Neue Staffel "Mad Men":Vorärger statt Vorfreude

Lesezeit: 3 min

Schön, ihn sehen zu können: Don Draper in "Mad Men" (Foto: dapd)

Das Don-Draper-Dilemma: Am Sonntag startet die sechste Staffel der TV-Serie "Mad Men", das ist bekannt - und ein Ärgernis: In Deutschland ist die Serie noch nicht zu sehen. Was also tun?

Von Dirk von Gehlen

Am Sonntag startet die sechste Staffel der TV-Serie "Mad Men". Die Frage zu stellen, woher ich das weiß, mutet merkwürdig an. Man muss sie aber stellen um zu verstehen, warum ich das zwar wissen, die Serie aber nicht gucken darf. Beziehungsweise noch nicht gucken darf.

Die Macher der Serie von AMC sprechen schon seit Wochen von nichts anderem als von dem kommenden Sonntag. Auf Facebook verfolgen sie mich mit der neuen Staffel und auf ihrer Website bieten sie mir - wie passend - sechs Wege an, meine Vorfreude zu kanalisieren. Mir gefällt all das, die Marketing-Maßnahmen treffen mich ziemlich genau, sie lösen jedoch das exakt umgekehrte Gefühl bei mir aus: statt Vorfreude empfinde ich wachsenden Vorärger.

Das Wort gibt es so nicht, aber neue Zeiten verlangen vielleicht auch neue Begriffe. Und Vorärger ist das Gefühl, das sich einstellt, wenn einem zwar etwas in Internet-Geschwindigkeit ( Sofort!) angeboten wird, man dies aber nur in Postkutschen-Geschwindigkeit erwerben kann.

Denn natürlich würde ich für "Mad Men" bezahlen, sogar sofort! Und alle, die sich "Mad Men" auf mittel-legalen Wegen trotzdem besorgen, erzählen mir, dass diese Wege keineswegs kostenfrei sind. Auch sie bezahlen, aber eben mittellegal.

Der Auslöser für den Vorärger ist aber: Ich darf ja gar nicht zahlen. Mir ist kein Weg bekannt, wie ich erlaubter als mittellegal in die Lage versetzt werde, am Sonntag an dem globalen Pop-Erlebnis "Mad Men S06E01 " teilzunehmen. So lautet der Code für die erste Folge der sechsten Staffel - und Menschen werden (weil ich ihn jetzt erwähnt habe) auf der Suche nach diesem Stück Kultur auch auf diesem Blog landen und das Gefühl teilen, das ich hier beschreibe: Vorärger!

Sascha Lobo hat dieses Problem in seiner Spiegel-Kolumne mal so beschrieben:

In der Tat erscheint vielen Nutzern nicht einsichtig, wieso ein digitales Produkt nicht per Klick legal heruntergeladen werden kann. Zu den häufigst genannten Gründen für illegale Downloads gehört die mangelhafte legale Verfügbarkeit, will sagen: die Unmöglichkeit, etwas sofort zu bekommen, gefälligst in Echtzeit. Wenn man die Beobachtung des eigenen Verhaltens zumindest als Anhaltspunkt akzeptiert, dann scheint eine Nebenwirkung des Internet eine zunehmende Ungeduld mit den Dingen zu sein. Vorsichtig gesagt. Das süße Gift der Beschleunigung macht nicht nur süchtig, es lässt einem auch heute als langsame Zumutung erscheinen, was man gestern noch als flott empfand. Schneller als Echtzeit - jetzt, hier, sofort - geht nicht.

Daraus könnte man den sonntäglich klingenden, aber völlig unsinnigen Schluss ziehen, mal lieber nicht so ungeduldig zu sein. Über den Umgang mit Echtzeit ( siehe dazu den Text "Terror des Jetzt" aus dem Jahr 2008) sollte man nicht nur wegen Douglas Rushkoffs "Present Shock" nachdenken. Moralische Forderungen werden das Problem aber nicht lösen.

Die Ursache dafür liegt nämlich woanders: in den Verwertungszyklen der Verwerter. Es erscheint noch immer lukrativer, die Serie "Mad Men" nicht in kleinen Folgen-Paketen an ungeduldige Einzelnutzer (wie zum Beispiel mich!) zu verkaufen, sondern im Staffel-Paket an einen anderen Verwerter, der dafür viel mehr bezahlt und dieses Geld durch eine weitere Schlaufe im Verwertungszyklus wieder reinholt.

Denn natürlich kann ich dieser Tage "Mad Men" auch ganz legal auf klassischem Weg anschauen. Das ZDF hat mich über den Twitter-Account von ZDFneo gerade letzte Woche erst drauf hingewiesen: Vor ein paar Wochen ist dort nämlich die vierte Staffel der Serie gestartet. Der Code dazu lautet "Mad Men S04E01", was gerade vermutlich niemand sucht.

Wie also löst man dieses moralische Don-Draper-Dilemma? Ich weiß es nicht und ich halte auch wenig davon, diese Fragen moralisch anzugehen. Wenn man das aber tut, drängt sich das alte Konsumenten-König-Diktat auf. Überall sagt man uns: Der Verbraucher bestimmt durch sein Verhalten, wie Geschäfte sich entwickeln. Beim Amazon-Problem legte man dem Verbraucher deshalb sehr bald nahe, dort doch einfach nicht mehr zu bestellen. Ich tue mich sehr schwer damit. Wenn man das aber zu Ende denkt, heißt das doch, dass man - um den Voräger langfristig abzustellen - einfach nicht mehr beim ZDF gucken darf, um den gelernten Verwertungszyklus zu durchbrechen und darauf zu hoffen, dass man künftig selber und ganz legal eine Folge bezahlen darf - oder?

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