"Wir werden die Sache genauer untersuchen", schrieb David Remnik, der Chefredakteur des New Yorker, in einer Mail "An alle" im Haus. Die "Sache" bedarf allerdings keiner weiteren Untersuchung, sie liegt offen zu Tage und sie ist von seltener Peinlichkeit: Bei einer Zoom-Konferenz, in der sich Redakteure und Autoren mit verteilten Rollen auf den möglichen Ausgang der US-Präsidentschaftswahlen vorbereiteten, hatte Jeffrey Toobin, einer der prominentesten Kommentatoren im US-Journalismus, nach Aussage mehrerer Teilnehmer das Planspiel auf ein Spiel mit sich selber beschränkt. Während die anderen noch mit Politik beschäftigt waren, widmete sich Toobin, allerdings in der Meinung, er sei unbeobachtet, dem triebhafteren Teil seiner Menschlichkeit. Die Kamera hat alles dokumentiert, was der Trump-Trompete New York Post eine triumphierende Titelgeschichte und die Dachzeile "Member of the Press" (etwa: Presse-Mit-Glied) bescherte.
Jeffrey Toobin ist studierter Jurist, er hat ein erfolgreiches Buch über den Prozess gegen O. J. Simpson geschrieben. In der Konferenz hatte er die Rolle der Gerichte übernommen, die möglicherweise über den Ausgang der Wahlen zu entscheiden haben. Er arbeitet für den New Yorker, der, anders als die Murdoch-Organe New York Post und Fox News, nicht in Duldungsstarre verfällt, wenn es um die neuesten Ausfälle des irrlichternden Präsidenten geht. Außerdem tritt Toobin regelmäßig beim Sender CNN auf, der Donald Trump auch nicht so wohlgesonnen ist.
Toobin hat sich nun also, wie die vornehme Formulierung lautet: "entblößt". Das ist nicht schön, schon gar nicht für die anderen. Diesem Zeigebedürfnis eignet jedoch etwas an, das jedem, der präpubertäre Doktorspiele nicht ganz vergessen hat, bekannt sein müsste. Jetzt ist er suspendiert. Worin besteht sein Verbrechen? Er hat sich in der Konferenz gelangweilt. Er hat in dieser kalten, herz- und lieblosen Welt Achtsamkeit gezeigt und sich als Philosoph im Geiste des späten Michel Foucault erwiesen, der jedem die "Sorge um sich" anriet. Ein anderer Philosoph, der New Yorker Woody Allen, hat Connaisseuren wie Toobin bereits vor Jahrzehnten das schönste Zeugnis ausgestellt: "Nichts gegen Masturbation. Es ist Sex mit jemandem, den ich liebe."