Wie es sich anfühlt, ein Imperium zu erschüttern? Unwirklich fühlt es sich an, sagt Nick Davies. Die Folgen der Affäre sind so gewaltig, dass er sie nicht fassen kann. "Die News of the World - geschlossen. Die Übernahme des Senders Sky - geplatzt. Die Rücktritte in Serie. Das ist so riesig, dass es nicht echt wirkt." Vielleicht muss man es deswegen vereinfachen - Nick Davies, der Reporter, der den Spitzel-Skandal bei News of the World aufdeckte, sagt: "Es ist gut zu wissen, dass die guten Kerle gewonnen und die bösen Kerle verloren haben."
Er gilt als temperamentvoll, zuweilen cholerisch und ist "grundsätzlich gekleidet mit Jeans und einer trotzig unmodischen braunen Lederjacke": Nick Davies.
(Foto: AP)Die "Bösen" wurden in dieser Woche vorgeführt, alle. Selbst Rupert Murdoch, der mächtigste Medienmensch der Welt, Chef der News Corp, musste sich im britischen Parlament "grillen" lassen, wie die Engländer sagen. Davies weiß, wie es ist, dort vor dem halbrunden Tisch der Fragesteller zu sitzen und gegrillt zu werden. Vor zwei Jahren, am 14. Juli 2009, saß Davies dort selbst. Damals wollten die Politiker von ihm wissen, was ihm einfalle, in immer neuen Artikeln die News of the World anzugreifen, Murdochs Organ für sonntäglichen Krawall. Wie konnte Davies behaupten, dass das illegale Abhören von Telefonen durch das Gossenblatt viel stärker verbreitet war, als es dessen Chefs zugeben wollten?
Die Abgeordneten damals, sagt Davies, waren von Murdochs Leuten vorbereitet worden. "Sie waren bereit, uns zu töten und zu verspeisen." Davies wusste, sie würden fragen: Welche Beweise haben Sie überhaupt? Und beinahe hätte er keine Antwort gehabt.
Davies hätte damals auch verlieren können gegen Murdoch und gegen all die Polizisten, Politiker und Presseleute, die Murdoch gefügig waren. Stattdessen hat Murdoch verloren. Jetzt heißt es im Radio, Davies sei der beste Journalist Großbritanniens. Darunter geht es freilich nicht, und er ist jetzt eine Ikone, einer, der jungen Kollegen vorlebt, wie man hartnäckig und mutig recherchiert und dafür in Kauf nimmt, gefressen zu werden. Aber ist nun wieder alles gut? Symbolisiert Davies in der Woche seines größten Erfolgs, wie gut und gesund und selbstreinigend der britische Journalismus doch ist? "Nicht wirklich", sagt er in einem Telefon-Interview mit der Süddeutschen Zeitung und dem NDR.
Nick Davies, 56, stammt aus dem eher wohlhabenden Süden Englands, klingt aber dennoch nach Mittelschicht, vielleicht bewusst. "Die scharfen Ecken der poshness in seinem Akzent sind durch den Egalitarismus der 1970-er Jahre abgeschmirgelt worden", sagt ein Kollege über ihn. Nach seinem Studium in Oxford beobachtete Davies - vom jugendlichen Wunsch erfüllt, die Welt zu verbessern -, wie die Washington-Post-Reporter Bob Woodward und Carl Bernstein, nur mit Notizblock und Stiften bewaffnet, den mächtigsten Mann der Welt zu Fall brachten. Davies wurde Polizei- und später Investigativreporter beim Guardian, jenem Londoner Blatt, das sich Wächter nennt und auch einer ist.
Offenbar ist es schwierig, Davies in die routinierten Abläufe einer Redaktion einzubinden. Er gilt als temperamentvoll, zuweilen cholerisch. Er sucht gern das Weite, meist beim Reiten, was ein ungewöhnlicher Sport ist für einen, der weithin als Linker gilt. "Wann immer ich ihn brauche, sitzt er gerade auf dem Pferd", sagt ein Kollege. Einmal, mitten in einer wichtigen Recherche, ließ er die Kollegen mit den Aktenbergen allein, verschwand lieber übers Wochenende und besuchte ein Bob-Dylan-Konzert.
Die Redaktionsbüros im Norden Londons meidet Davies meist, sie sind zwar frisch durchdesigned und bieten neuerdings Chill-out-Zonen, dafür aber nur Großraumbüros und keine Türen, die einzelne Mitarbeiter mal hinter sich schließen könnten. Davies arbeitet deswegen lieber zu Hause in Lewes, nahe Brighton im Süden.