Süddeutsche Zeitung

Neues Männermagazin:Nur für dich

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"Wolf" pflegt nach dem Vorbild von "Flow" das Ego seiner Leser: Vorgeblich fürs "Wesentliche" zuständig, entpuppt sich das Heft schnell als, je nach Männertyp, be(un)ruhigend harmlos - "Retro-Quartett" und "Longread"-Büchlein inklusive.

Von David Denk

Wer träumt nicht davon, im alten VW-Bus auf große Fahrt zu gehen? Der Weg ist das Ziel, die Straße ein Versprechen. Der Stress im Job ist weit weg, die Schwiegereltern sind es auch. So ungefähr sieht die große Freiheit des kleinen Mannes aus, eine Sehnsucht, die nun auf dem Cover einer neuen Zeitschrift befeuert wird: Wolf - das Anagramm zum Magazin Flow, dessen Ableger das Heft ist - will "das Männer-Magazin fürs Wesentliche" sein. Auf den ersten Blick klingt das wie ein Widerspruch in sich; auf den zweiten leider auch.

Auf den ersten Blick, weil Männermagazine ja erfunden wurden, um die Oberfläche zu feiern: den Lack von Sportwagen, die nackten Brüste von Playmates und die Grillstreifen auf dem Dry-Aged-Steak. Und auf den zweiten Blick, weil wir es hier nicht mit einem Wolf im Schafspelz zu tun haben, sondern - wenn man so will - mit einem Schaf im Wolfspelz: Das vorgeblich "Wesentliche" in Wolf entpuppt sich, je nach Männertyp, als be(un)ruhigend harmlos: Themen wie Affären, Achtsamkeit und Ausmisten mögen für die einen instruktive Lektionen in männlicher Selbstvergewisserung sein, die anderen fühlen sich von so viel Nabelschau eher abgestoßen. Ist ein derart unpolitisches Heft in Zeiten von Trump, AfD, Flüchtlingskrise und anderen politisch-gesellschaftlichen Themen, die Mann nicht ignorieren kann, noch zeitgemäß? Oder anders: Wolf ist ein nettes Männer-Magazin - wer sich allerdings nur ansatzweise fürs Wesentliche interessiert, sollte die 8,50 Euro besser in ein Sachbuch oder ein paar Tageszeitungen investieren.

Wie das Vorbild Flow, das sich ganz der Modeerscheinung "Achtsamkeit" verschrieben hat, der Hilfe zur Selbstliebe, spart auch Wolf nicht an eskapistischen Gimmicks: Der ersten Ausgabe liegen ein "Retro-Quartett" mit Filmautos bei, ein "Longread"-Büchlein mit einer Seenot-Reportage aus dem New York Times Magazine und vier Postkarten mit Sprüchen wie dem Willy-Brandt-Zitat "Lasst euch nicht zu Lumpen machen" und "Was würde Colt Sievers tun?", wobei ein Schreibfehler Seavers, den Colt für alle Fälle, in die Nähe des ZDF-Moderators Christian Sievers rückt.

In Wolf wird Hesse zitiert und Genügsamkeit propagiert, andererseits aber auch nicht mit Kaufempfehlungen für Boots, Fernseher und Designersessel gegeizt. Wolf ist ein Magazin für alle, die sich in den Widersprüchlichkeiten unserer Welt häuslich eingerichtet haben und nicht ernsthaft vorhaben, ihr Leben zu ändern. Anstatt ihnen den Kopf zu waschen, ermuntert Wolf seine Leser zum Tu-was-für-dich-Egoismus.

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Quelle:
SZ vom 30.11.2016
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