Öffentlich-rechtliches Fernsehen:Was ARD und ZDF mit den gesparten Olympia-Ressourcen machen müssen

Rio 2016 - TV-Kameramann beim Bogenschießen

Ein Kameramann bei den diesjährigen Olympischen Spielen in Rio.

(Foto: dpa)

Wenn die Sender beweisen, dass sie auch ohne Olympia sehenswert sind, werden sich die Lizenzhändler umgucken.

Kommentar von Hans Hoff

Viele tun nun so, als seien sie todtraurig, weil die Verhandlungen zwischen dem US-Medienkonzern Discovery und den öffentlich-rechtlichen Sendern in Deutschland gescheitert sind und weil die Olympischen Spiele demnächst nur noch bei Eurosport zu sehen sein werden. Dabei kann das durchaus als positives Signal verstanden werden, als unmissverständliche Botschaft an jene skrupellosen Verwerter, die aus dem im Fernsehen präsentierten Sport über die Jahre eine Unterabteilung der Unterhaltungsindustrie gemacht haben. Die bei den Erlösen an unendliches Wachstum glaubten. Damit ist nun erst einmal Schluss.

Das dem olympischen Gedanken gewidmete Motto "schneller, höher, weiter" galt zuletzt doch ohnehin nur noch für die Rasanz, mit der sich die Lizenzgebühren in atemberaubende Höhen schraubten und Signale fehlten, dass diese Entwicklung irgendwann mal eine umgekehrte Richtung nehmen könnte. Dazu kamen die vielen Meldungen vom Doping, die sich immer schwerer als Einzelfälle abtun ließen.

Für ARD und ZDF sieht das Scheitern der Verhandlungen auf den ersten Blick natürlich aus wie eine Niederlage, weil es eine Zäsur bedeutet: den Abschied von einem Automatismus. Man hat das alles immer so gemacht. Jetzt ist dieses immer vorbei. Die öffentlich-rechtlichen Sender müssen nun von der Seite zusehen, müssen sich überlegen, was sie mit den freiwerdenden Geldern tun, wie sie jene sinnvoll beschäftigen, die sie für Großereignisse dieser Art normalerweise vorhalten.

ARD und ZDF können auch weiter über Probleme hinter den Kulissen berichten

Wirklich traurig ist das Aus letztlich nur für wenige Sportenthusiasten bei ARD und ZDF, die ihren Olympia-Einsätzen entgegenfieberten, die sich ihren Enthusiasmus auch von Doping- und Korruptionsmeldungen nicht kleinmachen ließen, die vielleicht aber auch schon Schmerzen im Gesicht verspürten, weil sie immer häufiger ein Auge zudrücken mussten, wenn wieder mal ein Skandal offenbar wurde.

Natürlich werden nun jene kommen, die behaupten, dass ARD und ZDF ja auch sehr viel über die Hintergründe berichtet hätten, dass es Männer wie der wackere Hajo Seppelt waren, die den Doping-Skandalen auf die Spur kamen. Das ist richtig. Richtig ist aber auch, dass ARD und ZDF weiter über Probleme hinter den Kulissen berichten können, berichten müssen. Das ist der Auftrag des öffentlich-rechtlichen Fernsehens. Und vielleicht gelingt die Erfüllung dieses Auftrags noch ein Stückchen besser, wenn man nicht abgelenkt ist, weil man nebenbei noch die Übertragung stemmen muss.

Wer nun fürchtet, dass die Übertragungen bei Eurosport nicht von der gleichen Qualität sein werden wie das, was bisher ARD und ZDF boten, dem möchte man einerseits recht geben und ihn andererseits beruhigen. Natürlich tut sich ein privater Sender schwer, allzu kritisch mit dem umzugehen, was er teuer eingekauft hat. Man sieht das jedes Jahr bei den Übertragungen der Tour de France, wo sich die Eurosport-Kommentatoren das Wörtchen Doping förmlich unter Schmerzen von den Lippen pulen müssen. Wo zumindest im Subtext stets eine gewisse "Jetzt muss aber auch mal gut sein"-Stimmung herrscht. Andererseits ist auch nicht alles Gold, was bei ARD und ZDF glänzen soll. Viel zu viel der Sendezeit wurde bestritten mit dusseligen "Wie fühlt sich das an?"-Fragen.

