DVB-T2 HD:Privatsender verlangen für das Antennenfernsehen bald Gebühren

DVB-T2 HD: Im Antennenwald: Wer sein Fernsehprogramm terrestrisch empfängt, muss in wenigen Wochen technisch umrüsten.

Im Antennenwald: Wer sein Fernsehprogramm terrestrisch empfängt, muss in wenigen Wochen technisch umrüsten.

(Foto: imago)

Der Empfang von RTL oder ProSieben über das digitale Antennenfernsehen kostet von 29. März an Geld. Grund ist der neue Fernsehstandard DVB-T2 HD.

Von Viola Schenz

Für den 29. März sollten die Fernsehsender ihr Personal an der Telefon-Hotline aufstocken. Höchstwahrscheinlich werden an diesem Tag viele verzweifelte oder erboste Zuschauer anrufen - weil ihr Bildschirm schwarz ist. In der Nacht zum 29. März wird in Deutschland der TV-Empfang per Antenne umgestellt auf einen neuen Standard; zunächst in 18 Ballungsgebieten, andere Regionen folgen bis Frühjahr 2019. Die terrestrische Ausstrahlung, die Antennenausstrahlung, erfolgt dann nicht mehr über DVB-T (Digital Video Broadcast Terrestrial), sondern über die Nachfolgetechnologie DVB-T2 HD (HD steht für High Definition, also hochauflösend). Deren Bildqualität ist besser, außerdem können mehr Programme angeboten werden.

Wer nicht über Kabelanschluss, Satellit oder über das Internet fernsieht und sein Gerät nicht rechtzeitig aufgerüstet hat (siehe nebenstehenden Artikel), bei dem bleibt der Bildschirm in vier Wochen schwarz.

Nach drei Monaten Karenzzeit sind 69 Euro pro Jahr fällig - pro TV-Gerät, nicht pro Haushalt

Mit der Modernisierung sind aber nicht nur technische, sondern auch finanzielle Neuerungen verbunden. Die Ausstrahlung in HD ist sehr viel teurer, der Plattformbetreiber Media Broadcast, über den die Ausstrahlung erfolgt, verlangt entsprechend Gebühren von den beteiligten Sendern. Die öffentlich-rechtlichen Anstalten werden diese über ihre Rundfunkgebühren decken, ihre Programme werden also auch über DVB-T2 HD frei und kostenlos empfangbar sein, ebenso die Programme, die als Internetstream ins Haus kommen. Privatsender wie Pro Sieben Sat 1 und die RTL-Gruppe werden mit der Umstellung ihr Signal nur noch in HD ausstrahlen und für die Mehrkosten eine Gebühr erheben, und zwar 69 Euro im Jahr. Gezahlt wird aber nicht an die Sender, sondern an deren DVB-T2-Plattform Freenet TV, vergleichbar mit der Gebühr für Kabelkunden.

Bei vielen Zuschauern wird das zumindest für Erstaunen sorgen, assoziiert man Gebühren doch bislang mit den Öffentlich-Rechtlichen, bei den Privaten hat man sich seit ihrem Start in den Achtzigerjahren an die Kostenloskultur gewöhnt und dafür Werbeunterbrechungen in Kauf genommen. Bis Juni 2017, also drei Monate, wird es eine Karenzzeit geben, danach sind die 69 Euro pro Jahr fällig, und zwar pro Empfangsgerät, nicht pro Haushalt. Eine "Mehrgerätepauschale" werde zwar erwogen, sei bisher aber noch nicht konkret geplant, sagt ein Sprecher von Media Broadcast, dem Betreiber von Freenet TV.

Dürfen die Privatsender das denn überhaupt? Ja, sie dürfen. Bei den Landesmedienanstalten, die über die privaten Rundfunkanbieter und deren Tun wachen, heißt es auf Nachfrage, die Geschäftsmodelle seien grundsätzlich Sache der Sender. "Deren HD-Angebote sind schon jetzt über alle Empfangswege - also Kabel, Satellit und IPTV - verschlüsselt und werden gegen eine Gebühr freigeschaltet", sagt Siegfried Schneider, Vorsitzender der Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten. "Dies gilt künftig auch für die HD-Angebote über Antenne."

