Österreich:Zu nah an den politisch Mächtigen?

Österreich: Rainer Nowak, Chefredakteur der "Presse", entschuldigt sich mittlerweile für die Nachrichten, die "peinlich und blöde" gewesen sein.

Rainer Nowak, Chefredakteur der "Presse", entschuldigt sich mittlerweile für die Nachrichten, die "peinlich und blöde" gewesen sein.

(Foto: imago/Eibner Europa)

In Wien lassen zwei führende Journalisten ihre Jobs ruhen, weil sie die notwendige Distanz vermissen ließen.

Von Cathrin Kahlweit

Am Montag hat es in Österreich - wo Rücktritte als Zeichen der Übernahme von Verantwortung keine große Tradition haben -, gleich zwei Rücktritte gegeben, die naturgemäß nicht so heißen dürfen und vorerst auch nur zeitlich befristet sind. Rainer Nowak, Chefredakteur und Co-Geschäftsführer der Zeitung Die Presse, hat seine Positionen am Montagmorgen freiwillig und bis zur Klärung allfälliger Vorwürfe ruhend gestellt - und ist damit einer für den Nachmittag angesetzten Redakteursversammlung zuvorgekommen. Die Styria Media Group AG, die Nowak noch am Wochenende das Vertrauen ausgesprochen hatte, will sein Verhalten nun "intern untersuchen". Ebenfalls am Montag hatte sich im ORF TV-Chefredakteur Matthias Schrom überraschend in den Urlaub verabschiedet. In seinem Fall soll, so ORF-Intendant Roland Weißmann, nun ein Ethikrat die Vorwürfe untersuchen.

Beide Männer waren wegen mangelnder Abgrenzung zu den politisch Mächtigen, auf Österreichisch verniedlichend "Verhaberung" genannt, massiv unter Druck geraten. Denn die Auswertung von Chats durch die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA), die in einem weitverzweigten Korruptionsverfahren Vorwürfe gegen Mitglieder der früheren, schwarz-blauen Koalition aufzuklären versucht, hatte SMS-Unterhaltungen zwischen Journalisten und Politikern an die Oberfläche gespült, die private Treffen und Feiern, Verabredungen über das Wording von Artikeln und Hilfe beim persönlichen Fortkommen nahelegen. So gratulierte Nowak dem Intimus von Ex-Kanzler Sebastian Kurz, Thomas Schmid, zum Vorstandsposten bei der Staatsholding Öbag und schrieb dann: "Jetzt musst du mir bitte beim ORF helfen." Antwort: "Unbedingt." Es war damals bekannt, dass Nowak ORF-Generaldirektor werden wollte.

Inhaltlich habe er dem Druck der ÖVP nie nachgegeben, sagt Nowak

Schon früher war die Nähe des Journalisten, der zugleich Herausgeber der Presse ist, zur ÖVP öffentlich geworden; die WKStA hatte nach einer anonymen Anzeige unter anderem ermittelt, weil sich Nowak für die Karriere seiner Partnerin stark gemacht haben soll, was sich nicht erhärten ließ. Das investigative Magazin Dossier widmete Nowak unlängst einen Artikel unter dem Titel "Der Grenzgänger" und bezweifelte seine journalistische Unabhängigkeit. Nowak entschuldigte sich nun für die Chats, die teils "peinlich und blöde" gewesen seien. Inhaltlich habe er dem Druck der ÖVP aber nie nachgegeben.

Der Frage danach, ob er sich vor den Karren der FPÖ hatte spannen lassen, muss sich derweil Matthias Schrom, News-Chefredakteur beim Öffentlich-Rechtlichen, dem ORF stellen. Er hatte sich in einem SMS-Austausch mit dem damaligen Vizekanzler und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache gemeinsam mit diesem über den vermeintlich linkslastigen Kurs von ORF1 erregt und über Personalwünsche debattiert, die den Freiheitlichen genehm sein könnten. Schrom erklärt das jetzt damit, dass er wegen des Drucks auf den ORF im Gespräch mit der FPÖ habe bleiben wollen, er habe diesen Druck aber nie an die Redaktion weitergegeben. Der Redaktionsrat des ORF lässt dennoch wissen, man sei "entsetzt", das Verhalten Schroms sei "inakzeptabel", die Glaubwürdigkeit des Senders gefährdet. Die Aufarbeitung des "politischen Naheverhältnisses" müsse nun intern weitergehen. Auch der Streit über das von Medienministerin Susanne Raab (ÖVP) vorgelegte, neue Mediengesetz und über eine neue, dem Kanzleramt unterstellte Journalistenschule, dürfte nun noch schärfer werden.

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