Süddeutsche Zeitung

Podcast "Radio Nowabo":Wo ist Norbert Walter-Borjans?

Der SPD-Vorsitzende hat seinen eigenen Podcast, wohl, um fresher zu wirken. Aber nach einem vielversprechenden Auftakt kommentiert er nur noch aus dem Off.

Von Jean-Marie Magro

Über ein Jahr ist die Wahl von Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans zum SPD-Vorsitzenden-Duo schon her. Seitdem fallen die beiden pandemiebedingt nur selten auf.

Während Esken in der Twitter-Blase Debatten anfachte und Kontakte mit Ashton Kutcher knüpfte, war Walter-Borjans mal im Deutschlandfunk zu hören, mal in der Tagesschau zu sehen. Walter-Borjans sollte fresher wirken, dachten sich womöglich die Mitarbeiter aus dem SPD-Newsroom und kamen auf die Idee zu einem Podcast für den launigen Rheinländer, der auch unter dem aus seinem Namen zusammengezogenen Label Nowabo firmiert.

Zwei Folgen von "Radio Nowabo" sind inzwischen erschienen. Vor allem nach der zweiten sei die Frage gestattet, wo denn eigentlich Nowabo abbleibt? In 90 Minuten liefern sich sechs Diskutierende plus Moderator eine Debatte über Staatsinvestitionen, in der man sich allerdings schnell einig war: Schuldenbremse momentan doof, Vermögens- und Finanztransaktionssteuer her, Erbschaftssteuer rauf. Aber statt Walter-Borjans moderiert Kevin Kühnert, Nowabo selbst schaltet sich hin und wieder aus dem Off zu. Immerhin wurde ihm in "seinem" Podcast das Schlusswort gelassen.

Dabei hatte dieser vielversprechend angefangen. In der ersten Folge stritt sich Walter-Borjans mit dem Präsidenten des Bunds der Steuerzahler, Reiner Holznagel, vor dessen Aussagen Sozialdemokraten normalerweise eine gedankliche Schutzmaske hochziehen. So unbeliebt und fast schon gefährlich werden die als neoliberal verschrienen Positionen im linken Lager angesehen.

Aber im Podcast kam es endlich zu einem Austausch von Argumenten, und es wurde deutlich, warum Parteilinke wie Walter-Borjans an einer Vermögenssteuer festhalten. Würde das auf Themen außerhalb von Walter-Borjans' Stammfeld, der Finanzpolitik, ausgeweitet werden, hätte die SPD mit dem Podcast einen Raum geschaffen, der bisher von keiner anderen Partei ausgefüllt wird: ein Raum für Debatten, in dem das Profil der Sozialdemokratie schärfer wird. Wie wäre es mit einer Einladung einer "Fridays for Future"-Aktivistin oder eines Priesters?

Hier also die Botschaft an den SPD-Newsroom: Weniger wirtschaftswissenschaftliches Proseminar mit Leuten, die ähnlich ticken, sondern die eigene Blase durchstechen. Und wenn der Podcast schon so heißt, dann bitte auch mehr von Nowabo.

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