Süddeutsche Zeitung

"Oh hell" auf Magenta TV:Die komische Helene

Bei "Oh hell" mit Mala Emde stellt sich die Frage: Schon wieder eine Coming-of-Age-Serie über das unglamouröse Leben abseits von Instagram? Unbedingt!

Von Kathrin Müller-Lancé

"Vielleicht sollte man mal sowas machen wie Lose-Tagram", denkt sich Helene, während sie in ausgelatschten Sportschuhen und Radlerhose durch die Gegend joggt. "Wo Leute dafür belohnt werden, dass sie nicht eingeladen werden zu Panel-Diskussionen von einem indischen Regisseur, dass sie ungeile Frisuren haben, ihre Hemden im Internet bestellen und so. Für all diese uncoolen Dinge bekommt man dann Don't-Likes." Sie kommt gerade von einem ernüchternden Erstkontakt mit dem Freund ihrer besten Freundin, die beide, Stichwort "Achtsamkeit", auf Social Media ziemlich erfolgreich sind.

Braucht es noch eine Coming-of-Age-Serie, die zeigt, dass das Leben in echt gar nicht so hochglänzend ist wie auf Instagram? Nach acht Folgen Oh hell muss man sagen: unbedingt. Denn auch wenn die Grundidee spätestens seit Fleabag und Girls nicht wahnsinnig neu ist (junge Frau ist irgendwie anders als die anderen), ist diese Serie sehr gut gemacht und ziemlich komisch.

"Ich gehe dann wieder in die Schule, wenn meine Eltern wieder miteinander schlafen"

Das hat vermutlich auch damit zu tun, dass das Drehbuch von Johannes Boss stammt, der unter anderem beim Fremdschäm-Klassiker Jerks mitschreibt. Wie in Jerks gibt es auch in Oh Hell etliche Szenen, bei denen man weder hin- noch wegschauen kann. Zum Beispiel, als ein Rückblick die Teenager-Helene zusammen mit ihren Eltern beim Therapeuten zeigt. Das Problem: Helene, Spitzname Hell, schreibt sich ständig selbst kreative Entschuldigungen, um nicht am Unterricht teilnehmen zu müssen. "Ich gehe dann wieder in die Schule, wenn meine Eltern wieder miteinander schlafen, das habe ich Ihnen auch schriftlich mitgeteilt", sagt die junge Helene, die sich so unbedingt ein Geschwisterchen wünscht. "Ich verlange, dass die beiden Geschlechtsverkehr haben. Richtig saftigen Geschlechtsverkehr. Mit dem Penis in der Scheide."

Helene (Mala Emde), das macht die Serie vielleicht etwas sehr bemüht deutlich, weicht ab vom Mainstream. Sie trägt rote Fell-Clogs und ein Döner-Kebap-T-Shirt und schockiert ihr engstes Umfeld entweder mit radikaler Ehrlichkeit oder ebenso radikalen Lügen. Ihr Vater denkt seit Jahren, sie studiere Jura, in Wahrheit verkauft sie in einem Callcenter Pflanzen für "Gartentraum24".

Besonders schön wird es, wenn Helene auf Maike (Salka Weber) trifft, ihre beste Freundin und Feindin in Personalunion. Maike ist Influencerin und macht irgendwas mit Social-Start-ups ("Immer wenn du was über die App zu essen bestellst, ne Bowl zum Beispiel, sorgst du dafür, dass sich jemand in unterprivilegierten Ländern auch was gönnen darf, frisches Wasser zum Beispiel"), wohnt in einem schicken Neubau und hat den bereits erwähnten Freund, der Jason heißt. Das ganze Ungleichgewicht zwischen Maike und Helene wird deutlich, als sie zusammen ins Schwimmbad gehen. Helene in einem ausgeleierten Badeanzug, Maike mit Schwimmbrille und -kappe. "Ich schwimm toter Mann, und du Brust neben mir", sagt Maike irgendwann zu Helene, die ihr mit ihrem schiefen Beinschlag kaum hinterherkommt.

Damit das Ganze nicht zu schnell auserzählt ist, kommt bald noch ein Love Interest mit ins Spiel. Nachdem Helene Maike erzählt hat, sie habe einen neuen Freund, Musiker ("der bringt eine ganz neue Seite von mir zum Klingen"), muss sie liefern. Sie ruft die Nummer eines Cello-Lehrers (Edin Hasanovic) an, nimmt eine Stunde Unterricht und überredet ihn, sich bei einem Abendessen mit Maike und Jason als ihr Freund auszugeben. Dass es dabei nicht bleibt, liegt auf der Hand.

Oh hell besticht weniger durch eine dramaturgisch besonders ausgefeilte Handlung, sondern vor allem durch sehr viele sehr lustige Szenen. Mala Emde, seit dem Antifa-Drama "Und morgen die ganze Welt" als großer Nachwuchsstar des deutschen Kinos gehandelt, spielt ihre Rolle wunderbar, mit viel Energie und präzisem Gespür für Pointen. Die halbstündigen Folgen lassen sich mühelos hintereinander weggucken - und man merkt ihnen an, dass sie in der Produktion wahrscheinlich genauso viel Spaß gemacht haben wie beim Zuschauen.

Oh hell, auf Magenta TV

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