TV-Serie im Ersten:Reihenhaus und Reizwäsche

Lesezeit: 2 min

Hayley Squires spielt Hailey Burrows alias Jolene Dollar - und nimmt dabei kein Blatt vor den Mund. (Foto: Endemol Shine UK/Fifty Fathoms/Tereza Červeňová)

"Nur für Erwachsene" wirft einen Blick hinter die Kulissen der Pornoindustrie.

Von Kathrin Müller-Lancé

Die erste Folge beginnt mit einem gefakten Orgasmus in der Autowaschanlage und endet mit einem Pornodarsteller, der ein Messer im Bauch stecken hat. Nur für Erwachsene wurde der Name der britischen Miniserie Adult Material ins Deutsche übersetzt, und der ist Programm. Im Zentrum der vier Folgen steht Hayley Burrows (Hayley Squires), dreifache Mutter und Pornodarstellerin, als Letztere bekannt unter dem Namen Jolene Dollar. Während sie im Schlafzimmer ein Filmchen für Social Media dreht, kann es schon mal passieren, dass die kleine Tochter anklopft mit schlechten Nachrichten: "Mama, ich glaub, ich hab schon wieder Würmer."

Irgendwann gerät Hayleys sorgsam gebautes Doppelrollenkonstrukt zwischen Reihenhaus und Reizwäsche ins Wanken. Auslöser dafür ist ein Vorfall am Set mit der Nachwuchsdarstellerin Amy (Siena Kelly). Die 19-Jährige ist neu in der Branche, Hayley fühlt sich verantwortlich für sie. So auch, als ein Regisseur Amy vorschlägt, eine Analsex-Szene zu drehen. Hayley nimmt Amy zur Seite: "Niemand ist sauer, alle verstehen, wenn du es nicht machen willst. [...] Und wenn du es wirklich machst, musst du zusehen, dass du so viel Geld bekommst wie möglich." Danach muss Hayley weg. Und erfährt hinterher: Amy hat die Szene gedreht. Und obwohl sie sich dabei verletzt hat, haben alle weitergemacht. Enttäuscht von so viel Vertrauensmissbrauch legt sich Hayley mit Porno-Produzent Carroll Quinn (Rupert Everett) und ihrer ganzen Branche an - ein Kampf, den sie kaum gewinnen kann.

Irgendwann fängt Hailey an, getragene Sportshirts und Tangas online zu verkaufen

Einer Anwältin, die ihr helfen will, erklärt Hayley die Lage einmal so: "Also, ich hab so gut wie keine Beweise, und meine Zeugen wollen nicht mit mir kooperieren. Ich hab ne neue Hypothek aufs Haus, also kann ich Sie nicht bezahlen. [...] Warum würde ich das alles auf mich nehmen, wenn ich nicht die beschissene Wahrheit sagen würde?" Hayley verliert ihren Job. Um ihre Familie weiter ernähren zu können, fängt sie irgendwann an, getragene Sportshirts ("extra stinkig") und Tangas ("24 Stunden beim letzten Dreh getragen") online zu verkaufen. Sie trinkt zu viel und trennt sich von ihrem Mann.

Newsletter abonnieren
:SZ Film-Newsletter

Interessante Neuerscheinungen aus Film, Streaming und Fernsehen - jeden Donnerstag in Ihrem Postfach. Kostenlos anmelden.

Hayley Squires spielt die Rolle des Porno-Stars, dessen Glanz immer weiter verblasst, ganz grandios. Im vergangenen Jahr hat sie dafür einen Emmy bekommen. Auch wenn Hayleys Kampf sehr nach David gegen Goliath, nach Gut gegen Böse klingt, macht es sich die Serie nicht zu einfach. Zum Glück. Selbst Ober-Porno-Boss Carroll hat eine weiche Seite, will seine Klage gegen Hayley zeitweise fallen lassen und hat ein geradezu großväterliches Verhältnis zu deren Kindern. Weder Hayley noch die junge Amy sind nur Opfer der Branche, sondern wissen ihr erotisches Kapital auch sehr gezielt einzusetzen. Die Serie wurde übrigens vorwiegend von Frauen produziert, Regie führte Dawn Shadforth (die vor allem für Musikvideos zum Beispiel von Kylie Minogue und Björk bekannt ist), das Drehbuch stammt von Lucy Kirkwood.

Adult Material lief schon vor zwei Jahren im britischen Fernsehen und wurde vielfach gelobt, jetzt hat sie das Erste nach Deutschland geholt. Der einzige Schönheitsfehler ist die übereifrige deutsche Synchronisierung, die Hayleys gehauchte Sätze sehr nach Seifenoper klingen lässt. Wer darüber hinwegsehen kann (oder in der Mediathek die Originalfassung auswählt), wird mit wirklich gutem Fernsehen belohnt.

Nur für Erwachsene , in der ARD-Mediathek

Weitere Serienempfehlungen finden Sie hier .

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

München-Dokuserie "Schickeria"
:Stadt der vergessenen Träume

München war nicht immer ein Dorf: Die vierteilige Dokuserie "Schickeria" weist über ihr leichtgewichtiges Thema hinaus.

Von Tobias Kniebe

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: