Süddeutsche Zeitung

Nina Kunzendorf im "Tatort":Abschied vom Tussi-Image

Knallenge Jeans, tief ausgeschnittes Top und freche Sprüche: Als Kommissarin Conny Mey ließ Nina Kunzendorf einige Kolleginnen alt aussehen. Dabei passt die Figur eigentlich gar nicht in das Repertoire der Schauspielerin. Ein Porträt zu ihrem "Tatort"-Abschied.

Von Carolin Gasteiger

"Wenn Sie den Leuten wirklich helfen wollen, dann machen Sie doch ein Nagelstudio auf. Davon verstehen Sie wenigstens was." Sprüche wie diesen von ihrem Kollegen Frank Steier muss Conny Mey sich oft anhören. Wer aber meint, die junge Frau steckt das locker weg, irrt. Auch wenn sie den Spruch mit einem lässigen: "Arschloch" kommentiert.

Conny Mey hat nicht nur eine Vorliebe für Tops mit tiefem Ausschnitt, enge Jeans und Cowboystiefel, in denen sie mit sexy Hüftschwung durchs Polizeirevier marschiert (jawohl, marschiert!), sondern auch einen weichen Kern. Und Köpfchen. Aber das wird erst nach einigen Fällen, in denen sie schnarcht, schimpft und schon mal mit einem Informanten ins Bett geht, klar.

An ihre charmante Ruppigkeit kommt höchstens die Wienerin Bibi Fellner heran. Ermittlerinnen wie Charlotte Lindholm oder Klara Blum wirken neben Mey leider - mit Verlaub - wie eingeschlafene Füße. Und mit dem miesepetrigen Frank Steier alias Joachim Król gibt Mey alias Nina Kunzendorf ein herrlich asymetrisches Paar ab, wie es im Tatort lange nicht mehr vorkam. Das Duo begeisterte im Schnitt neun Millionen Zuschauer.

Umso trauriger, dass der Fall "Wer das Schweigen bricht" am Sonntag Kunzendorfs letzter Tatort sein wird. Aus ARD-Kreisen verlautet, die Schauspielerin soll mit ihrer Rolle unzufrieden gewesen sein. Nun steigt sie nach nur fünf Fällen als Tatort-Kommissarin aus. Zu ihren Beweggründen äußert sich Kunzendorf nicht, auch eine SZ-Anfrage bleibt unbeantwortet. Ist sie das Tussi-Image einfach leid?

In ihr Repertoire passt die Tussi Conny Mey zunächst tatsächlich nicht. Dunkle, gebrochene Frauenfiguren sind eher Kunzendorfs Sache. Wie die Web-Stripperin in Dominik Grafs Polizeiruf "Der scharlachrote Engel", die sie laut Berliner Zeitung "mit einer knappen Intensität, die dem Zuschauer ein Dauerfrösteln bescherte" spielte und für die sie den Grimmepreis erhielt. In "Marias letzte Reise" verkörperte sie an der Seite von Monica Bleibtreu eine Krankenschwester - und nahm sich dabei so zurück, dass sie anschließend zum Regisseur lief, weil sie fürchtete, todlangweilig gewesen zu sein.

Von akribischer Vorbereitung hält die 41-Jährige nicht viel. "Bei mir passiert das immer erst im Spiel", zitiert sie die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung. Auch die rigide Ethik-Offizierin im Scientology-Drama "Bis nichts mehr bleibt" oder die Polizistin in "In aller Stille", für die sie den Deutschen Fernsehpreis bekam, sind spröde, vielschichtige Figuren - und ernst.

Eigentlich kommt Kunzendorf vom Theater. In Mannheim, wo sie geboren ist, fing sie 1996 an, zwei Jahre später ging sie nach Hamburg. Dort stand sie in der Tragödie "Schlachten" auch nackt auf der Bühne und über und über voll mit Blut. Zu schade ist sie sich für wenig.

Lange Zeit hatte sie Selbstzweifel und haderte schwer damit, nicht gut genug für die Bühne zu sein. Bevor sie 2001 an die Münchner Kammerspiele ging, nahm sie sich eine Auszeit vom Job. Von daher verwundert es nicht, dass sie die Medien scheut, auch auf Roten Teppichen oder Partys nur selten auftaucht.

Vor knapp zwei Jahren dann der Tatort. Früher wurden Schauspieler erst durch diese Krimireihe groß, mittlerweile finden sich unter den Ermittlern hochkarätige Namen. So liest man auch über Kunzendorf, sie habe die Rolle der Conny Mey mitentwickelt und die Gelegenheit "genutzt, um Neues auszuprobieren", heißt es in der Stuttgarter Zeitung. Als Conny Mey kann sie endlich drauflosspielen. Auch wenn ihr das Kritik einbringt: Tatsächlich hatte sich eine echte Kommissarin bei Kunzendorf beschwert, ihre Figur wäre eine Unverschämtheit und würde sämtliche Kommissarinnen in Deutschland in den Schmutz ziehen. Aber wenn es unter Hunderten von Kommissarinnen eine wie Conny Mey gebe, würde sie genau die spielen wollen, sagte Kunzendorf in einem Interview dazu. Sie liebt eben die ausgefallenen Rollen.

Vielleicht hat sie der Erfolg ihrer Figur beim Publikum tatsächlich überrascht. Bei all dem Tatort-Engagement habe die zweifache Mutter "zu wenig an künstlerischen Ausdrucksmöglichkeiten", versucht HR-Fernsehspielchefin Liane Jessen sie zu verteidigen. Das klingt lapidar und zeugt eher von der Enttäuschung des Senders über Kunzendorfs Entscheidung. "Man kann sich keine wunderbarere, bessere Kollegin wünschen", sagte Kollege Król im Morgenmagazin. "Jetzt haben wir die Chance, hoffentlich lange Zeit zusammenzuarbeiten." Leider nicht. Den nächsten Fall wird er alleine lösen, danach will ihm der Sender wieder eine Frau an die Seite stellen. Wer, ist auch schon klar: Margarita Broich, die ebenso wie Kunzendorf Theaterschauspielerin ist.

Eine ihrer letzten gemeinsamen Szenen fasst die Beziehung der beiden großartigen Tatort-Charaktere zusammen: Conny Mey druckst herum, als sie ihrem Partner Steier eröffnet, an die Polizeischule nach Kiel zu gehen. Leicht fällt ihr das nicht, immer wieder atmet sie tief durch, spricht davon, dass man die Welt verbessern könne. Und Steier reagiert in gewohnter Holzhammer-Manier: "Wissen Sie Frau Mey, es stimmt: Wir kennen uns schon eine ganze Weile. Aber eine größere Scheiße haben Sie noch nie von sich gegeben." Und da spricht Kunzendorf es wieder aus. Leise, ergriffen, aber deutlich: "Arschloch." Wir hätten es gerne noch öfter gehört.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.1646471
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
Süddeutsche.de/mkoh
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.