Süddeutsche Zeitung

Tokio 2020:Es geht um Sport und um jede Menge Geld

Die Olympischen Spiele sind immer auch ein großes TV-Ereignis. Das steht nun wegen der Corona-Pandemie auf der Kippe - mit weitreichenden Folgen für die Sender.

Von Elisa Britzelmeier und Caspar Busse

Es sind nur noch gut vier Monate Zeit: In Tokio sollen am 24. Juli die Olympischen Sommerspiele beginnen und dann bis zum 9. August 2020 dauern. Noch hält das Internationale Olympische Komittee (IOC) an dem Plan fest, doch angesichts der weltweiten Corona-Pandemie wachsen die Zweifel, ob die Spiele überhaupt stattfinden können. Die Bundesliga ist vorerst abgeblasen, die Fußball-Europameisterschaft gerade um ein Jahr verschoben worden.

Es geht um Sport, aber es geht auch um jede Menge Geld, denn Olympia, das ist auch ein großes TV-Ereignis. Vor fünf Jahren hatte der amerikanische Konzern Discovery alle Fernsehrechte für Olympia erworben, für die Winter- und Sommerspiele zwischen 2018 und 2024. Rund 1,3 Milliarden Euro hatte das Medienunternehmen, zu dem auch Eurosport gehört, dafür bezahlt. Und nun?

"Wir setzen unsere operativen Vorbereitungen fort und folgen den Leitlinien des IOC", sagt Gunnar Wiedenfels der Süddeutschen Zeitung. Der ehemalige Topmanager von Pro Sieben Sat 1 ist seit 2017 Finanzvorstand und damit hinter Konzernchef David Zaslav der wichtigste Mann bei Discovery. Ein großes wirtschaftliches Risiko sieht er durch die Unsicherheiten bei der Olympiaplanung derzeit nicht: "Da wir für alle Fälle abgesichert sind, erwarte ich keinen substanziellen Schaden für Discovery bei jeglichen Entscheidungen im Hinblick auf die Olympischen Spiele in Tokio." Offenbar haben die Amerikaner für den Fall einer Absage oder einer Verschiebung einen Versicherungsschutz.

In Deutschland wurden die Fernsehrechte teilweise an die öffentlich-rechtlichen Sender ARD und ZDF sublizenziert. Für das Rechtepaket, das die Übertragung der Olympischen Winter- und Sommerspiele in Fernsehen, Internet und Radio von 2018 bis 2024 umfasst, zahlen ARD und ZDF laut dem Nachrichtendienst epd 221 Millionen Euro. Geplant ist bisher, dass die Wettkämpfe dort und bei Discovery-Sendern wie Eurosport zu sehen sind. Im Fall einer Verschiebung oder Absage müssten zwangsläufig auch die Öffentlich-Rechtlichen umplanen. Damit sind sie derzeit ohnehin sehr beschäftigt, weil zahlreiche Sportsendungen ausfallen und zusätzliche Informationssendungen ins Programm kommen. Auch bei Spielfilmen und Serien könnten die Sender über kurz oder lang in Nöte kommen - schließlich gilt gerade für viele Drehs ein Produktionsstopp. Die wackelige Olympia-Planung ist da nur eine von vielen Baustellen.

Man sitze derzeit erst einmal an den Plänen für die nächsten Wochen, heißt es von der Pressestelle, die für das Programm des Ersten zuständig ist. Erst anschließend werde man sich Gedanken über den Sommer - und damit über möglichen Olympia-Ersatz - machen. Das ZDF wiegelt direkt ab: Man wolle sich "zu dem Thema erst äußern, wenn die Olympischen Spiele in Tokio tatsächlich vom IOC verschoben oder abgesagt werden".

Das Rechtepaket von Discovery umfasst auch die Sommerspiele 2024, die in Paris stattfinden sollen. Diese gelten als attraktiver, weil es hier anders als bei Tokio keine Zeitverschiebung gibt, die Liveübertragungen aus Paris könnten Zuschauer und Werbeindustrie in Europa deshalb mehr interessieren. Discovery machte zuletzt weltweit rund elf Milliarden Dollar Umsatz und konzentriert sich auf nicht fiktionale Inhalte wie Dokus, Shows und Sport. Zusammen mit Pro Sieben Sat 1 betreiben die Amerikaner in Deutschland auch die Streamingpattform Joyn. Auch die gibt Finanzvorstand Wiedenfels ganz offensichtlich Grund zur Gelassenheit: Bisher wurde die Joyn-App etwa sieben Millionen Mal heruntergeladen. "Ein Ziel von zehn Millionen Nutzer ist zu erreichen", sagt Wiedenfels. "Und bei dieser Zahl will ich gar nicht aufhören, da geht noch mehr." Die Streaming-Plattform habe für Discovery große Priorität. Derzeit sind dort neben eigenen Inhalten auch die linearen Sender von Pro Sieben Sat 1 und der öffentlich-rechtlichen Sender zu sehen. "Es wäre toll, wenn auch die RTL-Sender bald auf unsere Plattform kommen würden. Das Kochen von Einzelsüppchen ist aus Konsumentensicht nicht zielführend", findet Wiedenfels.

Zudem zeigt Wiedenfels Interesse an weiteren Sportrechten für sein Unternehmen. Eurosport hatte bis zum vergangenen Jahr auch ausgewählte Bundesligaspiele gezeigt, die Rechte dann aber an den Streamingdienst Dazn weitergereicht. "Wir hatten bei Eurosport sehr von der Bundesliga profitiert und dadurch unsere Bekanntheit gesteigert", sagt Wiedenfels und fügt mit Blick auf die anstehende Bundesliga-TV-Rechteauktion an: "Wir schauen uns generell alle relevanten Rechte an, aber wir sind finanziell sehr diszipliniert."

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SZ vom 20.03.2020/luch
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