New York Times ignoriert Watergate:Ein Schlag ins Wasser

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Der Knüller, der Geschichte machte: Obwohl die New York Times als erste von dem Watergate-Skandal wusste, verzichtete sie auf eine Berichterstattung.

Von Claudia Tieschky

Die Geschichte wird Bloggern wie Arianna Huffington gefallen, die stets vom Systemversagen der großen Printmedien reden, aber sie ist auch sonst kurios. Die New York Times hat jetzt publik gemacht, dass einer ihrer Journalisten nach dem Watergate-Einbruch als erster den Tipp auf Hintermänner im Weißen Haus bekommen haben soll und nicht die Washington Post. Kaum zu fassen, denn die Times verbummelte offenbar den Knüller, der Geschichte machte. Recherchiert und enthüllt wurde die Affäre, die zum Rücktritt Richard Nixons führte, vor 37 Jahren von den Post-Reportern Bob Woodward und Carl Bernstein: Zwei Lokaljournalisten, die anfangs keiner ernst nahm, die aber bissig genug waren, den Chefredakteur Ben Bradlee und die Verlegerin Katharine Graham von der politisch gefährlichen Story zu überzeugen.

Nicht immer am Puls der Zeit: Die "New York Times" gibt offen zu, Watergate verpasst zu haben. (Foto: Foto: reuters)

Wie die New York Times jetzt berichtet, soll ihr Reporter Robert M. Smith den Tipp etwa zwei Monate nach dem Einbruch im Watergate-Gebäudekomplex erhalten haben, wo sich das Wahlkampfbüro der Demokraten befand. Smith traf FBI-Direktor L. Patrick Grey, der brisante Verbindungen ins Weiße Haus und "dreckige Tricks" in Nixons Wahlkampf angedeutet habe. Das würde ein interessantes Licht auf die Rolle des FBI in der Affäre werfen: Der 2005 identifizierte Informant von Woodward/Bernstein, Mark Felt, war die Nummer zwei der Bundespolizei.

Smith schildert nun, wie er nach dem Treffen mit Grey hochalarmiert in die Redaktion zurückkam und seinem Redakteur Robert H. Phelps davon berichtete: "Ich war zu aufgeregt, um mich zu setzen." Phelps notierte und ließ sogar ein Tonband mitlaufen, aber dann passierte nicht mehr viel. Smith wurde bald von einem Jura-Studium in Anspruch genommen. Phelps war mit dem Wahlkongress der republikanischen Partei beschäftigt und verließ dann die Stadt für einen mehrwöchigen Aufenthalt in Alaska. Die New York Times litt jahrelang unter dem Ruhm, den sich die Washington Post mit Watergate errungen hatte.

Dass die Beteiligten nun reden, hat wohl damit zu tun, dass Phelps, 89, die Sache in seinen Memoiren aufgreift; vielleicht auch mit der Strahlkraft des Mythos Watergate, an dem sich selbst die Verlierer wärmen. Als die Times jetzt meldete, zwei ihrer Leute hätten den Watergate-Tipp zuerst erhalten, sollte das wohl wie ein Knüller klingen.

© SZ vom 26.05.2009/bey - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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