Süddeutsche Zeitung

Neues Magazin:Gönn dir!

Das Heft "Hygge" aus dem Verlag Gruner + Jahr, das künftig sechsmal im Jahr am Kiosk liegen soll, sucht das Land der Dänen mit der Seele, irgendwo zwischen "Landlust" und Ikea-Katalog. Am Mittwoch erscheint die erste Ausgabe.

Von Max Scharnigg

Als es noch erfolgreiche Universalmagazine gab, versuchten Journalisten darin Themen aufzugreifen, die in der Luft liegen. Heute verpassen die Verlage Themen, die in der Luft liegen, gleich eigene Magazine. So erging es jetzt auch dem Zeitgeistding Hygge. Der vage gehaltene Glücksbegriff der Dänen hat in den letzten Jahren eine europaweite Gentrifizierung erfahren - kein Wunder, er vereint großzügig alles, was unter das Oberkapitel "gutes Leben" fällt: Freundschaften, schöne Wohnung, gutes Essen, Entschleunigung, Achtsamkeit etc.

Um dieses eigentlich inwendige Glücksgefühl darzustellen, würde ein Instagram-Account reichen, und so etwas Ähnliches ist Hygge auch auf Papier geworden, das von Mittwoch an sechsmal jährlich erscheinen soll. Viel schönes Bild, viel Sonnenuntergang, viel erbauliche Bildunterschriften, viel gönnerhafte Selbsterkenntnis zeigt das Heft unter Leitung von Sinja Schütte auf 160 Seiten. Es beginnt mit einer zehnseitigen wortlosen Fotostrecke "Sommerferien" und endet mit dem Schmuckbild "Die blaue Stunde". Damit ist der Horizont abgesteckt. In leichten Texten dazwischen berichten Ich-Erzählerinnen von kleinen Abenteuern: einfach mal Freunde in Schweden besuchen, einfach mal Freunde zum Bolognese-Essen einladen, einfach mal mit Freunden Blaubeeren sammeln. Früher nannte man so etwas Lifestyle-Blog. Der subjektive Glückseintrag dieser Nicht-Erlebnisse ist jedenfalls hoch, daran lassen die knackfrischen Familienfotos keinen Zweifel, es wimmelt von Vornamen und sonstiger Menschelei. Der Mehrwert für Leser speist sich aus achtsamen Rezepten, DIY-Tipps und Hinweisen auf Produkte mit skandinavischer Formgebung. Lesegefühl: Landlust kollidiert mit Ikea-Katalog. Nach der Lektüre ist man sediert, aber zumindest nicht wesentlich unglücklicher.

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Quelle:
SZ vom 20.06.2017
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