Neuer WDR-Intendant Tom Buhrow:Hoffen auf den Merkel-Effekt

Tom Buhrow neuer WDR-Intendant

"Der Lift ist jetzt im WDR angekommen, und ich werde mein Lächeln nicht ablegen, sagt der neue WDR-Intendant Tom Buhrow.

(Foto: dpa)

Ist er doch besser als erwartet? Kaum ist Tom Buhrow zum neuen WDR-Intendanten gekürt, erscheint der im Vorfeld der Wahl so oft angezweifelte Kandidat als Heilsbringer. Denn er soll den Sender nun gefälligst auch herausführen aus der Krise, die ihn seit Jahren lähmt.

Von Hans Hoff, Köln

"Es ist ein Junge." Irgendjemand sagt das vor dem Kleinen Sendesaal im Kölner WDR und liegt mit dem Spott gar nicht mal so weit daneben. Der Rundfunkrat hat gekreißt an diesem regnerischen Mittwoch, und herausgekommen ist ein neuer Intendant. Tom Buhrow heißt er, moderiert seit 2006 die Tagesthemen und sieht auch mit seinen 54 Jahren immer noch ein bisschen aus, als wolle er nun aber bald aus dem Smaland abgeholt werden. Ein Junge.

Mit 41 von 47 möglichen Stimmen ist er gewählt worden. Im ersten Wahlgang. Das ist der von fast allen Beobachtern erwartete Ausgang einer Wahl, die in etwa so spannend war wie eine durchschnittliche Folge der "Lindenstraße". Mit nur vier Stimmen musste sich sein Konkurrent Jan Metzger begnügen, der nun Intendant bei Radio Bremen bleibt. Auch der Mitbewerber Stefan Kürten darf weiter Direktor bei der EBU bleiben. Zwei Stimmen brachten ihn nicht weiter.

Schon kurz nach halb fünf war die Wahl unter Dach und Fach, womit die eigentlich auf sieben Stunden angelegte Rundfunkratssitzung um 90 Minuten kürzer ausfiel als eigentlich gedacht. Dementsprechend füllt sich der Kleine Kreißsaal, äh, Sendesaal schon vor der verabredeten Zeit mit Journalisten, die alle einen Blick auf den Jungen werfen wollen.

Schon vorab machen die Glückwünsche der üblichen Verdächtigen die Runde. Der ARD-Vorsitzende und der Programmdirektor des Ersten geben sich ebenso begeistert wie etliche andere Funktionsträger. Was sollen sie auch sonst sagen? Alle loben das WDR-Gewächs Buhrow über den grünen Klee.

Auf einmal erscheint der im Vorfeld der Wahl so oft angezweifelte Kandidat als Heilsbringer, der den WDR nun aber gefälligst herausführen soll aus der Krise, die ihn seit Jahren lähmt. Vielleicht ist er ja doch besser als erwartet. Man hofft auf den Merkel-Effekt. Die wollte ja erst auch keiner, und dann haben alle gelernt, mit ihr zu leben. Es gibt halt Schlimmeres.

Er setzt sich als letzter

Mit sieben Minuten Verspätung kommt er dann endlich. Er. Habemus Buhrow. Nicht durch die normale Tür tritt er, sondern durch den Bühneneingang. Blendend aufgelegt. Natürlich. Gleich feixt er, weil er seinen alten WDR-Kumpel Gisbert Baltes entdeckt. Der ist in der Anstalt gefürchtet als der personifizierte Einmannkarneval. Der Intendant umarmt ihn wie einen lange vermissten Freund. Buhrow is coming home. Ein politisches Signal?

Dann kommen die Fotografen zu ihrem Recht. Sie lichten den Neuen von allen Seiten ab, und der macht bella Figura, bevor er aufs Podium hüpft und sich setzt. Natürlich als letzter. Er ist jetzt nicht mehr irgendwer, er ist der Intendant.

Konvolut von Bekenntnissen

Führungsverantwortung und große Kommunikationsstärke bescheinigt die Rundfunkratsvorsitzende Ruth Hieronymi dem Erwählten. Dann dankt Buhrow. Ihm ist wichtig, zu betonen, dass ihm "ein breites Vertrauen" entgegengebracht wurde. Das nehme er als "Schwungmasse und als Wind im Rücken für einen guten Aufschlag."

Es folgt ein Konvolut von Bekenntnissen gegen das Kennedys "Ich bin ein Berliner" ein feuchter Kehricht ist. "Ich liebe den WDR", sagt er. Vor 28 Jahren und vier Monaten habe er dieses Gebäude betreten, damals als Volontär. "Das ist schon ein Gefühl", sagt er. "Ich bringe die Liebe mit", folgt dann auch noch. Er sagt das und kann es offenbar selbst nicht glauben, was er da gerade von sich gegeben hat. "Ja. Is so", schiebt er nach, und für einen Moment glaubt man, dass nun die bekannte Beatleshymne in neuer Form folgt "All you need is Buhrow."

"Ich bin ein Typ, der nicht von oben herab mit den Menschen kommuniziert", verspricht er. Er habe auch bei den Tagesthemen immer versucht, in die Hocke zu gehen. "Genau diesen Stil will ich auch hier im WDR bringen", sagt er und schickt eine Botschaft an die Belegschaft: "Ich werde Euch aufsuchen und heimsuchen."

Ein Liftboylächeln wurde ihm attestiert. Die Beschreibung nimmt er nun auf. "Der Lift ist jetzt im WDR angekommen, und ich werde mein Lächeln nicht ablegen", sagt er. In der nächsten Woche sei er wieder in Köln und wolle dann Gespräche führen. Wichtig sei aber, dass die Tagesthemen keinen Schaden nehmen. "Ich werde noch eine Woche machen müssen. Eine Abschiedsrunde möchte ich noch kriegen. Ich will mich ja noch verabschieden von den Zuschauern."

Von Transition Time spricht er. Ja, hallo, der Mann war mal Washington-Korrespondent. Und er spricht Business. Dass ihm im Vorfeld oft die mangelnde Verwaltungserfahrung zum Vorwurf gemacht wurde, ficht ihn nicht an. "Die Verwaltungserfahrung in so einem großen Laden hatte keiner der Bewerber", sagt er.

Souverän gedreht

Dann will er ein WDR-Produkt loben und spricht von der Serie "Zimmer mit Aussicht". Er meint natürlich "Mord mit Aussicht". Kleiner Fehler, kann passieren. Er dreht das souverän. "Macht ruhig Fehler", schreibt er seinen Mitarbeitern auf den Aufgabenzettel. Unter Buhrow soll es keine Angstkultur geben, sondern den Mut zu Experimenten.

Wenn das stimmt, kann es schön werden. Wenn er mehr mitbringt als gute Laune und den Hang zum rockstarhaften Strahleauftritt, wird alles gut. Das ist die Botschaft. Am Ende wirkt er immer noch ein bisschen wie ein Junge. Aber immerhin wie ein großer.

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