Süddeutsche Zeitung

Offener Brief internationaler Medien:Appell an Biden

Zwölf Jahre nach der Veröffentlichung von US-Botschaftsdepeschen fordern fünf internationale Medien ein Ende der Strafverfolgung von Wikileaks-Gründer Julian Assange.

Von Moritz Baumstieger

Das Veröffentlichen von Nachrichten ist kein Verbrechen. Mit diesen Worten beginnt und endet ein Appell, den die Chefredaktionen und Herausgeber fünf international führender Zeitungen und Magazine an die US-Regierung richten: Zwölf Jahre nach den Enthüllungen von "Cablegate" sei es an der Zeit, dass Washington seine Verfolgung des Wikileaks-Gründers Julian Assange beendeten, schreiben die leitenden Mitarbeiter der New York Times und des Guardian, von Le Monde, Spiegel und El Pais in einem offenen Brief.

Assanges Plattform Wikileaks geriet spätestens seit der Veröffentlichung von Videos 2010 in das Visier der US-Behörden, die Kriegsverbrechen von US-Soldaten im Irak dokumentierten. Sie hatte den genannten Medien ebenfalls im Jahr 2010 Zugang zu einem Paket von mehr als 250 000 internen Berichten und Lagebeurteilungen von US-Botschaften rund um den Globus gewährt. Ende November begannen die Zeitungen und Magazine mit der Veröffentlichung von Artikelserien, die "Korruption, diplomatische Skandale und Agenten-Affären aufdeckten", wie es der offene Brief beschreibt. Die waren wie die Videos aus dem Irak von der Whistleblowerin Chelsea Manning durchgestochen worden. Assange wurde vorgeworfen, Manning beim Hacken von US-Servern geholfen und durch die Publikation das Leben von US-Informanten in Gefahr gebracht zu haben. Während Manning von der US-Justiz erst verurteilt, dann aber von Barack Obama begnadigt wurde, dauert die juristische Verfolgung von Julian Assange bis heute an.

Seit 2019 kämpfen Assange und seine Unterstützer gegen eine Auslieferung

Die ursprüngliche Position der Obama-Regierung, die auf eine Anklage verzichtete, weil sie dann auch die Redakteurinnen und Redakteure der publizierenden Medien hätte zur Rechenschaft ziehen müssen, wurde von der Trump-Administration revidiert. Assange wurde nun unter Berufung auf den "Espionage Act" von 1917 angeklagt, der eigentlich gegen feindliche Agenten gerichtet war. Es drohen 175 Jahre Haft. Assange konnte sich zunächst einer Verhaftung entziehen, indem er jahrelang Asyl in der ecuadorianischen Botschaft in London fand. Im April 2019 schließlich wurde er festgenommen. Seither kämpfen der heute 51-Jährige und seine Unterstützer gegen eine Überstellung an die USA und die Fortsetzung der Auslieferungshaft. Nach mehreren Verhandlungen vor Gericht muss letztlich die britische Regierung über die Abschiebung entscheiden.

Die fünf den offenen Brief unterzeichnenden Medien fordern nun, dass eine Auslieferung gar nicht mehr nötig wäre. Die USA sollten die Anklage fallen lassen. Sie setze "einen gefährlichen Präzedenzfall", der "die Pressefreiheit zu untergraben" drohe. Regierungen für ihre Taten verantwortlich zu machen, sei eine "zentrale Mission einer freien Presse in einer Demokratie". Die würde geschwächt, wenn journalistische Arbeit kriminalisiert wird.

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