Neue Staffel "The Walking Dead":Zombies im Konsumrausch

Fünfte Staffel 'The Walking Dead'

Zuschauerlieblinge in der Zombie-Apokalypse (v.l.): Rick Grimes (Andrew Lincoln) und Daryl Dixon (Norman Reedus).

(Foto: dpa)

Die Serie "The Walking Dead" geht in die siebte Staffel und ist längst ein großes Geschäft. Dabei war der Zombie einmal eine Symbolfigur der Kommerz-Kritik.

Von Benedikt Frank

Im Finale der letzten Episode von Staffel sechs knieten die meisten Hauptfiguren am Boden, von Autoscheinwerfern geblendet, zur Hinrichtung aufgereiht. Der Chef einer verfeindeten Bande trug quälend langsam einen Abzählreim vor, ene mene muh. Dann holte er mit seinem vom Stacheldraht umwickelten Baseballschläger aus. Die Kamera zeigte nicht, wen er totschlug und blendete ab.

Der Cliffhanger der sechsten Spielzeit von The Walking Dead wird der Premiere von Staffel sieben der Zombie-Serie wieder beste Quoten bringen. The Walking Dead ist für den Sender AMC ohnehin ein sicheres Geschäft: Die Premiere der fünften Staffel hält den Zuschauerrekord für eine Serie im amerikanischen Kabelfernsehen, mehr als 17 Millionen sahen zu. Im Durchschnitt verfolgten die vergangene sechste Staffel in den USA noch mehr als 13 Millionen Menschen - fast doppelt so viele wie zuletzt Game of Thrones, das Aushängeschild des Konkurrenten HBO. Auch in Deutschland ist The Walking Dead die bei der Masse beliebteste neue Drama-Serie und ein erfolgreich weiterverwertbares Produkt. Dabei waren Zombies einmal Figuren, mit denen eine auf Konsum ausgerichtete Gesellschaft kritisiert wurde.

Der Zombiefilm als Kommentar auf die Gesellschaft

Die ersten Erzählungen über Zombies entstammen der Kolonialgeschichte: Sie gehen auf als Tatsachenberichte verpackte Abenteuergeschichten über Voodoo-Zauber in Haiti zurück. In ihnen spiegeln sich die rassistischen Ängste der amerikanischen Eroberer vor der für sie höchst verdächtigen - weil unchristlichen - Spiritualität der Einwohner, die als Sklaven auf die Insel verschleppt wurden. Mit diesem Narrativ brach erst der Regisseur George A. Romero, der mit seinem Low-Budget-Film Night of the Living Dead 1968 den modernen Zombie erfand. Erstmals traten die Untoten als die ansteckende Massenepidemie mit Appetit auf Menschenfleisch auf, als die man sie heute kennt.

In Romeros Filmen schwang stets ein Kommentar auf die Gesellschaft mit. Besonders fällt das auf in seiner Fortsetzung Dawn of the Dead auf, in diesem Film schlurfen die Zombies durch ein Einkaufszentrum und sehen dabei fast so aus, wie die Kunden beim Schlussverkauf, nur etwas blasser. In diesen Zombies hallt ein Echo ihres früheren Lebens nach, das so sehr vom Konsum bestimmt war, dass selbst nach dem Tod ihr Weg wieder in diesen Tempel des Kapitalismus führt. Getrieben vom Instinkt, Monster, die nichts anderes mehr wollen, als zu fressen.

Auch in The Walking Dead lassen sich Elemente finden, die man als fiktive Fußnoten zur realen Welt verstehen kann. Die Serie handelt vom Ende der Zivilisation, nach dem sich die soziale Organisation der Überlebenden zu einer brutalen Bandenherrschaft zurückentwickelt. Die zweite Staffel der Schwesternserie Fear the Walking Dead führte seine Protagonisten vor Kurzem an die Grenze zwischen den USA und Mexiko, die Donald Trump zum Wahlkampfthema erklärt hat.

Viel interessanter als solche Anspielungen ist für die meisten Fans der Serie allerdings die Frage, welchem ihrer liebgewonnenen Charaktere denn nun der Kopf eingeschlagen wird. In Onlineforen analysieren sie die letzte Szene Bild für Bild und interpretieren ausführlichst vage Hinweise aus Interviews der Produzenten. Die Vorlage für die Spekulation, das Ende von Staffel sechs, ist der bisherige Höhepunkt einer gleichförmigen Seriendramaturgie: Die Gruppe um den ehemaligen Polizisten Rick zieht durch die endlosen Wälder der USA und findet schließlich einen sicheren Ort, dem sie ein kleines Stück Zivilisation abringt. Im Moment der größten Entspannung bricht ihre Welt immer wieder zusammen. Keine sehr komplexe Geschichte, die sich unendlich forterzählen lässt.

Der Erfinder des modernen Zombies, George A. Romero, nannte die Serie in einem Interview mit der britischen Zeitung The Big Issue eine "Seifenoper, in der gelegentlich Zombies auftauchen". In Romeros Filmen entwickeln sich die Zombies fort. Waren sie anfangs nur vom Instinkt getrieben, sind sie in Day of the Dead bereits lernfähig, in der späten Fortsetzung Land of the Dead folgen sie einem Anführer. Die Zombies von The Walking Dead bleiben dagegen immer gleich, sind nicht mehr als schmückende Ausstattung einer Serienwelt. Für die menschlichen Protagonisten ist es oft nur noch lästige Routinearbeit, sie endgültig zu töten. Wirklich gefährlich werden ihnen nicht mehr die Zombies sondern andere Menschen.

Noch funktioniert die Marke aber so gut, dass mit ihr fast beliebige Produkte versehen werden können. Die Serie basiert lose auf einer gleichnamigen Comicreihe von Robert Kirkman und Tony Moore. Das Spin-Off Fear the Walking Dead hat bewiesen, dass diese Comic-Vorlage nicht mehr benötigt wird und dass die Grundidee problemlos exportierbar ist. Dazu kommen fürs Internet produzierte Miniserien, die Nebenhandlungen weitererzählen. Die Interpretation der einzelnen Folgen findet gleich nach Ausstrahlung in der Talkshow The Talking Dead statt. Neben mehreren Romanen und Videospielen existiert sogar eine lizenzierte Walking Dead-Geisterbahn im Movie Park Bottrop.

Was das unendliche Konsumangebot der Untoten jetzt noch braucht: den idealen Zuschauer. Ein Zombie, den nichts antreibt außer dem unstillbaren Hunger nach mehr.

The Walking Dead, Fox, montags, 21 Uhr.

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