstag endet mit der amerikanischen Nationalhymne anlässlich der Ehrung des Siegers im Slopestyle der Männer knapp 14 Stunden zuvor. In Sotschi beginnt gerade die Abfahrt der Männer, Bode Miller startet gleich. Sagt einem aber keiner.

Jamie Anderson of U.S celebrates after women's snowboard slopestyle finals event at the 2014 Sochi Winter Olympics in Rosa Khutor

Die US-Amerikanerin Jamie Anderson gewann in Sotschi Gold im Slopestyle.

(Foto: REUTERS)

Kurzes Vorspulen zum Sonntagabend. Der beginnt wieder mit Slopestyle. Frauen nun. Eine Amerikanerin gewinnt. Schön für die Amerikanerin. Schnitt hinüber zur Abfahrt der Männer. Ein Mann berichtet über Bode Miller, als würde der gleich durch ein Krisengebiet rasen und dadurch die westliche Welt retten - der Reporter verwendet Worte wie "D-Day". Bevor Millers Lauf gezeigt wird, gibt es noch einen Werbefilm, in dem ganz viele Amerikaner "USA, USA, USA" rufen. Hilft aber nichts, Miller wird nur Achter.

Hoffentlich geht es ihm gut

Also schnell zum Curling, es gibt eine Analyse dieser wunderbaren Disziplin. Moment: War das schon? Oder kommt das noch? Weder noch, gerade findet die Partie zwischen Kanada und Deutschland statt. Live. Sagt einem aber keiner.

Wieder endet der Abend mit der amerikanischen Nationalhymne, diesmal wegen der Siegerin im Frauen-Slopestyle. Das führt zunächst zur spannenden Frage, wie NBC seine Sendung an einem Tag ohne amerikanische Olympiasieger beenden wird. Viel größer ist jedoch die Sorge um den deutschen Rodler Felix Loch. Dem ist es zwar gelungen, als Schnellster durch den Eiskanal von Sotschi zu fahren und Olympiasieger zu werden. Im olympischen Wurmloch von NBC ist er indes irgendwie verlorengegangen. Hoffentlich geht es ihm gut.

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