Eurosport wird viel dafür tun, die Standards von ARD und ZDF zu halten

Man darf davon ausgehen, dass Eurosport zumindest in den ersten Jahren viel dafür tun wird, den von den Öffentlich-Rechtlichen gesetzten Standards gerecht zu werden. Schließlich muss im Dienste der Refinanzierung durch Werbegelder ein breites Publikum erobert werden, das in seiner Mehrzahl nicht zwangsläufig Eurosport auf eine der ersten neun Tasten der Fernbedienung gelegt hat. Berichte über nachlässige Reporter oder unkritische Kommentatoren bei Eurosport könnten diejenigen schnell davon abhalten, den zum Auffinden notwendigen Sendersuchlauf zu betätigen.

Vor allem aber ist die neue Situation eine Chance für ARD und ZDF. Beide Sender stehen nun in der Schusslinie, denn sie müssen zeigen, dass sie Profis genug sind, mit der neuen Situation zurechtzukommen. Sie müssen das vorhandene Personal sinnvoll anderweitig einsetzen, müssen den Sportbereich möglicherweise in die Überlegungen für den ohnehin geplanten Stellenabbau miteinbeziehen.

Sie müssen zudem Ersatzprogramm für all die vielen Olympiastunden herstellen. Sie müssen beweisen, dass sie auch ohne Olympische Spiele sehenswert sind. Schaffen sie das nicht, stellen sie sich rasch das Zeugnis der eigenen Überflüssigkeit aus und geben all jenen Kritikern recht, die nur zu gerne von Zwangsgebühr und ähnlichen Kampfbegriffen schwafeln.

Fehlt der attraktive Sport, finden möglicherweise junge Menschen nicht mehr die Tasten für ARD und ZDF

Die Aufgabe, den Sender auch ohne Sport auf Kurs zu halten, erzeugt zwangsläufig Ängste bei vielen Quotenanbetern, denn immer noch herrscht auf den Vorstandsebenen der Sender der irrige Gedanke, dass man mit attraktivem Sport die Zuschauer ranholt, um sie dann mit dem Restprogramm zu beglücken. Fehlt der attraktive Sport, finden möglicherweise vor allem junge Menschen nicht mehr die Tasten für ARD und ZDF. Schon jetzt ist absehbar, dass die Quoten in Olympiajahren nach unten gehen werden. Damit müssen sie leben lernen, die ängstlichen Hierarchen in den Sendern.

Wichtiger aber erscheint ein weiteres Signal, welches von der aktuellen Entwicklung ausgeht. Schaffen ARD und ZDF es, ihr Programm qualitativ so aufzuhübschen, dass es eine attraktive Alternative zur Olympia-Berichterstattung darstellt, dann müssen möglicherweise auch die Fußball-Rechtehändler umdenken. Sie dürften sich dann mit der Frage konfrontiert sehen, wie das Programm von ARD und ZDF ohne Sportschau oder Das aktuelle Sportstudio aussähe.

Noch ist solch eine Frage quasi unstellbar, steht die Pflicht zur Fußballberichterstattung bei ARD und ZDF doch im Grundgesetz der deutschen Fernsehnation. Dass dieses nicht unbedingt für immer so bleiben muss, zeigt die aktuelle Entwicklung. Vor nicht allzu langer Zeit waren auch ARD und ZDF ohne Olympische Spiele undenkbar.

Wie titelte Herbert Grönemeyer 2006 so schön doppeldeutig zur Fußball-WM? Zeit, dass sich was dreht.

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