Rechnen die Sender mit einem Boykott?

Pro Sieben begründet die Gebühr damit, dass "die Bereitstellung von hochauflösenden Sendern mit einem hohen technischen und finanziellen Aufwand" betrieben werde: "Zum Ausgleich dieser Dienstleistungen zahlt der Endkunde an die jeweilige Distributionsplattform." Bei RTL in Köln verweist man auf Media Broadcast - der Plattformbetreiber bestimme die Höhe der Gebühr für die Ausstrahlung in HD. "Eine Zukunft in der Terrestrik" könne es "nur mit einer ökonomisch tragfähigen Plattform" geben, sagt ein Unternehmenssprecher. Soll heißen: Die Kosten für den neuen Verbreitungsweg sind hoch und werden deshalb weitergegeben.

Den Zuschauern wird es vermutlich egal sein, wer genau von ihnen Geld verlangt, maßgeblich bleibt, dass sie zahlen müssen. Rechnen die Sender mit einem Boykott? Nein, so RTL, man gehe davon aus, dass der Großteil der betroffenen Nutzer die Umstellung mitmache, schon wegen des Empfangs "in brillanter HD-Qualität". Auch Pro Sieben fürchtet keine negativen Reaktionen und relativiert: "Die Terrestrik bleibt im Vergleich ein günstiger Übertragungsweg."

Die Verwirrung der Verbraucher ruft schwarze Schafe auf den Plan: So verschickte Vodafone Kabel Deutschland im Januar Werbeschreiben an potenzielle Kunden. Die Briefe trugen kein Firmenlogo und erweckten einen amtlichen Eindruck mit Betreffzeilen wie "DVB-T- Abschaltung erfordert Umstellung auf moderne TV-Versorgung" oder dem Stempel "Wiederholter Zustellversuch". "Melden Sie sich dazu bitte bis spätestens 28. Februar 2017 telefonisch bei uns", stand da beispielsweise. Die Bundesnetzagentur kritisierte, "das Unternehmen hat versucht, Verbraucher zu täuschen und als Kunden zu gewinnen" und drohte Vodafone mit Strafzahlungen, falls die Verschickung nicht aufhöre. Vodafone stellte den Versand zum 19. Januar ein.

Die Sender sehen keinen Grund zur Sorge: Wer DVB-T hatte, wird die Umstellung schon mitmachen

Derweil sehen TV-Streamingdienste ihre Stunde gekommen. Video-on-Demand-Anbieter wie Netflix, Maxdome oder Amazon Prime sind längst auf dem Markt etabliert. Und immer mehr internetfähige TV-Geräte machen Streaminganbieter wie Zattoo, Magine TV oder die Waipu.tv zu einer Alternative für viele Zuschauer. Zattoo zum Beispiel verzeichnet nach eigenen Angaben seit Jahresbeginn einen Anstieg von 14 Prozent bei den zahlenden Premium-Kunden. Über absolute Geschäftszahlen schweigt sich das Unternehmen aus. In diesen Tagen wirbt das Streaming-Lager mit allerlei Paketen und Sonderangeboten verstärkt um die 3,4 Millionen Haushalte in Deutschland, die von der Umstellung Ende März betroffen sein werden.

Treibt man der Online-Konkurrenz nicht die Zuschauer in die Arme, wenn man plötzlich eine Gebühr erhebt? RTL geht davon aus, dass DVB-T-Nutzer weiterhin lineare Fernsehangebote wollen und sich daher für DVB-T2 HD oder einen der übrigen Verbreitungswege entscheiden. Auch Pro Sieben sieht keinen Grund zur Sorge: Fernsehen sei nach wie vor das Medium, mit dem die Menschen am meisten Zeit verbrächten. "Das liegt nicht zuletzt daran, dass TV der Entspannung und Unterhaltung dient", teilt eine Sprecherin mit. "Der überwiegende Teil der Zuschauer schaltet das TV-Gerät ein, um genau dem nachzugehen." Video on Demand entspreche vielmehr der Nutzung einer DVD. Die Sender bauen also auf die Liebe zur Berieselung, doch das Programmangebot hat sich in den vergangenen Jahren fundamental verbreitert. Möglicherweise werden sie das bald stärker spüren als bisher.

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