Newsweek:Chaostage

Newsweek: Früher Vorbild, heute Ladenhüter: Das einst führende Nachrichtenmagazin Newsweek kämpft mit Verlusten, an Lesern wie Anzeigen, kurz: an Relevanz.

Früher Vorbild, heute Ladenhüter: Das einst führende Nachrichtenmagazin Newsweek kämpft mit Verlusten, an Lesern wie Anzeigen, kurz: an Relevanz.

(Foto: Nicholas Kamm/AFP)

Recherchen über Ungereimtheiten und eine Razzia beim "Newsweek"-Mutterkonzern kosten den Chefredakteur und weitere Mitarbeiter des traditionsreichen US-Magazins ihre Jobs.

Von Viola Schenz

Wenn Medien in eigener Sache berichten, dann ist der Anlass meistens ein schöner Erfolg (Journalistenpreis gewonnen) oder unschöner Ärger. Das amerikanische Nachrichtenmagazin Newsweek hat es gerade mit letzterer Variante zu tun. Im Januar hatte seine Reporterin Celeste Katz über finanzielle Ungereimtheiten des Mutterkonzerns Newsweek Media Group geschrieben und über eine Razzia in den Verlagsbüros, die der zuständige New Yorker Bezirksstaatsanwalt angeordnet hatte und bei der 18 Computer beschlagnahmt wurden. Ein Alleingang der Reporterin war das mitnichten: Katz' Berichte seien mit den jeweiligen Vorgesetzten in Redaktion und Verlag abgestimmt gewesen und von ihnen freigegeben worden, schreibt die New York Times. Ein eigenes Reporterteam sei aufgestellt worden, das dem Anlass für die Untersuchungen der Justiz nachgehen sollte.

Außer Bob Roe wurden Reporterin Celeste Katz und Nachrichtenchef Kenneth Li gefeuer

Doch mit der Aufklärung in eigener Sache ist bei Newsweek jetzt abrupt Schluss. Nicht nur Katz selbst wurde am Montag gefeuert, sondern auch Chefredakteur Bob Roe und Nachrichtenchef Kenneth Li. Zwei weitere Reporter haben keinen Zugang mehr zu ihren Computern und Mails. Die Presseabteilung des Verlags gibt sich in der Sache bisher bedeckt und teilt auf Anfragen lediglich mit, dass man sich zu Personalangelegenheiten nicht äußere. Die Betroffenen allerdings äußern sich durchaus und haben der New York Times, CNN oder USA Today die Entlassungen bestätigt. Der Fall schlägt in den USA hohe Wellen.

Was sich außerdem rund um Newsweek zutrug und teilweise auch im eigenen Blatt stand, klingt wie ein zu dramatisch geratener Fernsehkrimi. Demnach wurde der für die Redaktion zuständige Verlagsvorstand, der die Recherchen und Berichte der Newsweek-Reporter vom Januar gegenüber anderen Vorständen verteidigt hatte, freigestellt. Der Grund: Ihm wird sexuelle Belästigung vorgeworfen. Dann trat in derselben Woche auch der Miteigentümer und Geschäftsführer der Newsweek Media Group, Etienne Uzac, zurück; seine Ehefrau Marion Kim, die Finanzdirektorin der Firma, ging gleich mit. Aus Protest gegen die Vorgänge rechnete am Montag schließlich Matthew Cooper, ein respektierter, langgedienter Newsweek-Redakteur, mit dem verantwortlichen Verleger Dev Pragad ab. In seinem auf Twitter veröffentlichten Kündigungsschreiben wirft er Pragad "rücksichtslose Führung" vor.

Cooper spielt an auf die finanziellen und persönlichen Verstrickungen des Verlags mit einem umstrittenen evangelikalen Pastor namens David Jang und dessen "Bible College" Olivet University mit Campus in San Francisco, New York und Washington. Die private Hochschule versorgt und berät die Newsweek Media Group in den durchaus weltlichen Bereichen Computerausstattung und Design. Im Gegenzug können Olivet-Studenten Praktika bei Newsweek und der Verlagsschwester International Business Times absolvieren. Die Newsweek Media Group spricht von einem "Arbeitsverhältnis", Kritiker halten es für eine dubiose Verbindung. Genauso merkwürdig klingt, was der Anlass für die Durchsuchung im Verlag vom Januar war. Den Managern wird vorgeworfen, Klickzahlen für die Online-Ausgaben ihrer Magazine vorgetäuscht beziehungsweise gekauft zu haben, um sich eine lukrative Anzeigenkampagne im Auftrag der Regierung zu sichern. Die Untersuchung dazu läuft noch. Bei Anzeigengeschäften sind Mindestklickzahlen eine Grundlage, sie sollen den Kunden die gewünschte Aufmerksamkeit der Nutzer und Leser garantieren.

Das Chaos in Verlag und Redaktion von Newsweek steht für den langsamen Niedergang einer ganzen Reihe politischer US-Zeitschriften. Über Jahrzehnte hinweg war Newsweek neben Time und US News and World Report ein führendes Nachrichtenmagazin. In einem lebhaften Wettbewerb teilten sich die drei weltweit Ansehen und eine treue Leserschaft. Ihre politischen Reportagen, Analysen und Kommentare prägten Medienstandards, waren Anschauungsmaterial an Journalistenschulen. Das ist lange her, inzwischen kämpfen alle drei mit Verlusten - von Lesern, Anzeigen, Auflagen, Abonnements und Relevanz. Manche Time-Ausgabe ist inzwischen so dünn, dass sie fast aus dem Kioskregal rutscht, die Auflage schrumpfte in den vergangenen 20 Jahren von 4,2 Millionen (1997) auf drei Millionen (2017).

US News and World Report ist längst ein Schatten seiner selbst. Seit 2010 existiert das Magazin nur noch online, gedruckt gibt es lediglich unregelmäßige Sonderausgaben, der Inhalt beschränkt sich auf - immerhin selbstrecherchierte - Ranglisten von amerikanischen Hochschulen oder Kliniken.

Newsweek, 1933 gegründet, gehörte ein halbes Jahrhundert zur Washington Post Company. 2010 war das Blatt so defizitär, dass es für einen symbolischen Dollar an den umtriebigen Unternehmer Sidney Harman veräußert wurde, der allerdings bald darauf starb. Die Druckausgabe wurde eingestellt, und erst nachdem es die Newsweek Group (damals nannte sie sich noch IBT Media) 2013 erworben hatte, wieder aufgenommen. Doch statt der Stabilität durch die Eigner herrscht jetzt Tumult. Die gefeuerte Reporterin hat jedenfalls genug davon. "Ich werde heute Nacht gut schlafen", twitterte Celeste Katz am Montag, "und ich suche einen Job!"

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