"News of the World": Belegschaft:"Noch nie mussten so viele für die Taten von wenigen bezahlen"

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Ganz in Schwarz zum letzten Arbeitstag: Mit dem Aus von "News of the World" stehen jetzt auch 280 Angestellte auf der Straße - und machen ihrem Ärger darüber Luft. Tenor der Vorwürfe: Konzernchef Murdoch habe die Belegschaft verraten - um vor allem eine Person zu retten.

Raphael Honigstein

"Der Verlust der News of the World schlägt wie eine Bombe in unser Leben ein, wie die Trennung der Beatles, der Zusammenbruch von Woolworth und das Ende der Concorde", schrieb mit boulevardeskem Pathos David Wooding, der Politikressortleiter des Blattes in einem Gastbeitrag für den Observer.

Rupert Murdoch hat die Zeitung geopfert, um vor allem eine Frau halten zu können, so die Vorwürfe der Belegschaft: "News International"-Chefin Rebekah Brooks. (Foto: dpa)

"Großbritanniens Gauner, Diebe, Betrüger und Lügner werden die News of the World nicht vermissen, aber dafür jeder, der eine große, gut erzählte Geschichte mag", meinte Wooding. Am Sonntag bekam man bereits einen Vorgeschmack auf die Zeit nach dem Ende der Krawallpostille: Obwohl der Verlag die Auflage auf fünf Millionen Exemplare verdoppelt hatte, war die 8674. und letzte Ausgabe kurz nach zehn Uhr morgens selbst in Hampstead, einem gutbürgerlichen Viertel der Hauptstadt, restlos vergriffen.

Ein Zeitungshändler bewahrte eine Kopie auf seinem Ladentisch für seine Kunden auf, "zu Ansichtszwecken", sagte er. News International will sämtliche Einnahmen wohltätigen Verbänden spenden.

"Thank You & Goodbye" hieß es schlicht auf der Titelseite, die den "traurigen, aber stolzen Abschied nach 168 Jahren" verkündete. Dem folgten 66 anzeigenlose Seiten, die nach dem unvermittelten Aus für das Blatt vorwiegend mit Rückblicken und Archiv-Montagen aufwarteten.

Journalist Mazer Mahmood, der als "falscher Scheich" Hunderte Kleinkriminelle zur Strecke brachte und Prominente entblößte, feierte noch einmal seine größten Scoops. Fußballikone Bobby Moore (Weltmeister 1966) hielt auf dem Aufmacher des stark gekürzten Sportteils noch mal die Trophäe hoch.

Eine Beilage brachte denkwürdige Titelseiten der Vergangenheit, verdeutlichte dabei aber ungewollt, wie sich der einst mondäne, von George Orwell gelesene Titel in ein Blatt verwandelte, das wegen seiner Fokussierung auf Sexskandale branchenintern als "The Screws" firmierte, frei übersetzt: die Bumszeitung.

Als großen "Schlag für den investigativen Journalismus" (Wooding) wird der Niedergang der News of the World deshalb nur vereinzelt gewertet. Chefredakteur Colin Myler entschuldigte sich im Leitartikel noch einmal für die Abhöraffäre, für "die Leiden der Opfer" und den daraus resultierenden "dunklen Schmutzfleck auf der großartigen Geschichte" der Zeitung; man sei "vom rechten Weg abgekommen".

Die Redaktion des eingestellten Blatts versteht sich aber auch selbst als Opfer. Der Murdoch-Sender Sky News berichtete am Samstagabend live von der News of the World-Totenwache im redaktionsnahen Cape Pub, wo viele der 280 nun arbeitslosen Angestellten ihrem Ärger Luft machten.

Der Tenor: Konzernchef Murdoch habe die Belegschaft verraten, um die News International-Spitzenkraft Rebekah Brooks zu retten. "Noch nie mussten so viele für die Taten von einigen wenigen bezahlen", zitierte Wooding einen Kollegen, der zum letzten Arbeitstag ganz in Schwarz erschienen war.

© SZ vom 11.07.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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