Öffentlich-rechtlicher Rundfunk:Wie man die Medienpolitik repariert

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Eine unabhängige Streaming-Plattform? Eine dritte Säule neben öffentlich-rechtlichem und privatem Rundfunk? Eine Fachtagung sucht nach Lösungen.

Von Claudia Tieschky

"Medienpolitik ist Demokratiepolitik" - der Satz leuchtet schnell ein in einer Lage, in der Trollfabriken Wahlen lenken wollen, es jede Menge Raum für Fake News und Hetze gibt, Umsätze zu globalen Webkonzernen abfließen. Ellen Überschär, Vorständin der Heinrich Böll Stiftung, begann die Berliner Tagung "Zukunft der Medienpolitik" am Montag mit diesem Satz von Medienpolitik und Demokratiepolitik. Nur: Was tun, wenn die Medienpolitik kaputt ist?

Genau diesen Befund stellte nämlich sinngemäß Lutz Hachmeister seinem Vortrag voran. "Natürlich" habe die Medienpolitik in jetziger Form "keine Zukunft, sie hat ja nicht mal eine Gegenwart". Der Journalist und Kommunikationswissenschaftler ist ein Impresario in der Branche, ein kenntnisreicher Provokateur. Bei dem von ihm gegründeten und bis voriges Jahr geleiteten Institut für Medien- und Kommunikationspolitik arbeitet eine "Strategiegruppe neue Medienpolitik" an Vorschlägen für Erneuerung. Hachmeister nutzte seinen Auftritt für ein paar Zuspitzungen.

Nein, ein Nischenthema sei sie wirklich nicht, die Medienpolitik. Jeder rede schließlich über die Themen, die dort verhandelt würden. Aber sie sei "kleinteilig, unkenntlich, nach außen überhaupt nicht zu verstehen", und das mit voller Absicht. Das liege an denen, die Medienpolitik machen: "Man bedient sich einer medienrechtlich verfestigten Fachsprache, die die Bevölkerung nicht verstehen soll, um es auch klar zu sagen, das ist bewusst so gesetzt, damit nicht so viele Leute mitreden können". Das alles geschehe in Zeiten, in denen das Iphone neues Zentralmedium sei und Netflix wohl bald den Umsatz von Bertelsmann überflügeln werde.

Die "Dritte Säule" soll Kreativen und Produzenten vorbehalten sein. Etat: 400 Millionen Euro

Die Arbeitsgruppe schlägt unter anderem eine "Dritte Säule" neben öffentlich-rechtlichen und privaten Sendern vor. Demokratierelevante, also quasi öffentlich-rechtliche Inhalte solle es dort geben, die nicht von den Sendern abhängen, sondern von Produzenten und Kreativen. Dafür könne ein Etat von 400 Millionen Euro aufgebracht werden, aus Rundfunkabgabe, einer Werbeabgabe der Privatsender sowie einer künftiger Besteuerung der Onlinekonzerne. Ausgespielt werden könnten die Produktionen über eine europäische Mediathek oder gemeinnützige Web-Portale.

Solche Plattformen, die unabhängig vom Geschäftsmodell und der Infrastruktur der US-Konzerne einen Raum für öffentlichen Diskurs und Information bieten würden, scheinen das neue große Ding zu sein. Und ein Ausweg aus dem Dilemma, dass Öffentlich-Rechtliche und ihr Auftrag so schwer zu reformieren sind - aber ein zeitgemäßer Ort für demokratische Öffentlichkeit nicht von selber kommt.

Die Idee von so einer Plattform, das wurde in Berlin klar, ist im Detail noch ebenso wenig greifbar wie Hachmeisters "Dritte Säule". Eine Auswahl der ungeklärten Fragen, die diskutiert wurden - unter anderem mit RBB-Chefin Patricia Schlesinger, Grünen-Medienpolitikerin Tabea Rößner, den Wissenschaftlern Barbara Thomaß (Bochum) und Josef Trappel (Salzburg) und Zurufen des Soziologen Volker Grassmuck. Wer könnte Betreiber einer solche Plattform sein? Wäre sie für alle offen? Welche Rolle käme der Europäischen Union beim Aufbau zu? Passen Modelle wie das, für das der BR-Intendant Ulrich Wilhelm lobbyiert, und eines wie das Projekt "European Public Space" zusammen?

Für die Öffentlich-Rechtlichen könnte so eine Plattform wohl das Problem der digitalen Ausspielwege lösen, das sie momentan überfordert. Patricia Schlesinger sagte, es sei "höchste Zeit", sich dem Plattform-Thema zu widmen. Erste Schätzungen zu Kosten für die technische Infrastruktur nannte sie auch: Die Anschubfinanzierung läge demnach wohl im zweistelligen Milliardenbereich.

© SZ vom 22.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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