In Demokratien gehört die kritische Auseinandersetzung mit Regierenden zu den journalistischen Hauptaufgaben. Nun gibt es ernste Zweifel, inwieweit das auch für die österreichische Demokratie gilt. Auslöser ist eine brisante E-Mail von Christoph Pölzl, der vor einigen Monaten von Innenminister Herbert Kickl als "Ressortsprecher" vorgestellt wurde. In der Mail an die Landespolizeidirektionen legt Pölzl unter dem Punkt "kritische Medien" der Polizei nahe, einzelne Zeitungen künftig bei der Versorgung mit Informationen zu benachteiligen. Namentlich nennt er die Wiener Blätter Standard , Kurier und Falter.
Von diesen gebe es eine "einseitige und negative Berichterstattung" über das Ministerium und die Polizei, schreibt Pölzl in der vertraulichen Mail, die der SZ vorliegt, und die er recht freundschaftlich mit "Lg Christoph" unterschrieben hat. Er "erlaube" der Polizei "vorzuschlagen, die Kommunikation mit diesen Medien auf das nötigste (rechtlich vorgesehene) Maß zu beschränken". Man solle den Journalisten dieser Zeitungen "nicht noch Zuckerln wie beispielsweise Exklusivbegleitungen ermöglichen", schreibt Pölzl in der Mail, die wenige Tage nach dem Versand dem Standard und dem Kurier zugespielt wurde.
Jede Einschränkung der Pressefreiheit sei nicht akzeptabel, teilt Kanzler Kurz mit
Die Empörung ist groß, zumal Innenminister Kickl von der radikal rechten FPÖ kürzlich investigativen Journalisten unverblümt gedroht hatte. Pölzls Mail dokumentiere den "sehr problematischen Umgang" von Kickls Ressort mit der Pressefreiheit, sagte Rainer Schüller, Vize-Chefredakteur des Standard. Inzwischen bemüht sich das Regierungslager um Schadensbegrenzung: Ein anderer, schon vor Kickls Amtsantritt tätiger Ministeriumssprecher sagte der SZ, Pölzls Formulierungen seien eine "Einzelmeinung", und räumte ein, dass manche Passagen der Mail "unglücklich formuliert" seien. Das Innenministerium benachteilige keine Journalisten, "und dabei bleibt es auch". Aus New York meldete sich Kanzler Sebastian Kurz, der mit seiner konservativen ÖVP mit der FPÖ koaliert: "Jede Einschränkung von Pressefreiheit ist nicht akzeptabel." Bleibt nun abzuwarten, ob er es bei mahnenden Worten belässt.