"News of the World"-Affäre:Kalt, rücksichtslos, Rebekah

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Grell, laut und bitterböse: Rebekah Brooks war die skrupelloseste unter Murdochs Zöglingen und wurde zu einer der mächtigsten Frauen Großbritanniens. Derzeit ist sie auf Kaution frei. Doch ihre Festnahme zeigt: Die Polizei ermittelt bis ganz nach oben.

Christian Zaschke

Schwer zu sagen, wer von Ruperts Murdochs junger Garde am härtesten, kältesten und rücksichtlosesten agierte. Piers Morgan? Andy Coulson? Oder doch Rebekah Brooks, die wie eine Tochter für ihn war, und die Dienstag von der Polizei zum zweiten Mal wegen der Abhöraffäre um Murdochs inzwischen eingestellte Boulevardzeitung News of the World (NotW) festgenommen wurde?

Rebekah Brokks' Karriere bei "News of the World" begann mit 20 Jahren als Sekretärin. (Foto: Getty Images)

Morgan wurde 1994 als 28-Jähriger Chef der NotW, ein Jahr später wechselte er zur Konkurrenz vom Daily Mirror, wo er neun Jahre lang wirkte. Heute arbeitet er beim amerikanischen Sender CNN. Coulson hatte 2003 als 35-Jähriger die Chefredaktion der NotW von Brooks übernommen. 2007 musste er abdanken, weil eine - wie es damals schien - kleinere Abhöraffäre das Blatt erschütterte.

Coulson wurde daraufhin Sprecher der Konservativen Partei und nach deren Wahlsieg Regierungssprecher von Premier David Cameron. Anfang 2011 musste er zurücktreten, weil sich herausgestellt hatte, dass die Abhöraffäre während seiner Zeit als Chef doch etwas größer ausgefallen war.

Sowohl Morgan als auch Coulson hatte Murdoch in jungen Jahren mit Chefposten betraut, weil sie sein Ideal des grellen, lauten, rücksichtslosen Boulevardjournalismus vorbildlich umsetzten. Aber seine Lieblingsschülerin Rebekah Brooks - sie war vielleicht doch noch diesen entscheidenden Tick greller, lauter, rücksichtsloser. Wann immer Murdoch sich mit ihr in der Öffentlichkeit zeigte, wirkte er regelrecht becirct von so viel Skrupellosigkeit.

Brooks hatte mit 20, sie hieß damals noch Wade, als Sekretärin bei NotW angefangen. Mit 31 wurde sie im Jahr 2000 Chefredakteurin. 2003 wechselte sie auf den Chefposten bei der Sun. Sie hat - gegen den Willen der Polizei - verurteilte Kinderschänder mit Bild, vollem Namen und Anschrift auf die Titelseite der NotW gesetzt, was dazu führte, dass ein wütender Mob auch Unschuldige angriff.

Sie hat den kranken Boxer Frank Bruno auf der Seite 1 als "Bekloppten Bruno" (Bonkers Bruno) schmähen lassen. Obwohl sie die nackten Mädchen auf Seite 3 der Sun persönlich nicht mochte, verteidigte sie diese in einer großen Kampagne - Murdoch zuliebe, denn der schätzte in seinen Blätter "Titten, Titten und Hintern". Die Auflage war gut. Offensichtlich trafen Brooks und Murdoch einen verbreiteten Geschmack.

Mächtigste Frau Großbritanniens

2009 wurde Brooks von den Mühen des Tagesgeschäfts erlöst. Murdoch beförderte sie zur Chefin von News International, sie stand nun seinen sämtlichen britischen Zeitungen vor. Da passte es nur zu gut ins Bild, dass sie sich von ihrem Schauspieler-Ehemann getrennt hatte, und Charlie Brooks heiratete, einen Mann, dessen Familie zur Oberklasse gehört. Unter den Hochzeitsgästen waren der damalige und der jetzige Premierminister, Gordon Brown und David Cameron.

Zwar war Murdochs Sohn James Chef des Asien- und Europa-Geschäfts des Mutterkonzerns News Corp, doch Brooks war als Chefin von News International für Murdochs Herzensangelegenheit verantwortlich: für die Zeitungen. 2009 war Rebekah Brooks dank Rupert Murdoch eine der mächtigsten Frauen Großbritanniens. Am 15. Juli 2011 nahm Murdoch ihr Rücktrittsgesuch widerstrebend an, als klar wurde, dass das Hacken von Telefonen bei NotW jahrelang weit verbreitete Praxis war. Damals wurde Brooks zum ersten Mal von der Polizei verhört. Diesmal spielte sich alles etwas dramatischer ab.

In den frühen Morgenstunden des vergangenen Dienstags waren Brooks und ihr Ehemann auf ihrem Anwesen in Oxfordshire festgenommen worden. Anschließend wurden sie mehr als zwölf Stunden lang getrennt verhört und schließlich gegen Kaution wieder auf freien Fuß gesetzt. Für Murdoch ist das aus zweierlei Gründen schmerzhaft: Erstens, wegen seiner großen persönlichen Zuneigung zu Brooks, zweitens, weil die Festnahme deutlich macht, dass die Polizei in seinem Unternehmen auf höchster Ebene ermittelt.

Es geht nicht um ein paar Reporter aus dem Mittelbau, die unverantwortlich gehandelt haben. Es geht auch und vor allem darum, inwieweit das Abhören - und das Bestechen von Amtsträgern, wegen dem die Polizei ebenfalls ermittelt - von den Entscheidungsträgern in Murdochs Firma geduldet oder gar gelenkt wurde.

Die weitergehende Frage ist: Wie weit nach oben ermittelt die Polizei? James Murdoch hat sich von seinen Aufgaben im europäischen Zeitungsgeschäft vollkommen zurückgezogen. Es erscheint in Anbetracht der Festnahme von Brooks als unwahrscheinlich, dass er allzu bald nach England zurückgehrt - das Risiko, ebenfalls von der Polizei befragt zu werden, dürfte er nicht eingehen wollen. Und vermutlich klingt ihm noch immer in den Ohren, dass der Labour-Abgeordnete Tom Watson News International als "kriminelles Unternehmen" bezeichnet hat.

Am Mittwoch, dem Tag nach den Festnahmen, hat sich Charlie Brooks beim Pferderennen in Cheltenham vergnügt. Rebekah Brooks meidet die Öffentlichkeit einstweilen.

© SZ vom 15.03.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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