Öffentlich-rechtlicher Rundfunk:Welchen Rundfunk will die Gesellschaft?

Demonstration gegen Rundfunkgebühren

Regulierung und Gesetze für die Öffentlich-Rechtlichen brauchen mehr Beteiligung der Bürger - nur so lässt sich Akzeptanz für die Sender erreichen.

(Foto: dpa)
  • Rundfunkstaatsverträge können künftig nicht mehr allein von Medienpolitikerinnen und Medienpolitikern verhandelt werden.
  • Wie die Debatte in der Schweiz zeigte, kann und muss die Öffentlichkeit daran beteiligt sein. Auf nachvollziehbaren Informationsplattformen könnte mehr Diskurs geschaffen werden.
  • Eine grundsätzlich gesellschaftliche Debatte könnte beginnen, wenn die Präambel des Rundfunkstaatsvertrages überarbeitet werden würde.

Gastbeitrag von Frauke Gerlach

Die Zeiten, in denen in Deutschland Rundfunkstaatsverträge in aller Regelmäßigkeit und fast ohne öffentliche Debatte geändert werden, sind vorbei. Medienpolitik ist nicht mehr allein die Sache eines kleinen Kreises von Medienpolitikerinnen und Medienpolitikern in den Ländern, von Interessenvertretern, Verbänden und Rundfunkrechtlern. Der Volksentscheid in der Schweiz über die Forderung der "No Billag"-Initiative hat gezeigt, dass man Bürgerinnen und Bürger mobilisieren kann, wenn es um die Existenzfragen eines öffentlich finanzierten Mediensystems geht. In der Schweiz hat sich eine deutliche Mehrheit von 71,6 Prozent für einen gebührenfinanzierten Rundfunk ausgesprochen. Und hierzulande?

Kritische Nutzerinnen und Nutzer, beitragsmüde Fernsehzuschauer und die Forderung nach der Abschaffung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, für die sich die AfD als populistisches Sprachrohr aufstellt, treffen auf eine politische Entscheidungskultur der Rundfunkkommission der Länder, die für eine so komplexe gesellschaftliche Ausgangslage wie derzeit nicht geeignet erscheint. Gleichzeitig geht es bei der aktuellen Arbeit an einer Strukturreform für ARD, ZDF und Deutschlandradio um nicht weniger als die grundsätzliche Frage, wie der öffentlich-rechtliche Rundfunk im digitalen Zeitalter aussehen und wie er finanziell ausgestattet werden soll.

Will man auch in Zukunft eine große Akzeptanz für das System sichern, ist es sinnvoll, solche Grundsatzfragen auf breiter gesellschaftlicher Basis zu klären. Wenn am Ende nur der Zeitungsverlegerverband BDZV, die Privatsendervereinigung VPRT oder andere Interessenverbände mit der Strukturreform zufrieden sind, reicht dies heute bei weitem nicht mehr aus.

Es geht um die Zukunft eines Mediensystems, das ein wichtiger Bestandteil für gesellschaftliche Willensbildungsprozesse in Deutschland ist. Die Ausrichtung und Zielsetzungen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks für das digitale Zeitalter sollte also nachvollziehbar und verständlich sein - bei aller Komplexität der Medienregulierung. Diese Komplexität reduziert sich in der Öffentlichkeit allzu leicht auf die Höhe des Rundfunkbeitrags, was die anstehenden wichtigen Fragestellungen in unzulässiger Weise verkürzt.

Frauke Gerlach

Frauke Gerlach, 54, ist seit 2014 Direktorin des Grimme-Instituts. Sie promovierte über "Moderne Staatlichkeit in Zeiten des Internets". Von 1998 bis 2014 war Gerlach Justiziarin der Landtagsfraktion der Grünen in NRW.

(Foto: Caroline Seidel/dpa)

Die Fachdebatte dreht sich währenddessen um die schwierige Ausgestaltung des Telemedienauftrages, also um die Präsenz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks im Netz, die Verweildauer seiner Produktionen in den Mediatheken, die grundsätzlich auf sieben Tage begrenzt ist, und die Frage der Presseähnlichkeit textbasierter Angebote.

Wie steht es aber um die Bedürfnisse der Gesellschaft? Wo wird die Frage der Qualität von Angeboten diskutiert, wie ist es mit dem Zugang zu den Archiven der Sender, wer entscheidet über die Frage, wie viel Netzpräsenz gut und wann sie einzuengen ist, welche Interessen befriedigt werden und welche nicht? Was kostet es, wenn Beitragszahlerinnen und Beitragszahler alles und zwar jetzt haben wollen? Was ist rechtlich möglich und welche Hürden setzt beispielsweise das Urheberrecht, die Rechte der Kreativen?

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