Das böse Wort vom "Staatsfunk" setzte Mathias Döpfner vor nicht mal einem Jahr in die Welt wegen der aus seiner Sicht zu großen Möglichkeiten der öffentlich-rechtlichen Sender im Netz. Ein mächtiger Begriff, an den man sich am Donnerstag erinnerte, als der Vorsitzende des Zeitungsverlegerverbandes BDZV jetzt "ein richtig gutes Gefühl" hatte, wie er sagte.
Es ist gelungen, worüber Verlage und öffentlich-rechtlichen Sender Jahre lang, auch in vielen Verfahren vor Gericht gestritten hatten: die Reform des Telemedienauftrags, der festlegt, was die öffentlich-rechtlichen Sender im Internet dürfen und was nicht. Aus Sicht der Verlage betrieben die Sender - mehr noch die ARD als der von Anfang an videolastigere Auftritt des ZDF - eine gebührenfinanzierte, unlautere Konkurrenz zum Geschäftsmodell der Unternehmen. Mit der erforderlichen Einstimmigkeit votierten die Ministerpräsidenten der Länder jetzt für Änderungen im Rundfunkänderungsvertrag. Es sei gelungen, so sagte die Regierungschefin von Rheinland-Pfalz Malu Dreyer, die den Vorsitz in der Rundfunkländerkommission führt, "den öffentlich-rechtlichen Sendern eine Weiterentwicklung in ihrem digitalen Angebot zu garantieren und gleichzeitig die Interessen der Verlage zu berücksichtigen".
Links aus Publikumssicht sitzt also Döpfner, rechts in der Mitte der ARD-Vorsitzende Ulrich Wilhelm, nebenan ZDF-Intendant Thomas Bellut, auch Stefan Raue, der Intendant des Deutschlandradios ist da. Alle strahlen, "einen historischen Moment in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland", nennt das der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Reiner Haseloff, dessen Staatskanzlei das Thema betreute. Malu Dreyer sagt: "Nur Gewinner sitzen heute miteinander am Tisch."
Döpfner lobte, das neue Gesetz sei nicht nur irgendein Kompromiss, sondern bringe Klarheit, wo der Schwerpunkt öffentlich-rechtlicher Angebote liegen wird: "im audiovisuellen Bereich." Damit seien die Sender kein kostenloses Nutzungsäquivalent mehr, Verlage könnten so Bezahlangebote im Netz erfolgreich etablieren; jeder konzentriere sich also auf sein Hauptgeschäft. Im Gesetz heißt es: "Telemedienangebote dürfen nicht presseähnlich sein", ihr Schwerpunkt soll mittels Bewegtbild und Ton gestaltet werden, "wobei Text nicht im Vordergrund stehen darf".
Nicht betroffen von der Text-Sanktion sind Ausnahmen wie Sendungstranskripte im Radio. Auch Seiten, "die der Aufbereitung von Inhalten aus einer konkreten Sendung einschließlich Hintergrundinformation dienen, soweit auf für die jeweilige Sendung genutzte Materialien und Quellen zurückgegriffen wird", sind zulässig. Vielleicht ist das also das Ende des "Bruder- oder Schwesterkampfs", wie es Raue nennt. Angesichts der Konkurrenz durch Facebook und Google fanden mehr und mehr Kritiker, dieser Kampf sei kontraproduktiv für den Qualitätsjournalismus.
Die "Angst, dass uns das ganze System um die Ohren fliegt", nannte Döpfner als wesentlichen Grund dafür, dass die Reform nun doch noch gelang. Trotzdem kostete es viel Arbeit, erst ganz zuletzt rauften sich Sender und Verleger am Verhandlungstisch zusammen. Raue etwa machte kein Hehl daraus, dass er mit dem Verbotsbegriff "presseähnlich" fremdelt, aber: "Ich respektiere es, dass dieser Begriff vielen Verlegern als Möglichkeit der Grenzziehung wichtig ist." Reicht die nicht aus, wird künftig eine Schlichtungsstelle Recht sprechen, paritätisch besetzt, mit einem neutralen Schlichter, der nicht zur Presse gehört. Der soll im Zweifel entscheiden. Das kann man dann auch als das Besondere an der Einigung festhalten, sie bringt die bisherigen Kontrahenten dauerhaft ins Gespräch miteinander. Fallen soll auch die Sieben-Tage-Regelung für Mediatheken; zudem können Sender ihre Web-Angebote "auch außerhalb des dafür jeweils eingerichteten Portals anbieten" - also etwa Webserien auf Youtube und Facebook.
Damit gar nicht glücklich, sondern "fassungslos" sind Organisationen wie die AG Dok, der Bundesverband Regie oder der Verband Deutscher Drehbuchautoren, wie sie in einer gemeinsamen Erklärung mitteilen: Die Politik habe die Bedenken der Kreativwirtschaft "komplett ignoriert" und verbaue mit den längeren Verweildauern in den Mediatheken der mittelständischen Filmwirtschaft den Zugang zum Online-Markt. Filme verlören an Wert, je länger sie unentgeltlich im Netz stünden. Per Protokollnotiz haben die Länder zumindest im Gesetz vermerkt, dass die Vertragsbedingungen für die Produzenten in der Internetwelt fair sein müssen.