Offshore-Leaks:Gefährliche Lust auf die Festplatte

Lesezeit: 2 min

Journalisten sind keine Hilfsorgane von Staatsanwaltschaft und Steuerfahndung. Deswegen wird die "Süddeutschen Zeitung" das Offshore-Leaks-Material nicht an die Behörden weitergeben.

Ein Kommentar von Heribert Prantl

Sollen die internationalen Zeitungen ein gewaltiges Datenpaket schnüren und dann in einer Pressekonferenz das Offshore-Leaks-Material den Finanzministern überreichen? Solche Forderungen hört man jetzt aus der Politik. Wäre das nicht ein Coup, ein Schlag gegen die Internationale der Steuervermeider und -hinterzieher? Es wäre, vor allem, ein Streich gegen die Pressefreiheit!

Diese Pressefreiheit begann einst damit, dass die Journalisten ihre Informanten schützten. Sie trotzten der Zwangshaft, gingen lieber ins Gefängnis, als dem Staat ihre Quellen zu verraten. Das ist gut 150 Jahre her. Zeugnisverweigerungspflicht und Zeugnisverweigerungsrecht blieben das Rückgrat des Journalismus.

Als die Staatsmacht damals die Druckerpressen versiegelte, um die "Pressbengels" für Zeugnisverweigerung und Unbotmäßigkeit zu bestrafen, protestierte ein Verleger mit dem Satz: Das Versiegeln von Druckerpressen sei so verfassungswidrig wie das Versiegeln von Backöfen. Darin steckt eine schöne Erkenntnis: Ein guter Journalismus bäckt das tägliche Brot der Demokratie. Er beliefert damit einen jeden, der das will - auch die Behörden, auch die Polizei, die Staatsanwaltschaft, Finanzverwaltung und die Steuerfahndung. Aber er bäckt das Brot nicht mit diesen Behörden zusammen, und er liefert ihnen auch nicht die Rezepte und die Ingredienzien.

Behörden können ihren Nutzen aus dem veröffentlichten Material ziehen wie jeder andere auch; aber Behörden haben kein Recht auf Sonder-, Extra- und Geheimlieferung. Würden staatliche Ermittlungen auf noch nicht veröffentlichtem, aber weitergegebenem Material beruhen, das Journalisten den Behörden offeriert haben - dann könnte darüber nicht mehr unbefangen berichtet und kommentiert werden.

Die Presse als vierte Gewalt? Das ist übertrieben

In eigener Sache
:Warum die SZ die Offshore-Daten nicht dem Staat geben wird

Finanzminister Wolfgang Schäuble bat über einen Sprecher die "Süddeutsche Zeitung", die Daten des Offshore-Leaks den zuständigen Behörden zu übergeben. Dieser Bitte kann, darf und wird die "Süddeutsche Zeitung" nicht nachkommen.

Die Medien sind nicht die Hilfsorgane von Staatsanwaltschaft und Steuerfahndung, Journalisten keine Hilfspolizisten. Es gibt schon genügend Skandale mit V-Leuten, als dass auch noch Journalisten sich als V-Leute gerieren sollten. Das wäre ein Glaubwürdigkeits-GAU. Die Presse wird bisweilen als vierte Gewalt bezeichnet; das ist übertrieben. Aber wenn man bei dieser Terminologie bleiben will: Es gilt dann auch hier die Gewaltenteilung.

Forderungen, das Offshore-Leaks-Material, das die Süddeutsche Zeitung zusammen mit anderen Medien auswertet, an die Steuerbehörden weiterzugeben, sind daher gefährliche Forderungen. Eine solche Weitergabe wäre kein Plus, sondern ein Minus für Demokratie und Rechtsstaat. Ein Journalismus, der Informantenschutz und Redaktionsgeheimnis lockert, schadet erstens sich selbst, weil er dann künftig keine Informationen mehr kriegt. Und damit schadet er zweitens der Demokratie.

Die Staatsgewalten haben ganz andere Mittel und Möglichkeiten als die Presse, um gegen Steuervermeidung, Steuerflucht und Steuerbetrug vorzugehen. Die Staatsgewalten haben ganz andere Mittel und Möglichkeiten, Geldströme zu kontrollieren. Sie müssen nur wollen, sie müssen es nur tun. Sie müssen damit beginnen.

© SZ vom 08.04.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: