Neue Staffel "Club der roten Bänder":Eine Inspiration für das deutsche Fernsehen

Neue Staffel "Club der roten Bänder": "Handwerklich haben wir noch mal was draufgelegt, besonders auch die Schauspieler", sagt Vox-Chef Bernd Reichart.

"Handwerklich haben wir noch mal was draufgelegt, besonders auch die Schauspieler", sagt Vox-Chef Bernd Reichart.

(Foto: Vox)

Mit dem "Club der roten Bänder" schaffte Vox einen überraschenden Erfolg. Gerade wird die zweite Staffel gedreht. Auch andere Sender suchen den ultimativen Fortsetzungs-Plot.

Von Hans Hoff

Draußen ist Monheim, draußen ist Hitze. Drinnen ist drückend. Aber nicht nur wegen der Hitze. Es stirbt gerade jemand. Gebannt folgen etliche Menschen dem intimen Gespräch zweier Menschen in einem Krankenzimmer. Man könnte eine Stecknadel fallen hören. Es geht um Leben und Tod. Bis der Regisseur "Danke" sagt und sich die Spannung löst.

Was in der kleinen Stadt zwischen Köln und Düsseldorf von außen aussieht wie ein abgehalftertes Bürogebäude, ist innen ausgestattet wie eine Klinik. Vor allem aber ist dies ein großer Ort der Hoffnung. Hier wird nämlich gerade gedreht, hier wird ein Versprechen eingelöst, hier will man zeigen, dass die zweite Staffel der Vox-Serie Club der roten Bänder mindestens so emotional packend gerät wie die erste. Deshalb sind alle noch stiller als sie sowieso sein sollten am Drehort. Es geht um was.

Aus dem Nichts hat Vox diese Serie geschaffen

Im vergangenen Jahr gab es im deutschen Fernsehen einen großen Sieger. Das war der Club der roten Bänder. Aus dem Nichts hat Vox diese Serie geschaffen und der gesamten Branche gezeigt, dass man das Seriengenre abseits der Krimiproduktion nicht kampflos den großen Playern der Marke Netflix oder Amazon überlassen muss, dass man sogar mit einem Eigenprodukt sehr gute Marktanteile einfahren kann. Bei fast jeder Preisverleihung war der Club der roten Bänder vorne mit dabei und bewies damit, dass die deutsche Serie lebendig ist, dass sie eine Chance hat.

Der Erfolg zählte 2015 doppelt, weil im Vox-Mutterhaus RTL ein paar Monate zuvor Deutschland 83 gelaufen war, eine durchaus ordentlich produzierte Serie, die zwar von der Kritik gelobt, von den Zuschauern aber mit wenig Zuspruch gestraft wurde. Auch in anderen Sendern war man nicht wirklich hoffnungsfroh, was die hauseigene Serienproduktion anging. In der ARD erstickte das ambitionierte Projekt Die Stadt und die Macht an einer überforderten Hauptdarstellerin und zu vielen Figuren, die Vorstadtweiber verliefen sich im Wien-Klischee, und selbst die dritte Staffel von Weissensee blieb qualitativ hinter ihren Vorläufern zurück.

Beim ZDF schlug man sich mit der vorschnellen Ankündigung herum, das deutsche Breaking Bad schaffen zu wollen. Kein Wunder, dass Bastian Pastewkas zugehöriger Versuch Morgen hör ich auf im Januar in der Belanglosigkeit versandete.

Vorerst geht die Suche also weiter nach der ultimativen deutschen Serien-Idee, vielleicht wird Matthias Schweighöfer fündig, dessen Amazon-Produktion Wanted 2017 zu sehen sein soll. Beim Bezahlsender TNT sorgte die Mysteryserie Weinberg für ein wenig Aufsehen; ob es sich in Zuseher verwandeln lässt, soll sich demnächst im Free TV erweisen. Ausgerechnet Vox hat die Serie gekauft, wohl auch, weil die beiden Weinberg-Autoren Arne Nolting und Jan Martin Scharf gleichfalls für die Drehbücher zum Club der roten Bänder verantwortlich zeichnen.

Eine sehr anrührende Mischung, die Tragik und Humor mit akkuratem Timing zu verbinden weiß

"Ich habe Gratulations-SMS aus der ganzen Branche bekommen. Die meisten haben gesagt: Das ist gut für uns alle", berichtet Vox-Chef Bernd Reichart. Er hat die in Spanien erfolgreiche Krankenhausserie, die sich nicht um Ärzte, sondern um sechs kranke Jugendliche dreht, nach Deutschland geholt, hat sie mit Sorgfalt eindeutschen lassen und einem großen Publikum bewiesen, dass man auch Themen wie Krebs bei Kindern, Beinamputationen und Essstörungen in großes Fernsehen verwandeln kann. Herausgekommen ist eine sehr anrührende Mischung, die Tragik und Humor mit akkuratem Timing zu verbinden weiß. Im Prinzip geht es durchgehend um junge Menschen und Probleme, die sich leichter lösen lassen, wenn man sich mit Gleichgesinnten zusammentut - wenn man halt einen Club gründet.

Schon während der Produktion der ersten zehn Folgen war Reichart klar, dass der Club, der nach den Bändern benannt wurde, die man im Krankenhaus anlässlich einer Operation umgebunden bekommt, in eine zweite Staffel gehen musste. Manche haben ihn deshalb belächelt. Schließlich hatte Vox vorher noch keinen Ernst zu nehmenden Versuch gestartet, das Thema Serie für sich zu gewinnen. Reichart hat das Lächeln in Kauf genommen und sein Ding durchgezogen.

Die Türen stehen wieder offen für Menschen mit Serienideen

Man lügt nicht, wenn man behauptet, dass der Club der deutschen Serie genau den Kick verpasst hat, den sie brauchte, um die Furcht vor den angeblich übermächtigen internationalen Mitbewerbern abzuschütteln. Auf einmal stehen in vielen Häusern die Türen wieder offen für Menschen mit Serienideen. Selbst Netflix (Dark, Regie: Baran bo Odar) und eben Amazon mit Schweighöfer sind dabei und haben deutsche Serien bestellt.

Wenn Bernd Reichart dieser Tage durch das Monheimer Bürogebäude geht, begrüßen ihn alle mit Umarmungen. Die Schauspieler, die Regisseure, die Techniker. Man ist hier unter sich, irgendwie auch bei der Arbeit wie im Club. Stolz berichtet Reichart, dass 90 Prozent der Mannschaft auch schon beim Dreh im Vorjahr dabei waren. Drei der Crewmitglieder haben sich gar rote Bänder auf die Haut tätowieren lassen. Ein Hinweis, dass der Club für sie mehr ist als nur eine Serie.

"Man wird die Emotion, die man bei der ersten Staffel empfunden hat, mit der bei der zweiten vergleichen. Das wird eine große Herausforderung", sagt. Vor der ersten Staffel hat ihn kaum jemand komplett ernst genommen. Er hätte die Serie vor die Wand fahren können und wäre trotzdem ohne große Blessuren davon gekommen. So viele sind im letzten Jahr gescheitert, da wäre ein Vox-Flop kaum aufgefallen.

Verdopplung des durchschnittlichen Marktanteils des Senders in der Zielgruppe der Zuschauer unter 50 Jahren

Aber jetzt, da der Club der roten Bänder all die Preise abgeräumt hat, sind die Erwartungen natürlich höher. Die erste Staffel hatte mit 14 Prozent den durchschnittlichen Marktanteil des Senders in der Zielgruppe der Zuschauer unter 50 Jahren glatt verdoppelt; bei den jungen Frauen zwischen 14 und 29 Jahren kam Vox gar auf über 25 Prozent. "Wir können uns sehr stark auf die Figuren verlassen", sagt Reichart. Die sechs jungen Helden des Clubs, deren Zusammenhalt sich in weiteren zehn Folgen beweisen muss, liefern dafür die Grundlage. Zudem sei das Engagement aller Beteiligten schon sehr bemerkenswert, heißt es. "Handwerklich haben wir noch mal was draufgelegt, besonders auch die Schauspieler."

Doch auf die Qualität der einzelnen Folgen will man sich nicht allein verlassen. Für die erste Staffel hat Vox eine riesige Plakat-Kampagne gefahren und 250 000 rote Bänder in Sechserpacks versandt, damit die Zuschauer ihre eigenen Clubs gründen konnten. Das will der Sender wieder tun. Ab 3. Oktober läuft die Wiederholung der ersten Staffel, am 7. November starten dann die neuen zehn Folgen.

Drei Folgen sind schon fertig. "Ich habe sie gesehen, und ich bin total happy", sagt Reichart. Im vergangenen Jahr hat er den Schauspielern die ersten Ergebnisse bei einem Grillfest auf seiner Terrasse vorgeführt, und alle waren ganz beseelt. Das will er in der kommenden Woche wieder machen. Ein bisschen abergläubisch wirkt das, aber so sind sie halt am Set vom Club. Nur nichts anders machen als 2015, als alles perfekt lief für Vox.

"Es gibt viele Leute, die Vox anders wahrnehmen"

In einem Zuschauerbrief stand: "Ich freue mich schon auf den Montag. Das ist jetzt der Mutter-Tochter-Tag. Vielen Dank Vox." Reichart zitiert so etwas mit leisem Stolz und verweist auf die Auswirkungen. "Es gibt viele Leute, die Vox anders wahrnehmen, weil ihnen der Club der roten Bänder gefällt. Davon profitieren wir auch bei anderen Produktionen", sagt er.

Das provoziert die Frage nach einer dritten Staffel. "Natürlich überlegen wir, wie es weitergeht", sagt Reichart. "Die Geschichte ist nicht so konzipiert, dass sie nach der zweiten Staffel endet", räumt er ein. Für einen Senderchef sind das sehr klare Worte. Man kann sich also in Monheim darauf einrichten, dass die vom Club im nächsten Jahr wiederkommen.

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